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Afghanistan, Klimawandel und HochwasserIn der Welt herrscht der Wahnsinn

Die Evakuierungen aus Afghanistan laufen weiterhin, über die Schuldfrage wird weiterhin gestritten. Und darüber, wie wir den Klimawandel stoppen.

Die Evakuierungen aus Afghanistan laufen weiter – doch was passiert mit all den anderen Menschen? Foto: Reuters

taz: Frau Herrmann, was war schlecht vergangene Woche?

Ulrike Herrmann: Das „Desaster von Afghanistan“, wie es in den Geschichtsbüchern heißen wird.

Und was wird besser in dieser?

So zynisch es klingt: Die Taliban sind offenbar rational genug zu erkennen, dass es keine gute Idee ist, die Ortskräfte umzubringen. Stattdessen werden sie alle Menschen, die jetzt nicht ausgeflogen werden können, hinterher meistbietend verkaufen. Evakuierungen gegen Geld – das wird der Deal sein.

Ulrike Herrmann

ist Autorin und Wirtschaftsredakteurin der taz und schreibt gerade ein Buch über das „Ende des Kapitalismus“. Sie ist die Urlaubsvertretung von Friedrich Küppersbusch.

Szenen vom Flughafen in Kabul gehen um die Welt, in denen Menschen verzweifelt versuchen, aus dem Land zu fliehen. Lässt Deutschland seine Verbündeten im Stich?

Ja. Es war völlig irre, als Erstes die Soldaten abzuziehen, obwohl sie am wenigsten gefährdet waren, weil sie bekanntlich Waffen besitzen und sich schützen können. Es hätte genau umgekehrt laufen müssen: Zunächst hätte man die Ortskräfte retten müssen – und dann erst hätten die Soldaten das Land verlassen dürfen.

Immer mehr Stimmen fragen sich laut, ob die Taliban überhaupt noch so radikal sind wie vor 20 Jahren. Ist das die nächste Selbsttäuschung des Westens?

Die Taliban sind so radikal wie immer, haben aber strategisch gelernt. Dazu gehört die Erkenntnis, dass man Bündnispartner braucht – und Geld von außen. Zuletzt haben die westlichen Länder, inklusive Militärausgaben, 40 Prozent der Wirtschaftsleistung Afghanistans ausgemacht. Diese Mittel sind nicht zu ersetzen, auch nicht durch Unterstützung aus China. Deswegen werden die Taliban vorerst bestrebt sein, dem Westen entgegenzukommen. Aber der Kern des Problems bleibt: Die Taliban repräsentieren nicht die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung. Sie sind eine Diktatur – und werden gewaltsam jeden Widerstand ersticken.

Das Bundeskabinett beschloss letzten Mittwoch einen Wiederaufbaufonds in der Höhe von 30 Milliarden Euro für die Opfer der Flutkatastrophe in Westdeutschland. Ist das die eine gute Nachricht der Woche oder fällt Ihnen noch eine andere ein?

Es ist richtig, die Flutopfer jetzt nicht allein zu lassen. Aber eine gute Nachricht ist das trotzdem nicht. Die Kosten von 30 Milliarden Euro zeigen, wie teuer der Klimawandel künftig wird.

Kleines Rätsel: In Deutschland sollten wir „generell überlegen, wie wir Klimaschutz als Daueraufgabe mit der Schuldenbremse in Einklang bringen können“. Und: „Wenn man die Gesellschaft zusammenhalten will, kann die Pendlerpauschale einen Konsens für die Mobilitätswende absichern“. Robert Habeck und Markus Söder – wer von beiden hat was gesagt? Und was sagt uns das?

Satz eins stammt von Söder. Auch die CSU erkennt endlich, was offensichtlich ist: Klimaschutz lässt sich nur finanzieren, wenn man Schulden macht. Der zweite Satz kommt von Habeck und macht deutlich, wie sehr die Grünen unter Druck sind. Denn die Pendlerpauschale forciert nicht nur die Zersiedelung der Landschaft – sie ist auch unsozial. Sie nützt vor allem den Spitzenverdienern, denn die Entlastung wirkt umso stärker, je höher das zu versteuernde Einkommen ist.

Das Umweltministerium veröffentlichte letzte Woche einen Bericht: Deutschland wird demnach seine Klimaziele 2030 wohl deutlich verfehlen. Wird eine Regierung mit grüner Beteiligung daran etwas ändern?

Nein. Die Grünen wären ja nicht allmächtig, sondern nur Koalitionspartner. Zudem reicht auch das grüne Wahlprogramm nicht, um Deutschland klimaneutral zu machen. Das ist keine Kritik. Die Grünen sind ambitionierter als jede andere Partei, aber sie können nicht mehr fordern, als die eigenen WählerInnen akzeptieren würden. Bei den meisten Deutschen hält sich aber hartnäckig die Illusion, dass die Technik alles richten könnte und „grünes Wachstum“ machbar sei.

Und was machen wir jetzt mit unserem Geld?

Eine gute Frage, auf die es keine gute Antwort gibt. Denn in der Welt der Finanzen herrscht der Wahnsinn. Da reicht ein Blick auf die Börsen: Der deutsche Aktienindex DAX ist seit 2011 um 290 Prozent gestiegen. Die deutsche Wirtschaft ist im gleichen Zeitraum aber nur um etwa 13 Prozent gewachsen. Die Aktienkurse haben mit der Rea­li­tät nichts zu tun, stattdessen pumpt sich eine Spekulationsblase auf. Ob man weiter auf steigende Kurse wetten und diese Blase füttern will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Und damit übergebe ich zurück an Friedrich Küppersbusch.

Fragen: Emeli Glaser, waam

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20 Kommentare

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  • Den Wahnsinn in der Welt hat es immer schon gegeben.

    Das Einzige was es noch nicht so lange gibt, ist dass dieser Wahnsinn ständig live in die deutschen Wohnzimmer übertragen wird, und den Zuschauern den Appetit verdirbt.

    Das verzeihen die Deutschen nicht.

  • "Und damit übergebe ich zurück an Friedrich Küppersbusch."

    Schade, Frau Herrmann.

  • "Die Kosten von 30 Milliarden Euro zeigen, wie teuer der Klimawandel künftig wird."

    Völlig richtig. Aber ich denke, es ist jetzt langsam an der Zeit, die euphemistische Wohlfühlvokabel "Klimawandel" durch das passendere "Klimakatastrophe" zu ersetzen, oder?

  • Lasst das man in Zukunft öfters Ulrike Herrmann machen! Da kommt mehr bei rum als bei den "Wortspiel-ergib-dich-du-bist-umzingelt"-Kolumnen von Küppersbusch!

    • @miri:

      eine meinung hat fast jeder. humor dagegen nicht...



      mir fehlt nicht nur der andere, oftmals fremde blickwinkel, den es in den antworten von friedrich küppersbusch gibt, sondern auch seine kluge komik .



      etwas ist dann komisch/witzig, wenn etwas unerwartet anders ist. und in seinen kolumnen sind die antworten häufig unerwartet anders.

    • @miri:

      Nein, die treffsichere Beobachtungsgabe, die vielseitige Verknüpfung u. Durchdringung der Themen, die lakonische Knappheit des Friedrich Küppersbusch finde ich unentbehrlich, gerade in einer Zeitung der neuen Mitte. Auch wenn Friedrich die Schutzverantwortung der intern. Gemeinschaft in Bosnien und Kosovo nicht zu goutieren schien...



      Der TAZ fehlen mitunter die individuellen Qualitäten, wie sie Yücel, Theweleit, Wiclaf Droste, früher Erich Fried, Ulrike Meinhof, Brückner, Semler mal aufs Papier brachten. Der Verstand wird manchmal erst wach, wenn ihm ein Stein auf den Kopf fällt.



      Auf die Frage: Welche Koalitionsoption finden Sie momentan am realistischsten? - antwortete Küppi vor ein paar Wochen: "Nach Umfragen: Schwarz-Grün mit Kanzler Olaf Scholz."



      Das ist besser als Krake Paul! Soll er weiter die Parteien so gnädig behandeln wie Schalke 04.



      Klar, bei U. Herrmann macht VWL wieder Spaß, aber da brauche ich schon längere Ausführungen, z.B. wie sie die Grünen bei ihrer Versöhnung mit der Ökonomie und den zauseligen Karl aus Trier beim Mehrwert in Frage stellt.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @miri:

      Die Wortspiele von F.K. gefallen mir fast immer gut, und sie sind in den meisten Fällen nicht Selbstzweck sondern dienen der Unterstreichung.



      Ich weiß zwar auch so, was die Borussen machen, aber ein schönes Wortspiel kann über ein schwaches Fußballspiel hinwegtrösten.

  • "...Pendlerpauschale... Sie nützt vor allem den Spitzenverdienern, denn die Entlastung wirkt umso stärker, je höher das zu versteuernde Einkommen ist."

    Das stimmt nicht. Sie nützt jedem, der überhaupt Steuern zahlt. Man muss kein Spitzenverdiener sein. Richtig ist, dass Geringverdiener in die Röhre schauen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      > Richtig ist, dass Geringverdiener in die Röhre schauen.

      Und Radfahrer und Leute, die umweltfreundliche Transportmitte lnutzen.

      Denn: Umweltfreundliche Transportmittel sind nicht auf Tempo maximiert (die Strategie der Zukunft ist ohnehin Entschleunigung) aber da die Pauschale nach Entfernung geht, und Pendelentfernungen nach einem relativ konstanten Zeitbudget bemessen werden, fahren die Radfahrer und umweltfreundlichen Pendler im Schnitt weniger weit, und bekommen deswegen zum Lohn weniger Pauschale.

      Was unterm Strich einmal mehr Subventionierung fossil motorisierten Verkehrs ist.

      Richtig wäre es anders rum: Wer motorisierte Wege einspart, sollte belohnt werden.

      • @jox:

        "... fahren... weniger weit, und bekommen deswegen zum Lohn weniger Pauschale"

        Ja. Weil sie von der Entfernung abhängt.

        Allerdings habe ich den Eindruck, dass einige Mitbürger denken, es würde in irgendeiner Form Spaß machen, jeden Tag weite Strecken mit dem Auto zu pendeln. Abgesehen von ein paar Spinnern, ist das aber bei den meisten Pendlern nicht der Fall. Es ist ätzend.

        "Wer motorisierte Wege einspart, sollte belohnt werden."

        Bin ich voll dafür. Allerdings ist unser Land Jahrzehnte für das Gegenteil ausgebaut wurden. Das lässt sich nicht einfach umpusten. Eine Lösung wäre, das Land umzustrukturieren und abhängig von Fortschritt die Subventionen umzugestalten.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "... das Land umzustrukturieren und abhängig von Fortschritt die Subventionen umzugestalten."

          Was soll das denn sein? Schulen und Ärzte erst, wenn man ein Gewerbegebiet ausweist? Das hat man in diversen ländlichen Regionen, besonders im Osten 30 Jahre versucht mit dem Ergebnis, das die Menschen im in die Metropolen abgewandert sind oder dort hin pendeln.

          Wenn dem Wahnsinn des Wachstums der Metropolen kein Ende gemacht wird, wird es dort bald neben fehlenden Wohnungen auch noch fehlende Grünräume geben.

          Auf "Fortschritt" zu warten ist "Däumchen drehen". Da muss raumplanerisch gegen gewirkt werden.

          • @Rudolf Fissner:

            Da haben Sie mich wohl gründlich missverstanden. Ich meine, dass Einzelmaßnahmen nicht zum Ziel führen, sondern dass Dinge parallel laufen müssen. Das ist das Gegenteil von Däumchen drehen.

            Mal ein Beispiel, wie es die derzeitige Regierung falsch macht. Wir haben ein Programm zu Ausbau von Ladesäulen. Das ist gut. Was fehlt ist, GLEICHZEITIG ein Programm zum Ausbau der Stromnetze, um die Ladesäulen auch versorgen zu können. Ohne dieses wird der Ausbau der Ladesäulen bald an seine Grenzen stoßen.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Ja und dann brauchen wir noch den Ausbau der Windenergie damit man auch morgen noch kraftvoll die Zähne zusammen beißen kann, wenn man mit dem E-Auto dann wie gehabt auf der Autobahn rumdüst.

              • @Rudolf Fissner:

                "Ja und dann brauchen wir noch den Ausbau der Windenergie..."

                Natürlich. Und natürlich nicht nur für Mobilität.

                Was diese betrifft, werden wir gewiss weiniger Autos brauchen. Unsere Gewohnheiten müssen sich ändern. Aber Autos werden nicht ganz verschwinden. Vielleicht werden sie in Zukunft nur noch bei Bedarf geliehen? Fakt ist aber, selbst wenn es nur noch 20% der jetzigen Anzahl von Autos gibt, müssen die Stromnetze ertüchtigt werden, sie zu laden.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Sie meinen erst die Eier legen bevor die Henne ausgebrütet wird? Oder sollen die zwischenzeitlich mit Kohlestrom beliefert werden? Und wie ist das mit LKWs Können die überhaupt sinnvoll per Batterie fahren?

  • Jetzt habe ich diese Kolumne gerne gelesen. von FKüppersbusch noch nie.



    Ist ja auch ne Wochenzusammenfassung.



    Aber Ökonomie!

  • > Und: „Wenn man die Gesellschaft zusammenhalten will, kann die Pendlerpauschale einen Konsens für die Mobilitätswende absichern“.

    Die ganze Subventionierung motorisierten Individualverkehrs ist ein Irrweg, denn sie erzeugt nur immer noch mehr Verkehr. Das ist sehr gut dargestellt hier:

    www.verkehrswissen...omen%20Verkehr.PDF

    Je mehr Strassen gebaut werden, desto mehr Verkehr entsteht, denn Menschen haben ein konstantes Budget für ihre tägliche Reisezeit - egal ob mit dem Scooter, Rollschuhen, oder einem Privatjet. Wir müssen also die Ressource "Verkehrswege" effizient Nutzen, und das gelingt nicht, indem man im Endeffekt versucht die Länge der Wege durch schnellen Transport zu maximieren. Der richtige Weg ist *Entschleunigung* und Aufbau von Infrastrukturen mit kurzen Wegen.

    Und deshalb ist das Elektroauto ein kompletter Irrweg - es schreibt die bestehenden Probleme nur fort, zu stark gesteigerten Preisen.

    Spannend und wirklich fortschrittlich sind Initiativen, die das Ziel haben, zu entschleunigen, den Schnellverkehr reduzieren und Städte wieder lebensfreundlicher machen, wie diese hier:

    www.autofrei.de/

    • @jox:

      Und ein - durchaus extrem schwieriger - Umbau der Gesellschaft und ihrer Werte, die Mobilität so hypen. Inzwischen gehört es ja schon zum guten Ton, als Klassen"fahrt" nach Rom oder England zu fliegen. Alle meinen, unbedingt Tausende von Kilometern entfernt leben, sich ausbilden oder sonstwas zu müssen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "[....] in der Welt der Finanzen herrscht der Wahnsinn." wird für die Headline geschrumpft auf "in der Welt [....] herrscht der Wahnsinn"



    Stimmt ja leider beides. - Und Danke für die gelungene Urlaubsvertretung.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Ja, sehr gelungen. Besagte Spekulationsblase wird platzen, vielleicht diesmal nicht so sehr aus sich selbst heraus, sondern aus einer Mischung von äußeren, unerwarteten Ereignissen und dem Zurückfahren des Quantitative Easing. Zur präventiven Umverteilung ist der kapitalistische Mindset des "Westens" ja schon lange nicht mehr in der Lage. Klimachaos besorgt den Rest.