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AfD verteilt Ausschüsse im BundestagRadikale bekommen, was sie wollen

Die AfD-Fraktion hat ihre Arbeitskreise verteilt: Helferich sitzt im Kulturausschuss, Krah im Europaausschuss. Und auch der Kreml dürfte sich freuen.

Haben ein belastetes Verhältnis, Krah bekam dennoch, was er wollte: Tino Chrupalla (rechts) und Maximilian Krah (noch rechter) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Gerade erst wurde das Verfassungsschutzgutachten zur Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextrem geleakt, schon liefert die AfD weiter Belege für ihre Radikalisierung. Man könnte das Gutachten fortlaufend ergänzen: Denn die Partei tut trotz drohender Konsequenzen für Beamte in den eigenen Reihen bemerkenswert wenig für ihre Deradikalisierung.

Im Gegenteil: Die neue AfD-Fraktion im Bundestag hat am Dienstag ihre Kandidaten für die Ausschüsse gewählt und ihre radikalsten Köpfe durften sich am Ende freuen. Denn sie bekamen exakt das, was sie sich wünschten: Matthias Helferich, der sich selbst als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnete, kommt in den Kulturausschuss und beschäftigt sich dort unter anderem mit Gedenkstättenarbeit. In der letzten Legislatur distanzierte sich die AfD-Fraktion noch von Helferich wegen seiner radikalen Positionen, in dieser Legislatur wurde er reibungslos aufgenommen.

Gedenkstättenleiter und Historiker Jens-Christian Wagner bezeichnete Helferichs Sitz im Kulturausschuss als „Schande“ und als Beleg für die „geschichtspolitische Radikalisierung“ der AfD-Fraktion. Seine Wahl in den sensiblen Ausschuss sei ein „Frontalangriff auf die Erinnerungskultur“.

Der nicht weniger radikale Maximilian Krah, den die Fraktionsspitze nach taz-Informationen am liebsten in den Petitionsausschuss abgeschoben hätte, kam unterdessen in den Europaausschuss. Gegen Krah ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit und Geldwäsche im Zusammenhang mit chinesischen Zahlungen. Zuletzt wurde Anklage wegen schweren Spionageverdachts gegen seinen ehemaligen persönlichen Assistenten und langjährigen Mitarbeiter Jian G. erhoben. Zudem gibt es gegen Krah ein Vorermittlungsverfahren im Zusammenhang mit mutmaßlichen Zahlungen aus Russland – Krah streitet jegliche Schuld ab und darf sich nun freuen, im Europaausschuss weiter viel auf Reisen zu sein.

Arbeitskreis Außen ganz nach dem Geschmack des Kreml

Im Europaausschuss sitzt Krah künftig zusammen mit Matthias Moosdorf, der neben seinem Bundestagsmandat in der letzten Legislatur eine Honorarprofessur in Russland angetreten hat, die sogar intern kritisiert wurde. Immerhin musste er aber Abstriche machen: Am Dienstag scheiterte er nach taz-Informationen mit einer Kampfkandidatur für den Arbeitskreis Außen – bekam dafür aber problemlos einen Platz im Europaausschuss. In der Fraktionsspitze gibt es durchaus die Sorge, dass er dort weiter Unruhe stiften wird.

Anders lief es beim ebenfalls notorischen Russlandreisenden Rainer Rothfuß – der kam erneut in den wohl skandalträchtigsten Arbeitskreis Außen. Auch der Obmann des Ausschusses, Stefan Keuter, war schon als Pseudo-Wahlbeobachter in Russland unterwegs – allerdings vor dem russischen Großangriff auf die Ukraine.

Der neue Leiter des Arbeitskreises Außen dürfte dem Kreml ebenso schmecken: Vorsitzender wird Markus Frohnmaier, ein Vertrauter der Fraktionschefin Alice Weidel. Frohnmaier ist mit einer russischen Journalistin verheiratet, die für die als regierungsnah geltende Zeitung Iswestija arbeitete. Als Russland die Krim annektierte, sprach er Glückwünsche an die „Bürger der Krim zum Erringen der Unabhängigkeit von der Ukraine“ aus.

Schon 2015 traf Frohnmaier Putins faschistischen Ideologen Alexander Dugin und veröffentlichte sogar Beiträge auf dessen Website. Auch besuchte er vor Russlands Invasion in der Ukraine pro-russische Separatisten im Donbas. Bereits 2019 berichteten diverse Medien in gemeinsamen Recherchen zu Versuchen russischer Einflussnahme auf die Bundestagswahl 2017. In einem Strategiepapier des Kremls wurde Frohnmaiers Einzug damals demnach begrüßt. Er werde „ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter im Bundestag sein“, hieß es darin.

Und auch anderswo geht die Radikalisierung recht ungebremst weiter: So berichten unter anderem die Nürnberger Nachrichten, die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag will Höcke-Flüsterer und völkischen Vordenker Götz Kubitschek als Sachverständigen für eine Anhörung zu „Demokratiebildung“ benennen. Auch wenn die anderen Parteien das offenbar noch verhindern wollen: Der Verfassungsschutz dürfte weiter jede Menge Belege zu sammeln haben.

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27 Kommentare

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  • Ausschüsse erstellen Protokolle? Es wird über Äusserungen öffentlich schriftlich berichtet? Ist das ggf. nicht hilfreicher, als sich durch Chats zu quälen, für die man ersteinmal eine richterliche Genehmigung benötigt? Ist es ggf. besser, die Reisen "zu begleiten" und damit auch Verhalten angreifbarer zu machen, wenn sich ein Mandatsträger dabei regelwidrig (unangebrachte Kontakte wg. Sanktionen etc.) verhält? Geheimhaltung ist natürlich auch ein Pferdefüsschen...

    Frage ist halt, wie lange bspw. Herr Krah zur Verfügugn steht ob der anstehenden Verfahren? Ebenso was die Presse aus der Pressearbeit der Ehefrau von Herrn Frohnmaier machen wird. Enge "Beobachtung" ist zu erwarten?

  • Da kann man doch nicht einfach zuschauen, wie diese Partei im Bundestag ungebremst ihr Unwesen treibt.



    Und Posten an politischen Schaltstellen mit rechtsextremem Personal innehat. Auch immer die Mitarbeitenden mitgedacht, von denen viele aus einem faschistischen Milieu kommen.



    Parteiverbot jetzt.

  • Ein Verbot ändert nichts an der Zahl der Menschen, die sich von den anderen Parteien abgewendet haben. Seit gut 20 Jahren ergeben sozialwissenschaftliche Studien, dass ökonomische Krisen, Perspektivlosigkeit, Zukunftsängste und Stillstand im Sinne von "seit 10, 15, 20 Jahren verbessert sich meine SItuation nicht" - Job, Wohnung, Lebensumstände - , mit einer wachsenden Unterstützung von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten einhergehen. Das wird von den meisten Parteien entschlossen ignoriert. "Antifaschistische Wirtschaftspolitik" - gerne im Netz suchen - könnte hier gegensteuern, ist aber von der Koalition nicht zu erwarten, fürchte ich.

  • Ganz ehrlich, so allmählich zweifele ich an Verstand und Vernunft der meisten Deutschen.

    • @Minelle:

      Geht mir genauso.

      • @Andreas J:

        Willkommen im Club.

  • Naja, verbieten wäre eine Option.

  • Dieser Artikel bedeutet doch, dass vermutlich viele amtierenden afd Abgeordneten für Russland spionieren? Zumindest diejenigen, die öfter dorthin reisen.



    Genügt dieser Spionageverdacht denn nicht um weitere Maßnahmen zu ergreifen? Durchsuchen, Abhören usw... ENDLICH mal die Richtigen!

    • @realnessuno:

      Vielleicht werden schon manche abgehöhrt?

  • Verbieten. Jetzt. Und kein brennbares Material im Bundestag lagern...

  • Die Bildunterschrift ist göttlich :-D

  • Das ist alles nicht zu fassen und man begreift auch nicht, dass es noch Gegner eines Verbots der AfD gibt.

    • @Ray No:

      👍👍

    • @Ray No:

      Gegner des Verbots sein heißt nicht für die AfD sein.



      Ich bin Gegner des Verbots, weil es Jahre dauern würde, Jahre in der die AfD noch mehr Aufmerksamkeit bekommt als so schon.



      Außerdem bin ich gegen ein Verbot, weil es kein einziges der tatsächlichen Probleme löst die wir haben.



      Rechte Parteien gab es schon immer, rechtes Gedankengut gab es schon immer, trotzdem wurden die politischen Ränder in Deutschland über Jahrzehnte hinweg mit plusminus 10% zusammen bedacht.



      Für mich war das immer der Beweis, dass es "läuft" in Deutschland.



      Seit gut zehn Jahren läuft es aber nicht mehr. Egal wo man die Probleme ausmacht - ob steigende Sozialabgaben, Altersarmut, fehlende Fachkräfte in Bildung+Pflege, marode Verkehrswege, öffentliche Sicherheit, Migration, Wohnungsnot, etc...



      Das sind alles Bereiche wo es harkt.



      Natürlich ist es keine Lösung radikal zu wählen - aber immer mehr Bürger tun es trotzdem.



      Für mich heißt das, dass sie es unseren etablierten Parteien nicht mehr zutrauen diese Probleme zu lösen.



      Bei dieser Wahl fiel jede dritte Stimme (!) an eine Partei des politischen Rands.



      Verbieten löst da null - Parteien kann man vielleicht verbieten, die Stimmung in der Bevölkerung nicht🤷‍♂️

      • @Farang:

        Das Verbot der NSDAP hat der Demokratie auch nicht geschadet, obwohl sicherlich noch 1960 Millionen Deutsche die gewählt hätten, wenn sie es denn gekonnt hätten.

        Ich finde, quasi alle Argumente gegen ein Verbot sind in letzter Konsequenz das hier:

        "Es ist zu spät, wir können nur auf ein Wunder hoffen."

      • @Farang:

        "Parteien kann man vielleicht verbieten, die Stimmung in der Bevölkerung nicht"



        Grundsätzlich ist das richtig. Allerdings ist zu bedenken, dass eine unbehelligt agierende rechtsextreme Partei entsprechende Stimmungen konzentriert, lenkt und verstärkt.



        Ein Nichtverbot einer rechtsextremen Partei stellt also ein Versagen der demokratischen Parteien dar. Zusätzlich zu dem Versagen, Probleme nicht zu lösen.



        Darüber hinaus splittert der Kampf gegen eine starke bestehende rechte Partei die Kapazitäten, was die diversen Problemlösungen zusätzlich behindert.

        Fazit: Nichts tun verschlimmert die Lage. Dann Nichts tun erst recht.

      • @Farang:

        Ach ja, die 'gute alte Zeit'! Wohin ist sie entschwunden? "Seit gut zehn Jahren läuft es aber nicht mehr. Egal wo man die Probleme ausmacht."



        Also hatten wir vor 10, 20, 30 oder noch mehr Jahren noch eine heile Welt? Vor allem eine heile Umwelt. Natürlich, damals war ja auch unsere Natur, unser Klima noch nicht zerstört - wahrscheinlich, weil es noch nicht so viele Umweltschützer gab. Damals, als wir unser Glück kaum fassen konnten, endlich über saubere Kernkraft zu verfügen, etc.



        Aber seit ein paar Jahren läuft ja bei uns fast nichts mehr -



        kein Handel durch Wandel, kein Kaviar im Sonderangebot, kein Krimsekt im Kübel,



        kurzum: die Stimmung im Eimer. Die wenigstens kann uns keiner verbieten.



        Ach ja, du 'gute alte Zeit'! Warum bist du entschwunden?

      • @Farang:

        „Ich bin Gegner des Verbots, weil es Jahre dauern würde, Jahre in der die AfD noch mehr Aufmerksamkeit bekommt als so schon.“

        Und dann macht man lieber nichts und wartet, bis die Faschisten an der Macht sind und wieder KZs errichten lassen - eine tolle Alternative.



        Den Menschen, die diese Nazis wählen, zu sagen, dass das aber nicht in Abordnung ist und irgendwie bäh, hat nun mal 10 Jahre lang nicht funktioniert. Und der CDU zu sagen, dass sie etwas gegen die soziale Spaltung tun muss, auch nicht. Es hilft halt nicht, auf andere zu warten, denn genau das spielt den Nazis in die Hände.

  • D.h., nicht nur sitzen die rechtsextremen AfDler natürlich in den Ausschüssen, sondern in Kultur und Europa sind auch noch die rechtsextremsten von ihnen drin. Das kann ja sehr heiter werden.



    Endlich weiß ich, wie sich das in der Weimarer Republik angefühlt haben muss als die Nazis schon im Parlament saßen.

  • Eine Zumutung für jeden Demokraten in diesem Land.



    An Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.



    DARUM :



    www.afd-verbot.jetzt

  • Es erzürnt mich wirklich, dass wir nach 1945 wieder in einem Land leben, wo diese Menschen Einfluss haben und durch unsere Steuern alimentiert werden.

    Wer kann man bei der überwältigenden Beweislage und bei der Klarheit, wohin die Reise führen wird, sollten diese Leute an die Regierung kommen, noch an einem Parteiverbot zweifeln?

    1933 hätte ein NSDAP-Verbot auch nicht "ihre Wählenden verschwinden lassen" oder "alle Probleme gelöst", aber

    .....

    • @Stavros:

      Die AfD Wähler sollten lieber wieder ihre Unions Parteien wählen...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Wenn die man alle aus der Union wären...

        Die Wählerwanderungen zur AfD sind spannend und deutlich mehrdimensionaler.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Z.B., mir egal.

        Verknappt das Angebot! :-)

        • @Stavros:

          Ob sich wohl die Unions Parteien überhaupt wieder von AfD Wählern wählen lassen 😉

          • @Alex_der_Wunderer:

            Können gerne auch wieder nichtwählen ;-)