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AfD und RusslandIm Auftrag ihres Zaren

Die extrem Rechten haben gute Verbindungen in den Kreml. CDU und SPD werfen der AfD deswegen Spionage vor. Ein Berliner Gericht sieht das ähnlich.

Die Bundestagsfraktion der AfD – die Regierungsfraktionen sehen in der AfD zunehmend ein Sicherheitsrisiko Foto: Metodi Popow/imago
Gareth Joswig
Tobias Schulze

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Gareth Joswig und Tobias Schulze aus Berlin

Bei der AfD sind gute Kontakte ins autoritäre Russland notorisch: Erst kürzlich führte die brandenburgische AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Bessin eine Besuchergruppe durch die russische Botschaft. Auch Fraktionschef Tino Chrupalla feierte dort vor zwei Jahren mit dem Botschafter den sowjetischen Sieg über Nazideutschland und ließ sich nicht zum ersten Mal für russische Propaganda einspannen. Immer wieder fallen AfD-Abgeordnete mit Aussagen auf, die nach Kreml klingen, oder reisen gleich als Pseudowahlbeobachter nach Russland – zuletzt war ein Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter bei einem extrem rechten Vernetzungstreffen in Sankt Petersburg.

Auch der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Markus Frohnmaier, wollte kürzlich nach Russland reisen – hat den Besuch nach heftiger Kritik nach taz-Informationen wieder abgeblasen. Hinzu kommen Korruptionsaffären wegen möglicher russischer Einflussnahme gegen AfD-Abgeordnete, auch mögliche Geldzahlungen spielten dabei eine Rolle. Noch immer wird gegen den EU-Abgeordneten Petr Bystron wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche ermittelt, seine Immunität wurde vom EU-Parlament im Mai aufgehoben.

Die Regierungsfraktionen sehen in der AfD zunehmend ein Sicherheitsrisiko: Auch deshalb, weil die Partei immer wieder parlamentarische Anfragen zur kritischen Infrastruktur der Bundesrepublik stellt. SPD und Union haben deswegen für Mittwochnachmittag kurzfristig eine aktuelle Stunde im Bundestag angesetzt. Titel: „Auswirkungen des Verhältnisses der AfD zu Russland auf Deutschlands Sicherheitsinteressen – Kein Patriotismus, sondern mögliche Gefährdung unserer Sicherheit“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, sagte der taz, es sei gutes Recht der Opposition, Anfragen zu stellen. Die Häufung von Anfragen zu „Transit militärischer Güter, Art, Anzahl und Haltepunkte“ oder „Speicherstellen und Schnittstellen polizeilicher Dienststellen“ werfe „gewisse Verdachtsmomente“ auf. Angesichts der vielen Anfragen zu kritischer Infrastruktur sei erstaunlich, dass die AfD keinen einzigen Antrag zum Schutz der Infrastruktur eingebracht habe, etwa zu dem kürzlich vom Kabinett beschlossenen Kritis-Dachgesetz.

Wegen Russlandnähe kein Hausausweis

Die extrem rechte Partei wies die Vorwürfe zurück. Tino Chrupalla behauptete gegenüber der taz, die AfD stelle nur berechtigte Fragen. Zu Spionagevorwürfen im Zusammenhang mit parlamentarischen Anfragen sagte er: „Es ist unverschämt, das zu unterstellen, ohne ansatzweise einen Beleg zu haben.“ Ebenso sei es „unverschämt“, das Fragerecht beschränken zu wollen. Es stehe der Bundesregierung offen, Fragen unbeantwortet zu lassen. Er nannte die Vorwürfe eine „Kampagne der CDU.“ Auch Weidel nannte es ein billiges Manöver der CDU, der AfD das Label der Agenten Russlands aufkleben zu wollen.

Allerdings gibt es durchaus Belege: Zuletzt wurde einem AfD-Mitarbeiter mit Verweis auf Kontakte zu russischen staatlichen Stellen ein Hausausweis für den Bundestag untersagt, das Berliner Verwaltungsgericht sieht das im Eilverfahren als rechtmäßig an. Es handelte sich dabei um den ehemaligen AfD-Abgeordneten Ulrich Oehme, der 2018 auf Putins Kosten auf die besetzte Krim reiste.

Das Verwaltungsgericht entschied nun: „Seine Kontakte zu russischen Stellen bzw. zu Personen, die ihrerseits mit russischen staatlichen Stellen zusammenarbeiteten, begründeten greifbare und naheliegende Risiken für die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages.“ Der Antragsteller weise enge Verbindungen zu einem russischen Staatsangehörigen auf, der seinerseits aktiv mit russischen Geheimdienstangehörigen zusammengearbeitet habe. Zusammen wollten diese über den Zugang zum Bundestag „den demokratischen Prozess und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährden“, so das Verwaltungsgericht. Daher habe die EU diesen russischen Staatsangehörigen bereits sanktioniert.

„Auftragsliste des Kreml abarbeiten“

Die Grünen warnen davor, nun pauschal das Fragerecht für die Opposition einzuschränken. Das sei verfassungsrechtliches Kamikaze, so Irene Mihalic.

Vor diesem Hintergrund können die Anfragen zur kritischen Infrastruktur schon stutzig machen. Im Juni stellte die AfD-Fraktion beispielsweise 52 detaillierte Fragen zu den Drohnenkapazitäten der Bundeswehr. Einen Teil der Fragen beantwortete die Bundesregierung aus Geheimhaltungsgründen nicht, einige Antworten wurden der AfD daher gesondert als Verschlusssache zugeleitet. Die angefragten Informationen beschrieben die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr so detailliert, „dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann“. Hier überwiege „das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht wesentlich“.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Steffen Bilger, sprach von auffällig vielen Fragen der AfD zu kritischer Infrastruktur. Der Bundestag müsse nun „mal genauer schauen, ob das Fragerecht genutzt wird, um unseren Interessen zu schaden und den Interessen eines anderen Landes zu dienen“, wie er am Dienstag sagte. Es sei wichtig, dass Anfragen der Opposition vollständig und korrekt beantwortet würden, aber im Falle der AfD müsse geprüft werden, „ob das Fragerecht so missbraucht wird, dass es unseren Interessen schadet“.

Grüne warnen vor Beschneidung des Fragerechts

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, warnte allerdings vor jeglichen Überlegungen, die Fragerechte der Opposition zu beschneiden – das sei „verfassungsrechtliches Kamikaze“. Die Bundesregierung könne schon jetzt bei ihren Antworten auf Parlamentsanfragen abwägen, ob Informationen sicherheitsrelevant sind. Im Zweifel werden sie Abgeordneten dann nur nichtöffentlich zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus das Fragerecht für einzelne Fraktionen einzuschränken, fände Mihalic „schwierig“.

Sehe man in der AfD ein Sicherheitsrisiko, müsse man ein Verbot beim Verfassungsgericht beantragen, so Mihalic: „Empörung allein reicht nicht.“ Die Fraktionsspitze der Grünen hatte den anderen demokratischen Fraktionen im September ein Gesprächsangebot zu einem möglichen Verbotsverfahren gemacht, die Union habe dieses Angebot bislang nicht angenommen.

Die Debatte am späten Nachmittag eröffnete dann der Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollgremiums Marc Heinrichmann von der CDU. Er verwies auf die Vielzahl der AfD-Connections nach Russland und verdächtig viele parlamentarischen Anfragen zur kritischen Infrastruktur, allein 47 davon in Thüringen. Er frage sich schon, was es mit parlamentarischer Arbeit zu tun habe, wo konkret Militärtransporte halten. „Will ein feindlicher Staat nicht genau so etwas wissen?“, fragte Heinrichmann und bezeichnete die AfD-Fraktion als „eine russlandtreue Schläferzelle“, die sich am „Halsband vom Kreml durch die Manege führen lässt“. Sein CSU-Kollege Heinrich Hein schimpfte die AfD gar wilhelminisch als „vaterlandslose Gesellen“.

Der Grünen-Abgeordnete Robin Wagener (Grüne) klärte auf über den in nachrichtendienstlichen Kontexten gebräuchliche Begriff des „Nützliche Idioten“: „Nützliche Idioten sind Menschen, die unwissentlich oder aus Naivität ein Regime unterstützen, ohne dessen Ziele langfristig zu verstehen.“

Gründe für die Russlandverbundenheit sehe Wagener bei der AfD in Korruption und ideologischer Nähe zu Russland. Zudem verwies er auf Korruptionsermittlungen gegen AfD-Politiker und sagte: „Sie haben mehr Strafverfahren an der Backe als parlamentarische Initiativen in diesem Haus. Ist das noch Politik oder schon organisierte Kriminalität? Sie sind eine Schande für deutschland!“ Zugleich appelierte er auch wie die Linke daran, dass die Union keine AfD-Rhetorik und Politik übernehmen, stattdessen lieber ein Verbotsverfahren prüfen sollte.

Die Fraktionsvorsitzenden der AfD Tino Chrupalla und Alice Weidel blieben der Debatte fern, schickten stattdessen ausgerechnet Markus Frohnmaier und Stefan Keuter vor, die selbst für Russlandnähe bekannt sind und gerne auch dem russischen Propaganda-Fernsehen Interviews geben. Die Debattenbeiträge der AfD erschöpften sich im Wesentlichen darin, die Aufmerksamkeit auf Korruptionsaffären in der CDU zu lenken und die Red­ne­r*in­nen der übrigen Fraktionen niederzubrüllen und mit höhnischem Gelächte zu quittieren. (Mitarbeit: Sabine am Orde, Anna Lehmann)

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2 Kommentare

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  • Es wird zunehmend absurd, die AfD weiterhin so zu behandeln, als wäre das alles nur eine Bagatelle. Es ist völlig unverständlich, warum die Union sich weigert, endlich ein Verbotsverfahren anzustoßen.



    Man fragt sich, welches Kalkül dahintersteckt, das Fragerecht der Opposition zu beschneiden.



    Es wäre ein eindeutiger Schritt zu einem gewollten Demokratie Abbau.

  • Nazis feiern Sieg über Nazi Deutschland, selten habe ich mich in der Gegenübertragung dermaßen schizophren gefühlt.