AfD und Martin Schulz: Unerwünschter Beifall von rechts
Die EU-GegnerInnen der AfD hoffen, dass Martin Schulz ihnen neue WählerInnen zutreibt. In der SPD sieht man das anders.
Berlin taz | Treibt der bekennende Europäer Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat der AfD weitere WählerInnen zu? Oder kann die SPD gerade mit einem überzeugten Europäer WählerInnen der Rechtspopulisten zurückgewinnen? Diese Frage wurde am Mittwoch in Berlin heftig diskutiert.
Nach Ansicht der AfD ist die Antwort klar: „Aus unserer Sicht hätte die SPD kaum einen Besseren zum Kandidaten küren können. Ein Glückfall für die AfD, wenn man so will“, sagte AfD-Vizechef Alexander Gauland am Mittwoch. Seine Begründung: Schulz sei ein Sinnbild für eine gescheiterte Europäische Union. Er stehe für die „Überheblichkeit des Brüsseler EU-Establishments und die Bürgerferne der Eurokraten“.
Martin Schulz werde weitere Wähler zur AfD treiben, meint auch Beatrix von Storch, Vizechefin der AfD und Europaabgeordnete. „Schulz ist die personalisierte EU, verkörpert die Arroganz der Institutionen und den EU-Zentralstaat.“
Die SPD sieht das selbstverständlich anders. „Das hilft der AfD nicht, das bekämpft sie“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der auch Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der Partei ist. Schulz könne Menschen überzeugen und ihnen klarmachen, dass Europa mit Freiheit zu tun habe – mit der deutschen Exportwirtschaft, der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Möglichkeit, überall studieren zu können.
Es kann gut sein, dass die Griechenland-Rettung während des Wahlkampfs zu einem relevanten Thema wird
Ähnlich sieht es die Parteilinke Johanna Uekermann. Mit dieser Entscheidung spiele man der AfD auf keinen Fall in die Hände, so die Juso-Vorsitzende. Gegen die AfD müsse man „klare Kante zeigen und als SPD Themen besetzen, die die Menschen umtreiben, also etwa bezahlbarer Wohnraum, eine bessere Vergütung für Azubis und eine Bürgerversicherung“. Das könne Schulz.
Doch so leicht wird das nicht werden, meint der Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer. „Der AfD konnte leider nichts Besseres passieren, als dass neben der Kanzlerin auch noch Martin Schulz antritt“, so seine Einschätzung.
Es könne gut sein, dass die Griechenland-Rettung während des Wahlkampfs zu einem relevanten Thema werde. Mit Schulz, der als Anwalt der Südeuropäer gelte, könne die AfD viel stärker polarisieren und damit ihre Anhänger mobilisieren. Bei den Sozialdemokraten aber sei das nicht der Fall. „Die SPD-Wähler sind bei der Eurorettung doch selbst gespalten.“
Leser*innenkommentare
Celsus
Es wird wirklich sehr viel auf die Art des Wahlkampfs ankommen, den die SPD führt. Was also hat Menschen bislang von der SPD zur AfD geführt?
Die SPD sollte klar erkennen, dass es die Ängste vor einem weiteren sozuialen Abstieg sind. Die Angst nicht mehr über die Runden zu kommen. Gründe liegen dabei auch in Hartz IV, das wohl sogar gewollt Arbeitslosen Ängste um ihre Existenz einjagt um sie zu aktivieren, weil die sonst angeblich nicht wollten.
Es ist eine Überhärte gegenüber diesen Menschen, die von SPD-Spitzenpolitikern schon mal als Schmarotzer bezeichnet wurden (wörtlich!).
Es mögen die Menschen auch sein, die schon mit 58 als Arbeitslose aus der Statistik gestrichen werden, weil es für sie keine Arbeitssplätze mehr geben wird. Die kommen dann erst mit 67 in Rente, deren niveau auf 46 % sinken soll.
Wie ist das bitte als Sachzwang möglich, dass in einem immer reicher werdenden Land, angeblich im sozialen Bereich immer mehr gespart werden muss? ich glaube es nicht. Und es liegt auch nicht an den Flüchtlingen. Es müsste eine Neuorientierung der SPD im Sozialbereich geben, um diese Menschen zurück zu holen.
Eine SPD, die sich nicht sozial neu orientiert, wird weiterhin schrumpfen, während die AfD wächst. Das ist nicht wünschenswert. Ich hoffe auf einen erfolgreichen Kandidaten Schulz, der seine Partei auf einen sicheren und sozialen Pfad lenkt.
Christian Schmidt
Naja, auch eine Griechenland-Rettung kann man gut verkaufen, wenn man das kann. Z.B. als europaeische Solidaritaet, um dann im gleichen Atemzug europaeische Solidaritaet bei der Verteilung der Fluechtlinge fordern. Oder als Hilfe fuer die einfachen Leute in Griechenland, um dann im gleichen Atemzug hilfe fuer die einfachen Leute in Deutschland zu fordern.
Ich denke das Problem des sogenannten Pro-EU-Establishment ist nicht so sehr das man pro-Eu ist, sondern die Heuchlerei. Selbst Merkel erklaert dass sie einerseits pro-EU ist, aber andererseits die Macht zu den nationalen Regierungen zurueckverlagern will - da ist doch ein Widerspruch!
Der Vorteil von Schulz ist doch dass er ziemlich glaubwuerdig ist, weil in der Vergangenheit schon klare Kante gezeigt hat. Er kann die AfD frontal angreifen und gleichzeitig wie die AfD soziale Verbesserungen fuer einfache Leute und eine bessere Fluechtlingsverteilung fordern ohne opportunisch zu wirken weil er ja schon in der Vergangenheit regelmaessig fuer ein sozialeres Europa angetreten ist und rechte Spinner immer konsequent hart angegangen (z.B. Berlusconi, Johnson)
yohak yohak
Ich verstehe nicht so ganz, wieso man in der SPD Martin Schulz gerade zu als neuen Messias feiert. Ich habe mal nachgeschlagen: bei der letzten Europawahl hat die SPD (mit Schulz) gerade mal 1,6 Prozentpunkte besser abgeschnitten als bei der letzten Bundestagswahl.
Existencielle
die AfD hat sich doch in Punkto Euro-Rettung selbst als "Anwalt der Südeuropäer" gegeben. ;) Nur hat man ihnen das (zurecht) nicht abgekauft...