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AfD mitregieren lassen?Macht macht mächtig

Kommentar von René Rusch

Eine Regierungsbeteiligung würde die AfD entzaubern? Die FPÖ an der Spitze hat einen anhaltenden Rechtsruck bewirkt, zeigt der Blick nach Österreich.

Früher umstritten, heute straßentauglich: die FPÖ Foto: Hans Klaus Techt/APA/dpa

D ie Debatte über eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD hat für mich als Österreicher etwas von einer Zeitreise. Bald 25 Jahre ist es her, dass die ÖVP gegen große Widerstände eine Koalition mit Jörg ­Haiders FPÖ gebildet hat. Zentrale Argumente, mit denen damals eine Einbindung der FPÖ befürwortet wurde, werden aktuell in Deutschland recycelt.

Der Trick – wir nennen es „Einser-Schmäh“–, mit dem sich Apologeten extrem rechter Parteien eine gute Ausgangsposition verschaffen, dreht sich um das Wort „Ausgrenzung“: Unermüdlich betonen sie, dass die jeweilige Partei ausgegrenzt wird. In dieser Darstellung ist Ausgrenzung eher etwas, das einem widerfährt, als etwas, das man selbst verursacht. Ausgeblendet wird, dass sich extremistische Parteien durch ihre radikale Agenda de facto selbst ausgrenzen.

In Österreich wurde in den 1990ern vor allem der SPÖ vorgeworfen, eine „Ausgrenzungsstrategie“ gegenüber den Freiheitlichen zu verfolgen. „Ständig dämonisiert“ werde die FPÖ vonseiten der SPÖ, so Andreas Khol, ÖVP-Klubobmann der ersten ÖVP/FPÖ-Regierung. Dass die „Ausgrenzung“ der FPÖ ständigen Zuwachs sichere, war damals gleichsam Common Sense.

Marc Felix Serrao folgt diesem Narrativ in einem Kommentar in der NZZ: Wiederholt schreibt er von einer „Ausgrenzung“ der AfD und beobachtet deren „Dämonisierung“. Zwar bezeichnet er die AfD als „aggressiv und illiberal“, doch gesteht er deren Gegnern nicht zu, dass ihre Ablehnung gut begründet sein könnte. AfD-Kritiker erscheinen bei ihm irrational: Diese ließen sich von „Panik“ statt von „Vernunft“ leiten, hätten einen „Hang zur Hysterie“ und neigten zu „magischem Denken“.

Bemerkenswerte Auslassung in der NZZ

Serrao folgend, könnte man fast meinen, die AfD selbst leiste keinen Beitrag zu der Kritik, die sie auslöst. Für einen Hinweis, dass drei AfD-Landesverbände vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft werden und die AfD im Bund als „Verdachtsfall des Rechtsextremismus“ geführt wird, war im Kommentar kein Platz.

Eine Auslassung, die umso bemerkenswerter ist, als Serrao ein offenes Plädoyer für eine Regierungsbeteiligung der AfD formuliert: „Die Ausgrenzung hat die AfD groß gemacht – wer sie wieder kleinkriegen will, muss sie mitregieren lassen. Je früher, desto besser: bevor die Partei noch mehr Zuspruch erhält.“

Eine Argumentation, die heute genauso daneben ist wie seinerzeit gegenüber der FPÖ: Serrao mag den extremistischen Charakter der AfD unterschlagen, doch hält er sie für problematisch genug, dass „mehr Zuspruch“ verhindert werden sollte. Eine Partei, die besser keinen Zuwachs an Stimmen (und damit Macht) bekommen sollte, eignet sich für die Spitze des Staates?

Österreich ist Avantgarde

Serrao präsentiert der Leserschaft zwei mögliche Folgen, wenn „Rechtspopulisten“ an die Macht gelangen: „Entweder entzaubern“ sie sich oder „sie entradikalisieren sich“. Um seine Hypothese zu untermauern, berichtet Serrao von den Schwedendemokraten, den Wahren Finnen und der Dänischen Volkspartei.

Trotz Skandalen gelingen die Comebacks immer schneller, die Wählerschaft wird stetig größer

Die FPÖ lässt er aus und verletzt damit meine patriotischen Gefühle. Schließlich ist Österreich Avantgarde, wenn es um die Einbindung rechtspopulistischer Parteien geht. Wir haben schon mit der radikalen Rechten koaliert, als das noch „Sanktionen“ nach sich gezogen hat!

Warum ignoriert Serrao die FPÖ? AfD und FPÖ sind inhaltlich kaum voneinander zu unterscheiden, Österreich bietet sich als „kleiner Bruder“ Deutschlands in jeder Hinsicht als Vergleichsmodell an.

Mangelnde Regierungsfähigkeit und Extremismus waren auch 1999/2000 die zentralen Einwände dagegen, die FPÖ mitregieren zu lassen. Befürworter einer ÖVP/FPÖ-Koalition entgegneten, dass es entweder zu einer Mäßigung oder Entzauberung von Haiders Partei kommen würde. Beide Prognosen haben sich als falsch herausgestellt.

Die FPÖ hat nach der vorzeitig gescheiterten Regierung Schüssel I noch zweimal mitregiert; jede einzelne Koalition war von Skandalen geprägt. Die letzte ÖVP/FPÖ-Koalition endete damit, dass der FPÖ-Vizekanzler Österreich im globalen Maßstab blamierte.

Blamagen sind für Rechts-Wähler*innen irrelevant

Dass sich die FPÖ im Laufe ihrer Regierungsbeteiligungen gemäßigt hätte, behauptet heute niemand. Tatsächlich wurde die Partei zunehmend radikaler. Für ÖVP-Kanzler Karl Nehammer stellt FPÖ-Chef Herbert Kickl ein „Sicherheitsrisiko“ dar. „Ja, auf jeden Fall“ sei Kickl rechtsextrem, so Nehammer. Die FPÖ distanziert sich heute nicht einmal mehr von den Identitären – gemäß Kickl ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“.

Das seinerzeitige Zauberwort von der „Entzauberung“ ist aus dem österreichischen Diskurs ebenfalls verschwunden. Zwar büßte die FPÖ nach jedem Crash Stimmen ein, doch kam sie jedes Mal zurück. Seit Ende 2022 liegt die FPÖ in Umfragen stabil an erster Stelle.

Die Comebacks gelingen immer schneller, die Wählerschaft wird stetig größer. Mehr Entzauberung geht nicht – doch für FPÖ-Wähler*innen scheinen Blamagen und Skandale irrelevant.

Die FPÖ an der Spitze des Staates hat weniger die Freiheitlichen verändert als einen anhaltenden Rechtsruck in Österreich bewirkt. Die Sprachsoziologin Ruth Wodak hält fest: „Was Martin Sellner und die AfD in geheimen Runden besprechen, ist in Österreich die öffentliche Position des aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten.“

Am Beispiel Österreich sieht man deutlich, dass eine Regierungsbeteiligung extrem rechter Parteien unerfreulich ausgehen kann. Dies auszublenden und stattdessen hypothetische Vorteile einer AfD-Regierungsbeteiligung zu sehen, grenzt an magisches Denken. Wer es für eine gute Idee hält, die AfD mitregieren zu lassen, sollte einen Blick auf die Verheerungen werfen, welche die FPÖ in der Regierung hinterlassen hat.

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18 Kommentare

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  • Ich erinnere mich, daß die These von Serrao schon 1933 in Deutschland sehr gut funktioniert hat.

    Ob die NSDAP sich damals eher entzaubert oder deradikalisiert hat, mögen andere entscheiden.

    Angesichts dieser Erfolge liegt es auf der Hand, das noch einmal probieren zu wollen. Es kann ja fast nichts schiefgehen.

  • Das offenkundige Beispiel, dass diese Art von Entzauberung nicht funktioniert, liegt schon was länger zurück, gelernt wurde offensichtlich überhaupt nichts.



    Und auch das war ein Österreicher ;-)

    • @Encantado:

      Und Höcke ist ein Wessi.

      • @Sonntagssegler:

        Ungeeignet für ein Regierungsamt sind oder waren beide.

  • "Am Beispiel Österreich sieht man deutlich, dass eine Regierungsbeteiligung extrem rechter Parteien unerfreulich ausgehen kann."



    Kann, kann - sie schreiben es ja selbst. Denn mit Schweden, Finnland und Dänemark gibt es ja aktuelle Beispiele das es auch anders laufen kann, kann(!) 🤷‍♂️



    Denn eins ist unstrittig:



    „Die Ausgrenzung hat die AfD groß gemacht“



    Eben. Und diese 'Taktik' wird nun seit Jahren gefahren, mit - und das ist leider auch unstrittig - absolut null Erfolg.



    Das Ausgrenzen der AfD kommt längst an seine Grenzen, in Thüringen und Sachsen sind absolute Mehrheiten diesen Herbst für die AfD sehr reale Szenarien. Und dann? Hat sich 'die Mehrheit' selbst ausgegrenzt - weil sie keine Mehrheit mehr ist... 😶‍🌫️



    www.nordbayern.de/...ngskurs-1.13929213



    Die AfD mag der Motor sein des Rechtsrucks, aber ein Kanzler Scholz hat OHNE NOT letzten Oktober gesagt, das man endlich schneller und in großen Stil abschieben müsse und das rot-grün regierte Hamburg hat auch OHNE NOT eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt, die maximal 50 Euro Bargeldabhebungen im Monat erlaubt - obwohl keine Gesetz eine derartige Härte vorschreibt 🤷‍♂️🤷‍♂️🤷‍♂️



    taz.de/Bezahlkarte...-Hamburg/!5989217/



    Man kann sich zurecht hinstellen und sagen die AfD vergiftet das Klima, das begründet aber kein bisschen derlei Aussagen und Handlungen wie eben von Scholz oder dem rot-grünen Senat.



    Das ist ja der mir völlig unverständliche Spagat in diesem Land: alle demokratischen Parteien verteufeln die AfD und grenzen sie aus - treffen dann aber immer wieder Stückchenweise politische Entscheidungen die vorher AfD-Forderungen/Positionen waren 🙄🙈



    Das merkt 'der Pöbel' natürlich, so doof ist er nun auch wieder nicht - und wählt dann zunehmend das Original 🤷‍♂️

    • @Farang:

      Ihre Analyse ist Teil des Problems. Sie wollen die sorgen und Nöte, die die AfD (und übrigens auch BSW) großmachen, garnicht sehen und lieber totschweigen.

      "Der Pöbel" will weniger Einwanderer im Land. Würde das tatsächlich von der SPD umgesetzt, würde die AfD kaum noch jemand wählen.

  • Es kann notwendig werden, die AfD zu verbieten.



    Sie darf nicht regieren. Sie darf eigentlich nicht mal eine Kreisstadt regieren. Deutschland ist nicht Österreich, hier ist viel gefährlicher.

  • der rechtsruck begann bei uns ja schon 1990. und an haiders gelben stern für ausländer erinnern wir uns auch noch. bitte keine krokodilstränen....

  • Rechtswähler wählen unabhängig von der Faktenlage. Man holt die nicht wieder zurück es sei denn, sie fühlen sich entsprechend. Das einzige was man gegen die tun kann, is Kinder zu bilden, dass die nicht so werden. Und amit meine ich nicht irgendwelche Zeitgeist-Mantren immer und immer zu wiederholen

    • @Paul Anther:

      Rassismus und Ausgrenzung gab es schon immer. In der Not ist man sich selbst der nächste, dann die eigenen Kinder, dann die Familie, Bekannte, Nachbarn,..., dann Menschen mit ähnlichem Kulturellen Hintergrund, dann Staatsbürger mit anderem Hintergrund, dann kontinent und dann irgendwann kommt noch der Rest.



      Mit Bildung alleine wird das sicherlich sich noch etwas bessern, aber ganz weg wird das wohl nie gehen. Wahrscheinlich egal was man macht. Leider.

  • Man sollte eventuell nicht nur nach Österreich schauen sondern zb nach Polen wo die vorherige “rechte” Regierung wieder abgewählt wurde.



    Das ist das Wessen der Demokratie, schlechte Regierungen müssen abgewählt werden können.

    • @Notizen aus Taiwan:

      Abgewählt schon aber die haben das System nachhaltig beschädigt. Die jetzige Regierung hat mühe das wieder zu korrigieren.

      • @Garum:

        Wäre das System nachhaltig beschädigt, könnte es nicht repariert werden ;-)

        • @Tom Tailor:

          Noch ist es auch nicht repariert und korrigiert.

  • Es finden sich in der Parteiengeschichte mehr Beispiele für eine Radikalisierung extremer Parteien als umgekehrt ihre Mäßigung. Angefangen mit der NPD im Baden-Württemberg Ender der Sechziger, weiter über die Republikaner in Bayern und Baden-Württemberg, die schon Haider Vorbild waren, dann Haider selbst, der Richter Gnadenlos in Hamburg.



    Derzeit sollte Österreich sehr aufmerksam in Bundesländer Thüringen, Sachen und Brandenburg schauen - vor allem in Thüringen ist ein offenes Labor. Die Landesregierung will es nicht ansprechen, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass Investitionen und Ansiedlungen im Bundesvergleich stärker zurückgehen. Parteien wie FPÖ und AfD sind Parteien des Wohlstandsverlusts.

  • Ein sehr überzeugender Kommentar. Danke, Herr Busch, und liebe Grüße nach Österreich.



    Und jetzt höre sich sie schon wieder, die ewigen Relativierer und Schönredner: in Österreich wäre in den letzten 25 Jahren dis Welt doch auch nicht untergegangen, alles sei doch halb so schlimm, man könne ein Drittel der Wähler schließlich nicht ausgrenzen - und ein Herr Busch könne ja seine Meinung noch frei schreiben, trotz FPÖ. Etc.pp.



    Der neue Faschismus in Europa kommt allerdings auf “leisen Pfoten” daher, smart und hip wie ein Sellner - er braucht kein Tschingderassabum und keinen Fackelzug unterm Brandenburger Tor. Sein größter Verbündeter ist die Gewöhnung und die Normalität.



    Nein, sie brauchen keinen Führer … wie Udo Lindenberg einst sang.



    www.songtexte.com/...rer-g7b52cadc.html

  • Man kann nur inständig hoffen und beten, dass dieser Kommentar von der CDSU-Spitze gelesen und vor allem verstanden wird. Leider jedoch steht zu befürchten, dass es denen nur und einzig darum geht, irgendwie (!!) an die Macht zukommen. Egal mit wem.

    • @Perkele:

      Siehe Bündnis Sahra Wagenknecht und ein aktueller Artikel dazu. Für den ein oder anderen Prozentpunkt mehr kann man ja schonmal mit der AfD liebäugeln.