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AfD-Vizepräsident in Sachsen-AnhaltNicht alle wählen AfD

Pia Stendera
Kommentar von Pia Stendera

Bei der Abstimmung über den AfD-Kandidaten stimmten nicht alle CDU-Abgeordneten mit Ja. Das war die eigentliche Nachricht aus Magdeburg.

Leicht säuerlich nach erfolglosem Wahlgang: AfDler Hagen Kohl Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

E s kommt selten vor, dass alles auf Sachsen-Anhalt schaut. Meistens geschieht es im Zusammenhang mit der AfD, so auch dieses Mal. Hagen Kohl (AfD) sollte zum Vizepräsidenten des sachsen-anhaltinischen Landtags gewählt werden. Die Wahl mochte geheim sein, doch klar war vorher: Ohne die CDU hat er keine Chance.

Die Sorgen waren groß: Welch eingerissene Brandmauer. Die Normalisierung eines offen rechtsextremen Landesverbands. Der Schock sitzt tief. Ein Tabubruch. Welches Tabu? Moment mal – kurz zurück gespult. September 2016: Die AfD ist mit 24,3 Prozent zweitstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt. Kraft dieser Größe schlägt die Fraktion Willi Mittelstädt als Vizepräsidenten des Landtags vor. Die erste Wahl geht gegen ihn, bei der zweiten stimmen 46 von 81 Anwesenden mit Ja, 32 mit nein.

Willi Mittelstädt (AfD) wird Vizepräsident Sachsen-Anhalts. Die AfD hatte 25 Sitze. Auch damals schon war es schlimm, dass man ein deutsches Bundesland nun von einem AfD-Mann repräsentiert weiß. Da es um ein ostdeutsches Bundesland geht, ist das gesamtdeutsche Gedächtnis auf Kurzzeit und das Gefühl auf Empörung reduziert. Wer nach dem „Hui, was ist da denn los“ weiter dranblieb, sah eine AfD, die durch ihren Landtagsvize noch das kleinste Problem darstellte.

Das gesamtdeutsche Gedächtnis steht auf Kurzzeit

Mit der Fraktion nahmen NS-Vokabeln Einzug in den Landtag. Sie galten auch jenen, die sich gegen rechte Hetze und Gewalt einsetzen. Die kleinen Anfragen häuften sich nur so, gegen das Netzwerk „Weltoffener Saalekreis“, das demokratiefördernde Projekte aus der Zivilgesellschaft unterstützt. Gegen „Miteinander e.V.“, der das Monitoring rechter Gewalttaten im Land übernimmt und den Betroffenen des Attentats von Halle zur Seite steht.

Kürzlich gegen die „Zora“ Halberstadt, eines der wichtigsten soziokulturellen Projekte im Harzer Raum. Auch an mächtigen Personalien fehlt es in dieser Legislatur nicht, spätestens seit Hans-Thomas Tillschneider (AfD, rechtsaußen) den Vorsitz des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung innehat. Während kurz vor der Wahl viele vorsorglich geschockt reagierten, verwies der regionale MDR darauf, dass Kohl nicht mit allen Stimmen der CDU rechnen könne.

Und konzentrierte sich damit auf den eigentlichen Nachrichtenwert. Tatsächlich erhielt Kohl bei der Wahl am Donnerstagnachmittag lediglich 44 Ja-Stimmen von den 95 Abgeordneten, aber 48 Nein-Stimmen, und war damit nicht gewählt. Auch in einem zweiten Wahlgang verfehlte er die erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

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Pia Stendera
Autorin
Pia Stendera schreibt frei für die taz zu den Themen Ostdeutschland, Soziale Ungleichheit und Rechte Gewalt.
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2 Kommentare

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  • Ob Parteispenden oder Faschismus, wer H. Kohl heißt wird von der CDU automatisch mitgewählt. Alte Reflexe, da machste nix.

  • Das vermutete Abstimmungsverhalten der CDU-Abgeordneten im sachsen-anhaltischen Landtag sagt viel über die Spaltung und innere Zerrissenheit aus, mit der die Union mit der AfD umzugehen gedenkt.



    Da ist die Haltung der FDP eindeutiger und konsequent liberal im Sinne des FDP-Verständnisses von Liberalität: es ist wurscht, ob Liberale einen Proto-Faschisten in Amt und Würden wählen oder nicht, Hauptsache, die Abstimmung ist frei.