Absturz der Grünen: Was jetzt noch geht
Die Pandemie hat viele Leute erschöpft, weshalb ihnen die Unbeweglichkeit von Olaf Scholz wohltuend erscheint. Was heißt das für das Klima?
O kay, Olaf Scholz wird Kanzler. Und nicht nur die CDU, auch die Grünen werden diese Bundestagswahl krachend verlieren. In einem fatal personalisierten Wahlkampf wird der grüne Führungsanspruch längst als schlechter Witz durchs Dorf gejagt. Wenn die Partei dem Absturz weiter nur zusieht, dann wird sie auch noch Platz drei an die FDP verlieren.
Das könnte man ja als ihre Sache betrachten, aber mit einem desaströsen grünen Wahlergebnis wird auch Klimapolitik und Sozialökologie dramatisch an Gewicht verlieren. Bin schon auf den Wahlabend gespannt und ob der verantwortliche grüne „Stratege und Spindoctor“ (Markus Lanz), also Michael Kellner, sagen wird, dass 14 oder 12 Prozent ein toller Zuwachs gegenüber 8,9 Prozent sei und er stolz sei, dass man das trotz der ganzen Gemeinheiten geschafft habe.
Nach den Umfragen stürzt die Partei jedenfalls von einst 27 Prozent immer weiter ab, und es gibt nach meinem Kenntnisstand keinen Plan, das aufzuhalten. Alle Beschwörungen, die Kandidatin habe sich gefangen und sei jetzt funktionsfähig, sind Selbsttäuschung. Es ist zu spät. Die ursprünglich erreichbaren Merkelianer haben ihr Urteil gefällt und zunehmend grün-rote Wechselwähler auch: Nein zu Annalena Baerbock und dem allzu altgrünen „Aufbruch“, für den sie zu werben scheint. Ja zu Scholz und dem großkoalitionären Gaaanz-ruhig, das er verkörpert.
Dass auch Scholz die Klimakrise nicht durch Ignorieren aufhalten kann, versuchen jetzt interessierte Kreise zu übertönen, indem die alte Platte abgespielt wird, die große Entscheidung dieser Gesellschaft liege immer noch zwischen Union und SPD. Gegen diese Problemstellungsverweigerung ist ein Cindy-und-Bert-Konzert ein Realitätsschock. Wobei die kulturell Gebildeten einwerfen werden, dass Bert längst tot sei. Mag sein, aber so richtig lebendig sind SPD und Union auch nicht mehr.
Klimapolitik muss Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik sein, und hätten SPD und Union das machen wollen oder können, dann hätten sie in den gemeinsamen 12 von 16 Merkel-Jahren zumindest mal in die Richtung gepiepst. Haben sie aber nicht. Sie haben im 20. Jahrhundert viel Gutes gemacht, im 21. rauben sie den Jüngeren die Zukunft.
Die Pandemie hat aber nun mal viele Leute ziemlich erschöpft, weshalb ihnen die Unbeweglichkeit von Scholz wohltuend und sicherheitsspendend erscheint. Die Klimakrise hat keine Priorität für ihn. Stattdessen will Scholz – wie die FDP und die Union – eine Verbotskrise verhindern. Verbote sind das Nachtgespenst, mit der diese anti-klimapolitische Deutschland-Koalition den Leuten Angst vor Zukunftspolitik einjagen will.
Die Frage ist für all jene, die ernsthafte Zukunftspolitik endlich im Zentrum von Politik und Gesellschaft wollen und eine neue Dynamik jenseits von Union und SPD: Was geht jetzt noch?
Zwei Gedankenversuche: Es gibt ja viele Leute, die Klimapolitik wichtig finden und Annalena Baerbock auch gern in der Regierung haben wollen, aber auf keinen Fall im Kanzleramt. Um den Personalisierungs-Malus abzuschwächen, könnte sie ihnen sagen, dass diese „Gefahr“ nicht mehr droht. Und dann könnten die Grünen statt vor der SPD zu kapitulieren, mal mit der FDP das probieren, was Robert Habeck und Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein getan haben: Statt sofort nach der Wahl brav aufeinander loszugehen, sich zusammentun und die Kanzlerpartei in spe damit so unter Druck setzen, dass jeder in der Ampel in einem zentralen Bereich Prokura bekommt und wirklich etwas Neues hinkriegen kann. Das wäre nicht ideal, aber besser als der Status quo.
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