Abschiebungen nach Afghanistan: „Kabul ist zu gefährlich“
Die Bundesregierung erachtet Afghanistan als „ausreichend stabil“ für Abschiebungen. Doch ein französisches Gericht und das UNHCR sehen das anders.
Ein Gerichtsurteil in Frankreich und Einschätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) werfen vor der an diesem Dienstag anstehenden zwölften deutschen Sammelabschiebung nach Afghanistan neues Licht darauf, dass Afghanistans Hauptstadt Kabul für Abschiebungen zu unsicher ist. Die Bundesregierung hält die Lage dort bisher für „ausreichend stabil“ für Abschiebungen.
Zu Monatsbeginn erklärte Aurvasi Patel, Vizechefin des UNHCR in Kabul bei einem Vortrag in Wien laut österreichischen Medien, die Sicherheitslage habe sich im gesamten Land so massiv verschlechtert hat, dass sie Abschiebungen zurzeit nicht zulasse und man keine Afghanen zurückschicken solle.
Zudem wurde erst jetzt ein Urteil des Asylberufungsgerichts (CNDA) in Paris vom März bekannt, das einem 27-jährigen Afghanen nach Ablehnung seines Erstantrags subsidiären Schutz gewährt. Laut Gericht sei Kabul ein Ort „hochintensiver blinder Gewalt“ und es drohe dem Flüchtling dort wegen aktueller Anschläge „schon aufgrund seiner Anwesenheit im Stadtgebiet“ schwerwiegende Gefahr. Erst am Sonntag starben in Kabul bei einem Anschlag 57 Zivilisten, darunter fünf Kinder. 119 wurden verletzt. Landesweit starben durch Gewalt gegen Wahlinstitutionen in der letzten Woche in vier Provinzen weitere neun Menschen.
Seit Anfang April hatten Österreich und Schweden mit einem gemeinsamen Abschiebeflug 27 abgelehnte Asylbewerber nach Kabul transportiert, Finnland gesondert drei und Dänemark sechs, darunter eine Familie. In Schweden kam es nach der Abschiebung zu einem Ausbruch aus einem Abschiebehaftzentrum bei Göteborg. Daran waren 14 Flüchtlinge beteiligt, darunter zehn Afghanen. Deutschland hat seit Dezember 2016 198 Afghanen nach Kabul abgeschoben.
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