Abschiebungen in den Iran: Asylsuchende ohne Schutz
Eigentlich schiebt Deutschland derzeit nicht in den Iran ab. Trotzdem wurden seit dem Beginn der Proteste vier Schutzsuchende dorthin zurückgebracht.
Im Oktober und im Dezember 2022 habe es zwei Abschiebungen in den Iran gegeben, erklärt auf taz-Anfrage ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI). Und ganz aktuell habe es im März zwei Zurückweisungen im Flughafenverfahren gegeben.
Am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl berichtet, dass vergangene Woche eine Person aus dem Iran im sogenannten Flughafenverfahren von Frankfurt in den Iran zurückverwiesen worden sei. Bei einem Flughafenverfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in gerade mal zwei Tagen den Asylantrag eines Geflüchteten.
Dieser wird derweil im Transitbereich festgehalten und gilt somit nicht als eingereist. Wird ihm die Einreise verweigert und er in sein Herkunftsland zurückgebracht, ist es offiziell keine Abschiebung, sondern eine Zurückweisung.
„Ein Skandal“
Im von Pro Asyl genannten Fall geht es um einen iranischen Schutzsuchenden, der „keinen gültigen Pass oder Passersatz vorweisen konnte“. Sein Asylantrag sei im Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden, so Pro Asyl. Es befänden sich derzeit weitere schutzsuchende Menschen aus dem Iran am Frankfurter Flughafen, darunter auch Frauen und ein Kind. Laut BMI sind aktuell keine weiteren Flughafenverfahren anhängig.
„Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trotz der krassen Repressionen des iranischen Regimes gegen die Protestbewegung Asylanträge von iranischen Schutzsuchenden im Flughafenverfahren als ‚offensichtlich unbegründet‘ ablehnt und ihnen die Einreise nach Deutschland verweigert, ist ein Skandal“, kritisiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl. In einem eiligen Flughafenverfahren sei „eine genaue Beurteilung der Gefährdung nicht möglich“.
Die Innenminister*innen von Bund und Ländern hatten sich im Dezember darauf verständigt, dass „angesichts der gegenwärtigen katastrophalen Menschenrechtssituation im Iran bis auf Weiteres keine Abschiebungen in den Iran durchgeführt werden“. Für Zurückweisungen im Flughafenverfahren sind aber nicht die Länder, sondern die Bundespolizei zuständig. Das BMI betont auf Nachfrage, der Länderbeschluss gelte nur für Menschen, „die als ins Bundesgebiet eingereist gelten“ – also nicht für jene im Flughafenverfahren.
Auch betont der BMI-Sprecher, dass es kein absolutes Abschiebeverbot gebe. In „besonders gelagerten Einzelfällen“ seien Abschiebungen in den Iran weiter möglich. Das gelte etwa bei schweren Straftätern oder Menschen, die „hartnäckig“ nicht an der Identitätsfeststellung mitwirken.
Schutzquote nur minimal gestiegen
In den Entscheidungen über die Asylanträge von Iraner*innen hat sich die von den Minister*innen festgestellte „katastrophale Menschenrechtssituation“ bislang nur minimal niedergeschlagen. Das zeigt ein Blick auf die bereinigte Schutzquote. Diese lässt Asylanträge außen vor, die aus formalen Gründen erledigt wurden und berücksichtigt nur jene, in denen inhaltlich geprüft wurde.
Im Januar und Februar bekamen demnach gerade mal 49,4 Prozent der Asylsuchenden Schutz. Angesichts der massiven Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ist die Veränderung zum Vorjahr überraschend gering: 2022 lag die Quote bei 45,3 Prozent.
„Abschiebungen in den Iran darf es nicht geben – auch nicht in Gestalt sogenannter Zurückweisungen oder Zurückschiebungen“, kritisiert Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linkenfraktion im Bundestag. Für die Betroffenen laufe es letztlich auf dasselbe hinaus: „Sie werden einem Regime ausgeliefert, das in den vergangenen Monaten Tausende entführt, inhaftiert und gefoltert hat, nur weil sie für Demokratie und Menschenrechte demonstriert haben.“
Die Asylgründe verfolgter Iraner*innen müssten in einem fairen Verfahren geprüft werden, so Bünger. „Im Rahmen des sogenannten Flughafenverfahrens ist dies offensichtlich nicht möglich. Es ist rechtsstaatswidrig und gehört abgeschafft.“
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