9 Euro ÖPNV-Fahrkarte der Ampelregierung: Neues Ticket womöglich schon im Mai
Das von der Bundesregierung angekündigte 9-Euro-Monatsticket für den ÖPNV soll bald kommen. Viele Details sind aber noch unklar.
Als Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung haben SPD, Grüne und FDP in der vergangenen Woche angekündigt, dass für den öffentlichen Nahverkehr vorübergehend ein Monatsticket für den Preis von 9 Euro eingeführt werden soll. Weil es über drei Monate erhältlich sein soll, haben sich die Parteien die irreführende Bezeichnung „9 für 90“-Ticket ausgedacht – 90 Tage kosten aber 27 und nicht 9 Euro. Wie schnell und in welcher Form das Angebot realisiert werden soll, hatte die Bundesregierung im Vorfeld nicht mit der Branche geklärt. Die Unternehmen wurden von dem Vorhaben überrascht und versuchen jetzt, sich so schnell wie möglich über Details zu verständigen.
Unklar ist beispielsweise, über welche Tarifgebiete sich das 9-Euro-Ticket erstrecken soll. In einigen Verkehrsverbünden ist die Reichweite einer einfachen Fahrkarte sehr hoch, in anderen nicht. Die Nahverkehrstarife in Deutschland sind stark zersplittert. Eine Abstimmung der Verkehrsunternehmen über bundesweit einheitliche Vorgaben ist komplex.
Preise im Nahverkehr sind politische Preise. Sie werden von Gremien aus Vertreter:innen von Ländern und Kommunen in der Regel für ein Jahr festgelegt. Anschließend müssen sie von den Ländern genehmigt werden. Dieses Prozedere muss auch für das 9-Euro-Ticket durchlaufen werden. Immerhin hat das Projekt eine Art Vorläufer. Mit einheitlichen Vorgaben haben die Verkehrsbetriebe bereits im vergangenen Jahr Erfahrungen gemacht: Im Herbst konnten alle Stammkund:innen mit Monatskarte zwei Wochen den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Deutschland nutzen. „Damals hatten wir aber mehrere Monate Vorlauf“, sagte Wagner.
Landesminister:innen für Nulltarif
Die Landesverkehrsminister:innenkonferenz hat bei einer Sondersitzung am Freitag einhellig begrüßt, dass die Bundesregierung die Kosten für den ÖPNV senken will. Eine Mehrheit der Verkehrsminister:innen fordert aber statt des geplanten 9-Euro-Tickets für drei Monate einen Nulltarif, um den administrativen Aufwand zu begrenzen und das Angebot schnell und bundeseinheitlich einführen zu können. Allein für die Umstellung der Fahrkartenautomaten würden die Verkehrsunternehmen Wochen brauchen, hieß es. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll sich mit den Einzelheiten des Vorschlags befassen. Sie muss allerdings erst noch gegründet werden.
Darüber hinaus haben die Landesverkehrsminister:innen angemahnt, die Zuschüsse des Bundes für den ÖPNV, die sogenannten Regionalisierungsmittel, massiv zu erhöhen. „Wir haben im ÖPNV seit Längerem steigende Personal-, Bau- und Energiekosten, die nicht weiter von den Ländern und Kommunen alleine geschultert werden können“, sagte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), die zurzeit Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist. „Zudem steht der Bund in der Pflicht, seine Klimaziele umzusetzen.“ Deshalb müsse er mehr Mittel für den massiven Ausbau bereitstellen.
Ein bundesweit kostenloser ÖPNV für drei Monate würde laut VDV rund 3,25 Milliarden Euro kosten, wenn Ticketeinnahmen von insgesamt etwa 13 Milliarden Euro jährlich – wie vor der Pandemie – zugrunde gelegt werden. Wie viel für das 9-Euro-Ticket für drei Monate nötig ist, berechnet die Branche zurzeit. Die Bundesregierung hat zugesagt, das Geld zur Verfügung zu stellen.
Für die Verkehrsbetriebe wäre die Null-Euro-Lösung zwar administrativ tatsächlich leichter zu bewältigen. „Trotzdem wäre diese Lösung für die Unternehmen schwierig“, sagte Wagner. Denn die Unternehmen hätten dann kaum noch die Möglichkeit, zu planen und statistische Erkenntnisse zu gewinnen. „Wir müssen wissen, wer wann wie fährt“, sagte er. Nur so sei festzustellen, wie erfolgreich das Angebot sei. Die Branche diskutiert allerdings, den Stammkund:innen – also den Inhaber:innen von Monatskarten, Job- oder Semestertickets – für drei Monate ein kostenloses Ticket anzubieten.
Stammkund:innen sollen auf jeden Fall auch von dem Rabatt profitieren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang haben betont, dass diese Gruppe ebenfalls entlastet werden soll. In welcher Form, ob als Rückerstattung oder Gutschrift, steht noch nicht fest. Einige Verkehrsverbände haben Kund:innen bereits aufgefordert, ihr Abo nicht vorschnell zu kündigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren