Geplantes 9-Euro-Monatsticket: Besser gleich zum Nulltarif
Das geplante Billigticket ist wegen der Energiepreise eine gute Idee. Es sollte aber gleich umsonst sein – und mehr in den ÖPNV investiert werden.
H offentlich ist die verquere PR-Wortschöpfung „9 für 90“-Ticket kein schlechtes Vorzeichen für das eigentlich gute Projekt. Die Bundesregierung hat mit dieser seltsamen Sprachregelung angekündigt, dass Bürger:innen drei Monate – also 90 Tage – als Teil des Entlastungspakets zu einem besonders günstigen Preis den öffentlichen Nahverkehr nutzen können. Aber nicht, wie der Begriff nahelegt, für 9 Euro, sondern für 27 Euro – wenn Kund:innen für drei Monate das günstige Ticket kaufen.
Abgesehen von der politischen Vermarktung haben sich SPD, Grüne und FDP offenbar nicht viele Gedanken gemacht, wie die Idee umgesetzt werden kann. Der Bund will die Kosten übernehmen, weiß aber nicht einmal genau, wie hoch sie sind, zumal auch der bürokratische Aufwand zu Buche schlagen wird. Möglicherweise wird das 9-Euro-Ticket teurer als ein kompletter Nulltarif für drei Monate. Der würde rund 3,25 Milliarden Euro kosten und wäre viel einfacher zu organisieren.
Die Mehrheit der Landesverkehrsminister:innen liegt daher richtig, wenn sie ein Null-Euro-Ticket fordert. Ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr könnte schneller umgesetzt werden als das 9-Euro-Monatsticket, weil viele Details wie Tarifgrenzen und Reichweiten nicht mühsam zwischen Hunderten von Verkehrsunternehmen abgestimmt werden müssten.
Wenn das Rabattangebot Sinn ergeben soll, muss es schnell kommen. Dass die Preise an den Tankstellen sinken, Fahrkarten für Busse und Bahnen aber teuer bleiben, ist in Zeiten der Klimakrise eine bizarre Vorstellung.
Die Preise für den öffentlichen Verkehr sind in Deutschland viel zu hoch. Deshalb ist es richtig, Fahrten billiger zu machen. Aber der Preis ist nicht das einzige Problem. Gerade in ländlichen Regionen gibt es vielerorts keine oder kaum ÖPNV-Angebote. Im Berufsverkehr und zu Stoßzeiten sind Busse und Bahnen auch in den Metropolen überfüllt; oft fallen sie aus oder kommen zu spät. Da hilft auch kein 9-Euro-Ticket, um Leute zum Umsteigen zu bewegen. Was helfen würde: Der Staat muss richtig viel Geld für den Ausbau des ÖPNV in die Hand nehmen. Und zwar schnell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“