29-Euro-Ticket in Berlin: Ungeliebtes Schnäppchen

Kurz bevor das 29-Euro-Ticket am 1. Juli für alle an den Start geht, wird klar: Es hat kaum Freunde unter den Berliner VerkehrspolitikerInnen

U-Bahnhof mit SPD-Wahlplakat "29-Euro-Ticket für alle" und Franziska Giffey

Sie hängt wohl immer noch an ihrem Wahlkampfschlager: Franziska Giffey, im letzten Wahlkampf SPD-Spitzenkandidatin Foto: IMAGO / Stefan Zeitz

BERLIN taz | Wer liebt eigentlich das Berliner 29-Euro-Ticket (auch: „Berlin-Abo“), das ab dem 1. Juli genutzt werden kann – außer vielleicht Franziska Giffey? Eigentlich niemand. Das wurde am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses überdeutlich. Der SPD-Abgeordnete Matthias Kollatz etwa drückte seine Zuneigung so aus: „Wir glauben nicht, dass diejenigen, die das 29-Euro-Ticket nur als schlecht beschreiben, damit Recht haben.“ Weniger enthusiastisch kann es ein Parlamentarier der Partei wohl kaum beschreiben, die das umstrittene neue Angebot als Wahlversprechen vor sich hergetragen und in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU durchgedrückt hatte.

Sein Genosse und Ausschusskollege Tino Schopf war noch der eindeutigste Verfechter des Parallelangebots zum bundesweit gültigen Deutschland­ticket à 49 Euro. Man könne sich jetzt „genüsslich darüber streiten, ob das neue Ticket für den Tarifbereich AB für alle Sinn macht“, sagte er, „aber wir als Koalition meinen: Ja, weil sich eben viele das Deutschlandticket nicht leisten können.“

Dagegen gab Johannes Kraft vom Koalitionspartner CDU zu Protokoll, man sei sich im Ausschuss „vergleichsweise einig, dass das Deutschlandticket vernünftig und gut und dabei sehr günstig ist“ – ein Fan des „Berlin-Abos“ sei die CDU dagegen von Anfang an nicht gewesen. Es werde aber aufgrund der Vertragstreue seiner Partei umgesetzt.

Die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hatte zuvor den Verkaufsstand des 29-Euro-Tickets von Mitte Mai referiert, als rund 75.000 Anträge auf das Abo gestellt worden waren. Von diesen seien lediglich 15 Prozent Neu-AbokundInnen, also solche, die vorher Einzel- oder Wochenkarten gekauft hätten. Daraus lasse sich „schließen, dass Systemeinsteiger von diesem Ticket eher nicht erreicht werden“.

Anfang dieser Woche waren auch neuere Zahlen bekannt geworden: Mittlerweile wurden rund 115.000 Anträge gestellt, das Verhältnis von Neu- zu BestandskundInnen – also Fahrgästen, die aktuell zumeist noch das Deutschlandticket beziehen – ist aber in etwa gleich.

Problematische Extrawurst

Die Opposition wiederholte ihre bekannte Kritik an dem günstigeren, aber auf den Tarifbereich AB beschränkten und zudem nur im Jahresabo erhältlichen Produkt. Es müsse darum gehen, wie man mit möglichst wenig Mitteln möglichst viel bewirken könne, sagte Oda Hassepaß (Grüne) und bezog sich damit auf die Strategie, das Deutschlandticket für einzelne Gruppen wie ältere Menschen zu rabattieren. Mit der „Extrawurst“ Berlin-Abo riskiere man nun, dass andere Bundesländer Berlin folgten und genau dadurch die Fortschreibung des Deutschlandtickets und seiner bundeseinheitlichen Struktur gefährdeten.

SPD-Mann Kollatz hatte zuvor genau umgekehrt argumentiert: Sollte das Deutschlandticket in den anstehenden Bund-Länder-Verhandlungen scheitern, werde man möglicherweise noch froh sein, das Berlin-Abo zu haben. „Totgesagte können auch länger leben“, orakelte der ehemalige Finanzsenator und machte zudem auf einen grundlegenden Widerspruch der KritikerInnen aufmerksam: Man könne nicht gleichzeitig beklagen, dass zu wenige Menschen das 29-Euro-Ticket in Anspruch nähmen und dass der Alleingang Berlin 300 Millionen Euro koste – das ist die in den Haushalt eingestellte Summe.

Sollte sich der Verkauf bei 150.000 Stück einpendeln, habe man „viel geringere Volumina“ bei den Ausgaben, so Kollatz. Vielleicht sei es „am Ende ein nicht so hoher zweistelliger Millionenbetrag“, der Rest stehe dann „für andere Themen zur Verfügung“.

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