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15 Euro MindestlohnKritik an Scholz' Forderung

Der Bundeskanzler fordert, den Mindestlohn zu erhöhen. Die FDP pocht ausnahmsweise auf den Koalitionsvertrag, doch Kritik kommt auch aus der SPD.

Muss derzeit mit Münzgeld bebildert werden: Der aktuelle Mindestlohn liegt nicht bei 15, sondern bei 12,41 Euro Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin dpa | Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro zurückgewiesen. Der FDP-Vorsitzende sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch), es sei legitim, dass sich auch der Bundeskanzler als Wahlkämpfer betätige. „Der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode regelt aber klar, dass die Lohnfindung keine Sache der Parteien ist.“

Auf Dauer würde es für Arbeitsplätze gefährlich, wenn sich die Politik hier einmische. Die SPD mache fortwährend Vorschläge, die nicht zum Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode passten, sagte Lindner. „Das einzig Neue ist, dass sich daran nun auch der Kanzler beteiligt. Ich hoffe, dass damit nun auch die gespielte Empörung der SPD endet, wenn die FDP eigenständig Ideen vorträgt.“ Zuletzt hatte die FDP ihrerseits Forderungen aufgestellt, die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag klar widersprechen – etwa bei der Rente.

Kritik kommt aber auch aus der eigenen Partei. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach sich gegen eine politische Festsetzung des Mindestlohns aus. „Die Mindestlohnkommission ist und bleibt der prädestinierte Ort, um über die Weiterentwicklung des Mindestlohns zu entscheiden“, sagte Kühnert dem Tagesspiegel (Mittwochsausgabe). „Jedoch können diese Entscheidungen nur Akzeptanz finden, wenn sie im Konsens von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden wurden – so wie in jeder guten Tarifverhandlung.“ Das sei zuletzt nicht der Fall gewesen, fuhr Kühnert fort.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, den Mindestlohn zunächst auf 14 Euro und dann auf 15 Euro zu erhöhen, und damit eine Debatte ausgelöst. Die Lohnuntergrenze liegt seit Anfang 2024 bei 12,41 Euro, für Anfang 2025 ist gemäß der Festlegung der Mindestlohnkommission aus dem vergangenen Jahr eine weitere Anhebung um 41 Cent geplant, wobei die Arbeitnehmervertreter von der Arbeitgeberseite überstimmt wurden.

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10 Kommentare

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  • Ich finde es lustig, dass auf einmal CDU Vertreter fordern, dass der Mindestlohn an den Medianlohn gekoppelt wird und 60% davon betragen soll. Damit wären wir dann bei ungefähr 13,90€. Sonst spricht die CDU immer nur vom Durchschnittslohn wenn es darum geht wie viel wir doch alle verdienen. Würden wir aber den Durchschnittslohn als Ausgangspunkt nehmen, kämen wir mit den 60% auf (für Beschäftigte im Niedriglohnsektor) sehr zufriedenstellende 16,21€.

    Also mein Vorschlag den Mindestlohn an den Durchschnittsverdienst in Deutschland koppeln, und damit die Schere zwischen Arm und Reich einfach mal wieder ein Stück zusammen gehen lassen.

  • Die Mindestlohnfindungskommission, zusammengesetzt aus Gewerkschafts-, Arbeitgebervertretern, ist bei letzter Mindestlohnfestsetzung auf 12.41 €/h nicht ihrem Konsensprinzip gefolgt, wie SPD Generalsekretär Kevin Kühnert richtig anmerkt. Dass die Mindestlohnfindungskommission aber bisher Mindestlohnbeschlüsse fasst als befänden sich deutsche Unternehmen, die deutsche Wirtschaft, private, staatliche Arbeitgeber in einem regellos rechtsfreien Weltwirtschaftsraum, in dem es egal sei, welche BVG Urteile zur existenssichernden Mindestlohnhöhe gefällt wurden, egal ist, ob es IWF, OECD, WTO Regeln gibt oder nicht, z. B. gegen staatliche Lohnsubventionen zugunsten privater, staatlicher Arbeitgeber zulasten Binnenkaukraft, Restvermögens vor dem Schonvermögen für die Altersvorsorge von Arbeitnehmern bevor sie Antrag auf Lohnaufstockung über das Bürgergeld stellen können, damit Deutschlands hochsubventionierte Exportwirtschaft zulasten andere Weltmarktpartner seinen Handelsbilanzüberschuss hoch pflegen kann zulasten deutscher Binnenkaufkraft, deren Erhöhung IWF, OECD, die USA, Weltbank, WTO lange vergeblich fordern?



    Warum ist das so, weil die Politik bisher Arbeitnehmern kein Rechtsmittel an die Hand gibt, bei Arbeitgebern ihren existenssichernden Mindestlohn einzuklagen, gemäß BVG Urteil 2019. Hilfreich wäre es, wenn da die SPD Gesetzesvorlage zur Wiedereinführung eines Unternehmensstrafrechts 2019, gemäß Groko Koalitionsvertrag 2017, durch damalige SPD Justizministerin Sabine Lambrecht endlich zur Lesung in Bundestag käme. Wenn SPD Generalsekretär Kevin Kühnert dieser Kontext nicht kümmert, ist das ein rechtsstaatlich soziales und welthandelspolitisches Armutszeugnis, aber SPD Volljurist, Bundeskanzler Olaf Scholz das Unwesen staatlicher Lohnaufstockung seit Arbeitsmarktreform Agenda 2010/ H 4 Gesetzen 2003 zwar nicht beenden aber das Ausmaß eindämmen will durch politische Mindestlohnerhöhung auf 15 €/h so zeugt das vom armen Olaf Scholz Rest juristischen Verstandes

  • Ich lebe hier in einer der strukturschwächsten Regionen des Landes in der fast 40% aller Beschäftigten Mindestlohn verdienen und die AfD bei aktuellen Umfragen nördlich der 50% rangiert.



    Wer der AfD im Osten in den ländlichen Regionen das Wasser abgraben will, müsste lediglich den Mindestlohn deutlich erhöhen und eine garantierte Mindestrente etwas über dem Grundsicherungsniveau einführen. Das würde hier der AfD schon massiv das Wasser abgraben.

    • @Šarru-kīnu:

      Das setzt freilich voraus, dass alle diese Beschäftigungsverhältnisse genügend wirtschaftlich tragfähig sind, um die Mindestlohnerhöhung ohne Preiserhöhungen zu finanzieren.

      Denn auf die Strukturschwäche werden wenige Cent mehr pro Stunde ebensowenig Einfluss nehmen, wie auf das Wahlverhalten oder das Gefühl der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit dieser Menschen.

      Wenn der Mindestlohn zu Jobbabbau oder Teuerung führt, hätte man da einen Bärendienst verrichtet.

      • @Metallkopf:

        Als damals der Mindestlohn (8,5€/h) kam haben alle Arbeitgeber aufgeschrien von Jobverlusten und Wirtschaftszerstörung war die Rede. Das gleiche bei der Erhöhung auf 12€ die Stunde. Was ist seit dem genau passiert? Genau, nichts! Nur das es den Menschen im Niedriglohnsektor ein wenig besser geht, auf kosten der Unternehmensgewinne.

  • Ja 15 Euro Mindestlohn ab 1. 1. 2025 wäre sehr gut! Auch für die Ankurbelung des Binnenmarkt.

    Weiter so Herr Bundeskanzler! Das ist der richtige Weg! :-)

  • Im Angesicht der Inflation ist der Mindestlohn zu niedrig. Und dafür reichen auch 15 Euro nicht aus.



    Natürlich läuft die FDP pro Forma dagegen Sturm, tatsächlich könnten sie auch mit 16 oder 17 Euro leben. Die starke Ungerechtigkeit wird dadurch nicht verringert. Vielleicht kann die SPD ihr Profil verbessern oder korrigieren, wenn sie ein paar Krümel mehr nach unten wirft.

  • "Die FDP pocht ausnahmsweise auf den Koalitionsvertrag"

    Das macht die FDP doch die ganze Zeit - siehe Schuldenbremse.

  • Macht hier Benko-Freund Scholz seinen letzten Versuch, der AfD doch noch abtrünnige SPD-Wähler zurückzuholen. Wahlkampf schon ein Jahr früher? Meine These: Sollte sich die SPD nicht von diesem Kanzler emanzipieren, wird sie weiter verlieren, leider auch zum Schaden der Demokratie, wenn Maerz und die Rechte dabei gewinnen.

  • Zahlendreher in der Bildunterschrift.

    In der Tat, jetzt zitiert die FDP auf einmal den Koalitionsvertrag.