+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Kriegsverbecher verurteilt
Ein russischer Soldat wird in Kiew zu lebenslanger Haft verturteilt. Polen kündigt russische Gaslieferungen auf. Die Ukraine lehnt eine Waffenruhe ab.
Russischer UN-Diplomat kritisiert Ukraine-Krieg
Ein erfahrener russischer UN-Diplomat hat wegen des „aggressiven Kriegs“ seines Landes in der Ukraine seinen Rücktritt eingereicht. In den 20 Jahren seiner diplomatischen Karriere habe er verschiedene Wendungen der russischen Außenpolitik erlebt, erklärte Boris Bondarew, der sich zuletzt mit der Rolle Russlands bei der Abrüstungskonferenz in Genf beschäftigt hatte. „Aber ich habe mich noch nie so für mein Land geschämt, wie am 24. Februar dieses Jahres“, schrieb er. An diesem Tag begann die russische Invasion in die Ukraine.
Bondarews Stellungnahme lag der Nachrichtenagentur AP vor. „Der von (Präsident Wladimir) Putin angezettelte Angriffskrieg gegen die Ukraine, ja gegen die gesamte westliche Welt, ist nicht nur ein Verbrechen gegen das ukrainische Volk, sondern vielleicht auch das schwerste Verbrechen gegen das russische Volk, dem ein fettes Z alle Hoffnungen und Aussichten auf eine blühende und freie Gesellschaft in unserem Land durchkreuzt“, schrieb er in Anspielung auf das Z-Symbol, mit dem der russische Angriffskrieg offiziell unterstützt wird.
„Was mein Land gerade tut, ist nicht hinnehmbar“, sagte Bondarew am Telefon. „Als Beamter muss ich einen Teil der Verantwortung dafür tragen. Und das will ich nicht tun.“ Er kritisierte insbesondere Außenminister Sergej Lawrow. In dessen Ministerium herrschten Lüge und Unprofessionalität. Der Minister habe sich in seinen 18 Amtsjahren von einem gebildeten Intellektuellen zu einem Mann gewandelt, der ständig einander widersprechende Äußerungen und Drohungen verbreite. „Im Außenministerium geht es heute nicht um Diplomatie. Es geht nur um Kriegstreiber, Lügen und Hass“, urteilte er.
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Bondarew sagte, er habe seinen Rücktritt in einem Brief an Botschafter Gennadi Gatilow erklärt und etwa 40 weitere Diplomaten per Email informiert. Die Botschaft reagierte nicht auf Anfragen. (ap)
Russe im ersten Kriegsverbrecherprozess in Kiew verurteilt
Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht in Kiew sah es am Montag nach einem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 28. Februar einen unbewaffneten 62-Jährigen Zivilisten erschoss. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste vor Gericht verhandelte Fall. Der Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft beantragt. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, weil der Soldat einen Befehl ausgeführt habe. Es ist der erste Fall eines Kriegsverbrechens, der in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion vor Gericht verhandelt wurde. (dpa)
Polen kündigt Gasliefervertrag mit Russland
Die polnische Regierung hat beschlossen, ihren schon seit 1993 geltenden Gasliefervertrag mit Russland zu kündigen. Wie die polnische Nachrichtenagentur PAP am Montag berichtete, bestätigten das sowohl Klimaministerin Anna Moskwa als auch der Regierungsbevollmächtigte für Energie-Infrastruktur, Piotr Naimski.
„Nach fast 30 Jahren kann man sagen, dass die Gasbeziehungen zwischen Polen und Russland aufgehört haben zu existieren“, verkündete Naimski im öffentlich-rechtlichen Polnischen Radio und auf Facebook. Ministerin Moskwa erklärte auf Twitter: „Die Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die Entschlossenheit der polnischen Regierung bestätigt, völlig unabhängig von russischem Gas zu werden. Wir haben immer gewusst, dass Gazprom kein zuverlässiger Partner ist.“
Wie PAP unter Berufung auf die beien Regierungsvertreter weiter erläuterte, fiel die Entscheidung der polnischen Regierung bereits in einer Kabinettssitzung am 13. Mai. Weil es sich aber um einen internationalen Vertrag handle, sei nach Angaben von Ministerin Moskwa eine formelle Note des Außenministeriums in Warschau an die russische Regierung notwendig. Diese schriftliche Erklärung werde noch im Laufe des Montags versendet, kündigte Moskwa an.
PAP wies darauf hin, dass die Kündigung der polnisch-russischen Vereinbarung nicht nur Gaslieferungen an Polen betreffe, sondern auch den Gastransit durch die Jamal-Gasleitung weiter nach Deutschland. Diese Verbindung wurde aber zuletzt ohnehin vor allem in umgekehrter Richtung genutzt, um Gas aus Deutschland nach Polen zu liefern. (dpa)
Mehr als 1,5 Millionen Ukraine-Rückkehrer aus Polen
Seit Beginn der durch den russischen Angriff ausgelösten Flüchtlingswelle sind mehr als 1,5 Millionen Menschen aus dem Nachbarland Polen wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Das gab der polnische Grenzschutz am Montag auf Twitter bekannt. Die Zahl der seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar verzeichneten Grenzübertritte aus der Ukraine nach Polen hatte Ende der vergangenen Woche bereits die Marke von 3,5 Millionen Menschen überschritten. Zuletzt sei aber die Zahl der in die Ukraine zurückkehrenden Menschen Tag für Tag größer gewesen als die Zahl der neu in Polen ankommenden, teilte der Grenzschutz mit.
Am Sonntag war die Zahl der Rückkehrer mit 31 700 sogar eineinhalb Mal so hoch wie die Zahl der am selben Tag aus der Ukraine nach Polen Einreisenden (rund 20 000). Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges mehr als 6,4 Millionen Menschen ins Ausland geflüchtet. Zudem gibt es in der Ukraine mehr als acht Millionen Menschen, die ihr Zuhause verloren haben und vertrieben worden sind. Vor Kriegsbeginn lebten in der der Ukraine rund 44 Millionen Menschen. (dpa)
Ukraine schließt Waffenruhe derzeit aus
Die Ukraine schließt einen sofortigen Waffenstillstand mit Russland aus und ist nicht dazu bereit, der Regierung in Moskau territoriale Zugeständnisse zu machen. „Der Krieg muss mit der vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine enden“, schrieb der Stabschef des Präsidialamts, Andrij Jermak, auf Twitter. Am Montagmorgen heulten wieder in der gesamten Ukraine Warnsirenen, die russischen Streitkräfte setzten ihre Offensive im Osten und Süden des Landes fort. Vor allem im Donbass und dem Gebiet der Stadt Mykolajiw im Süden tobten zum Teil heftige Kämpfe.
Polens Präsident Andrzej Duda sprach am Sonntag als erster ausländischer Staatschef seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar persönlich vor dem Parlament in Kiew und betonte dabei: „Nur die Ukraine hat das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden.“ Russland müsse sich komplett aus dem Land zurückziehen. Wenn auch nur ein Zentimeter ukrainischen Bodens aus wirtschaftlichen oder politischen Erwägungen heraus geopfert werde, wäre dies auch ein „enormer Schlag“ für den gesamten Westen, warnte Duda. Die Frage, unter welchen Bedingungen der Krieg beendet werden könnte, rückt zunehmend ins Zentrum der Diskussion. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuletzt nur betont: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen.“
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat eingeräumt, die Lage in der umkämpften Ostregion Donbass sei „extrem schwierig“. Sein Berater Mychailo Podoljak schloss zugleich aber eine unmittelbare Kampfpause aus, wie sie von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi ins Gespräch gebracht worden war. Damit würde sich die Ukraine nur selbst schaden, da Russland nach einer Waffenruhe nur umso härter zuschlagen würde, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten: „Sie starten dann eine neue Offensive, noch blutiger und größer angelegt.“ Kiew werde auch keine Konzessionen machen, die auf Gebietsabtretungen hinausliefen, fügte er hinzu.
Die heftigsten Gefechte lieferten sich beide Seiten zuletzt im Gebiet der Zwillingsstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk nordwestlich von Luhansk im Osten der Ukraine, wie ein Berater des Innenministeriums sagte. Die russischen Truppen versuchen bereits seit Mitte April, die Reihen hier zu schließen und die ukrainischen Verbände einzukesseln. Serhij Gajdaj, der Gouverneur von Luhansk, sagte im lokalen Fernsehen, die russischen Truppen verfolgten eine Taktik der „verbrannten Erde“. Sie wollten Sjewjerodonezk „auslöschen“. (rtr)
Ukrainisches Militär warnt vor Aktivitäten nahe Belarus
Die ehemalige Sowjetrepublik Belarus, die sich bislang nicht aktiv am russisch-ukrainischen Krieg beteiligt hat, zieht nach Angaben aus Kiew Streitkräfte an der Grenze zusammen. „Die belarussischen Streitkräfte führen verstärkt Aufklärung durch und haben zusätzliche Einheiten im Grenzbereich aufgestellt“, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Montag mit. Demnach bleibe die Gefahr von Raketen- und Luftangriffen auf die Ukraine von belarussischem Gebiet aus erhalten.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat sich nicht mit eigenen Truppen an dem Ende Februar von Russland begonnenen Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Allerdings durften russische Truppen das Land als Aufmarschgebiet für den Angriff nutzen. Kiew sieht daher Minsk nicht als neutral an und befürchtet potenziell ein Eingreifen belarussischer Soldaten aufseiten Russlands in den Konflikt. Lukaschenko, der am Montag in Sotschi Russlands Präsident Wladimir Putin trifft, hat derartige Absichten stets dementiert.
Bei den Kämpfen in der Ostukraine selbst gibt es nach Angaben des Generalstabs wenig Veränderungen: Im Norden von Charkiw versuchen die Russen ihre Positionen zu verteidigen, weiter südlich bereiten sie demnach eine neue Offensive gegen die Großstadt Slowjansk vor. Beim Versuch, die Ortschaft Dowgenke westlich der strategisch wichtigen Straße zwischen Isjum und Slowjansk einzunehmen, sei das russische Militär aber zurückgeschlagen worden.
Nach ukrainischen Angaben ebenfalls erfolglos verliefen in der Nacht die Angriffe Richtung Sjewjerodonezk und Bachmut. Im Raum Awdijiwka, Kurachowe, Nowopawliwka und Richtung Saporischschja seien die Kampfhandlungen abgeflaut, sagte der Sprecher des Generalstabs, Olexandr Stupun. Insgesamt elf Attacken des Feindes seien abgewehrt worden. Wegen der hohen Verluste müsse Russland inzwischen die ausgemusterten T-62-Panzer wieder aktivieren, um Reserveeinheiten auszurüsten. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. (dpa)
🐾 Russlands Ziele in der Ukraine
In der Ukraine laufe alles nach Plan, sagt der russische Präsident. Doch was genau ist der „Plan“? Auch nach drei Monaten ist das die große Frage, schreibt taz-Redakteurin Inna Hartwich.
Selenski räumt hohe Verluste in der Ostukraine ein
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat die Tagesverluste der eigenen Truppen an der Front in der Ostukraine auf 50 bis 100 Soldaten beziffert. „Heute können zwischen 50 und 100 Menschen an der für uns schwersten Front im Osten unseres Landes sterben“, sagte Selenski laut der Nachrichtenagentur RBK-Ukraina bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Polens Präsident Andrzej Duda am Sonntag. „Sie schützen unsere Freiheit und Unabhängigkeit, über die in der ganzen Welt gesprochen wird.“ Mit den hohen Verlusten begründete er die Ablehnung einer Petition, Männern im wehrpflichtigen Alter die Ausreise aus der Ukraine zu erlauben.
Zuletzt hatte der ukrainische Präsident Mitte April die eigenen Verluste offengelegt. Damals sprach er von insgesamt etwa 3000 ukrainischen Soldaten, die seit dem russischen Angriff am 24. Februar gestorben seien. Genaue Zahlenangaben hat das Präsidialamt allerdings verweigert. Dies sei ein Kriegsgeheimnis, begründete Präsidentenberater Olexij Arestowitsch. (dpa)
🐾 Russland startet größere Offensive
Die Stadt Severodonezk erfährt den stärksten russischen Angriff im Donbass seit Wochen. Zugleich stellt der Kreml das Gas für Finnland ab, berichtet Ressortleiter Ausland Dominic Johnson in der taz.
Russische Soldaten beginnen mit Minenräumung in Asowstal
Russische Soldaten durchsuchen das Gelände des Stahlwerks Azowstal in Mariupol nach Minen und Sprengfallen, die sowohl ukrainische als auch russische Truppen platziert haben. „Die Aufgabe ist extrem schwierig, der Feind hat seine eigenen Landminen gelegt und wir haben auch Tretminen gelegt, um ihn zu blockieren. Wir haben noch etwa zwei Wochen Arbeit vor uns“, sagt ein russischer Soldat, der als Namen nur seinen Kampfnamen ‚Babai‘ angibt. Die Minen werden kontrolliert gesprengt und die Straßen des Stahlwerks mit Bulldozern von Trümmern befreit. „In den letzten zwei Tagen wurden über 100 Sprengkörper zerstört. Die Arbeiten gehen weiter.“ Russland hatte am Freitag erklärt, die letzten ukrainischen Kämpfer aus Azowstal hätten sich ergeben. Die Ukraine hat diese Entwicklung bislang nicht bestätigt. (rtr)
Buschmann besorgt über Kriegsgefangene von Mariupol
Bundesjustizminister Marco Buschmann und der CDU-Außenexperte und Europa-Abgeordnete Michael Gahler zeigen sich besorgt über die Kriegsgefangenen von Mariupol. „Die massiven Verstöße Russlands gegen das Völkerrecht sind völlig inakzeptabel – sie erfüllen uns aber auch mit großer Sorge mit Blick auf die Bevölkerung der Ukraine und die nun in Gefangenschaft geratenen Soldaten“, sagt der Buschmann der Zeitung „Rheinische Post“.
„Der Krieg ist eine blutige Bestie, aber kein regelfreier Zustand.“ Aus Sicht von Gahler besteht die Befürchtung von Schauprozessen, obwohl Russland kein Recht habe, die Gefangenen von Mariupol anders zu behandeln als alle anderen ukrainischen Kriegsgefangenen. (rtr)
Urteil gegen russischen Soldaten in Kiew erwartet
In Kiew wird am Montag das Urteil im ersten Prozess gegen einen russischen Soldaten wegen Kriegsverbrechen erwartet. Dem 21-jährigen Wadim Schischimarin droht wegen der Tötung eines unbewaffneten Zivilisten eine lebenslange Haftstrafe. Vor Gericht gestand er und bat um Vergebung. Sein Anwalt forderte einen Freispruch.
Schischimarin wollte den ukrainischen Ermittlern zufolge nach einem Angriff auf seinen Konvoi in der Nordukraine mit vier Kameraden in einem gestohlenen Auto fliehen. Das von ihm getötete Opfer war demnach Zeuge des Autodiebstahls. Vor Gericht bestätigte Schischimarin diese Darstellung. Es tue ihm „wirklich leid“. Die Ukraine wirft der russischen Armee zahlreiche Kriegsverbrechen seit Beginn der Invasion am 24. Februar vor. (afp)
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