+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Bundeswehr wirft Pakete über Gaza ab
Ein UN-Vertreter nennt die humanitäre Situation in dem Kriegsgebiet einen „Albtraum“. Kanzler Scholz befindet sich auf dem Weg nach Israel und Jordanien.
Luftwaffe liefert Paletten mit Reis und Mehl
Die Luftwaffe der Bundeswehr hat mit dem Abwurf von Hilfsgütern für die Not leidende Bevölkerung im umkämpften Gazastreifen begonnen. Die erste Lieferung unter anderem mit Reis und Mehl wurde am Samstag aus einem C-130-Transportflugzeuge Hercules an Fallschirmen über dem Norden des Palästinensergebietes abgesetzt. Die nächste Lieferung ist für Sonntag geplant. „Aus etwa 1000 Meter Höhe haben wir die vier Paletten punktgenau geliefert“, schrieb die Luftwaffe auf der Plattform X. Es seien vier Tonnen Lebensmittel abgeworfen worden. Am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius grünes Licht für den Einsatz gegeben.
Die Bundeswehr hatte dafür zwei in Frankreich stationierte C-130-Transportflugzeuge nach Jordanien verlegt. Das arabische Land hat die Luftbrücke initiiert. Auch andere Partner wie die USA beteiligen sich bereits. Jede der deutschen Maschine kann bis zu 18 Tonnen Last transportieren. „Wir sind darauf eingestellt, dass wir so lange zur Verfügung stehen, wie der Transport-, der Absetzbedarf besteht“, hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag gesagt.
Für die Bundeswehr ist der Abwurf der Versorgungsgüter per Fallschirm aus den C-130 ein „Novum“, wie die Luftwaffe schreibt. Seit dem frühen Samstagmorgen liefen in Jordanien die Vorbereitungen für den ersten Einsatz in Zusammenarbeit mit Frankreich. Die Luftwaffe nannte „zwei Herausforderungen“: So sei es wichtig, dass die Last in der geplanten Abwurfzone („Drop-Zone“) lande. Andernfalls könnten die aufschlagenden Pakete Gebäude oder Infrastruktur beschädigen. „Pakete, die im Meer oder unzugänglichem Gelände landen, können zur Gefahr für diejenigen Bedürftigen werden, die sie unter Eigengefährdung zu erreichen versuchen. Deshalb werden vorher geeignete Zonen identifiziert, die unbesiedelt und dennoch gefahrlos zugänglich sind“, so die Luftwaffe.
Gleichzeitig müsse für den Schutz des Flugzeuges und seiner Besatzung gesorgt sein. „Beschuss vom Boden kann in Krisengebieten nicht ausgeschlossen werden“, hieß es. „Obwohl reduzierte Flughöhe und Fluggeschwindigkeit das Absetzen erleichtern, müssen Mindestwerte eingehalten werden. Zusätzlich verfügt die Hercules über eigene Schutzsysteme.“ (dpa)
NGO bereitet zweites Schiff vor
Die Hilfsgüter des ersten über den neuen Seekorridor an die Küste des Gazastreifen gefahrenen Schiffs sind nach Angaben einer US-Hilfsorganisation vollständig entladen worden. „Die gesamte Ladung wurde entladen und wird nun für die Verteilung in Gaza vorbereitet“, erklärte die NGO World Central Kitchen am Samstag. Sie machte keine Angaben dazu, wann und wo die Hilfsgüter verteilt werden sollten.
Das Schiff „Open Arms“ hatte den Lastkahn, der nach Angaben von World Central Kitchen knapp 200 Tonnen Lebensmittel geladen hatte, aus Zypern an die Anlegestelle im Südwesten der Stadt Gaza geschleppt. Dort wurde die Ladung auf zwölf Lastwagen verteilt. Mit den gelieferten Lebensmitteln sollen Mahlzeiten für die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zubereitet werden, wo die humanitäre Lage besonders prekär ist.
„Wir haben es geschafft“, erklärte der Gründer von World Central Kitchen, José Andrés, im Onlinedienst X. Die Entsendung des ersten Hilfsschiffs sei ein „Test“ gewesen. „Wir können jede Woche Tausende Tonnen (Hilfsgüter) bringen“, betonte er.
Die „Open Arms“ war am Dienstag vom zyprischen Hafen Larnaka aufgebrochen, wo israelische Behörden die Ladung zuvor inspiziert hatten. Parallel wird internationale Hilfe aus der Luft in dem Kriegsgebiet abgeworfen, woran auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt sind.
World Central Kitchen bereitet derzeit in Larnaka ein zweites Schiff vor, das mit 240 Tonnen Hilfsgütern beladen ist. Wann dieses Schiff Richtung Gazastreifen aufbrechen kann, ist noch unklar. (afp)
UN-Vertreter: Humanitäre Situation in Gaza ist ein „Albtraum“
Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist nach Angaben eines Vertreters der Vereinten Nationen ein „Albtraum“ für Mütter und Babys. Er verlasse den Gazastreifen in dieser Woche in großer Sorge um die eine Million Frauen und Mädchen und besonders um die 180 Frauen am Tag, die ein Kind zur Welt bringen, sagte Dominic Allen vom Bevölkerungsfonds UNFPA am Freitag bei einer Videokonferenz in Jerusalem. Er sprach von einem „Albtraum“, der „viel mehr ist als eine humanitäre Krise“.
„Ärzte berichten, dass sie keine normal großen Babys mehr sehen“, sagte Allen nach dem Besuch von Krankenhäusern. „Was sie jedoch tragischerweise sehen, sind mehr Totgeburten (…) und mehr Todesfälle bei Neugeborenen.“ Diese seien teilweise auf Unterernährung, Dehydrierung und Komplikationen zurückzuführen. (afp)
Zwist zwischen Fatah und Hamas
Die Ernennung von Mohammed Mustafa zum neuen palästinensischen Ministerpräsidenten hat zu weiterem Streit zwischen der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der islamistischen Hamas geführt. Die Hamas und weitere Gruppierungen erklärten am Freitag, eine neue Regierung ohne „nationalen Konsens“ zu bilden, würde „eine Politik des Ausschlusses verstärken und Spaltungen vertiefen“.
Es gebe einen „riesigen Graben“ zwischen der palästinensischen Autonomiebehörde und der palästinensischen Bevölkerung, erklärten die Hamas, der Islamische Dschihad, die marxistische Volksfront zur Befreiung Palästinas und die Palästinensische Nationale Initiative.
Die Fatah reagierte mit scharfer Kritik an der Hamas: Diese habe mit ihrem Angriff auf Israel vom 7. Oktober eine „Rückkehr der israelischen Besatzung des Gazastreifens“ verursacht. Dies habe zu einer „schlimmeren und grausameren Katastrophe“ geführt als die Katastrophe im Jahr 1948, ein Verweis auf die Vertreibung von rund 760.000 Palästinensern bei der Gründung Israels. Es sei die Hamas-Führung, die von der Realität und den Palästinensern abgekoppelt sei, erklärte die Fatah.
Palästinenserpräsident Abbas hatte seinen langjährigen Wirtschaftsberater Mustafa am Donnerstag zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Die Ernennung erfolgte knapp drei Wochen nach dem Rücktritt der palästinensischen Regierung mit Sitz im Westjordanland unter Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh.
Die palästinensische Autonomiebehörde regiert im von Israel besetzten Westjordanland, verfügt jedoch nur über beschränkte Macht. Im Gazastreifen hatte die Hamas 2007 die alleinige Kontrolle übernommen und die rivalisierende Fatah-Partei von Abbas verdrängt. (afp)
John Kirby: USA wollen Pläne zur Rafah-Offensive einsehen
Dem Sprecher für die nationale Sicherheit in den USA, John Kirby, zufolge wollen die USA gern Israels Pläne für eine Offensive in Rafah einsehen. Zuvor hatte er sich darüber geäußert, dass der Vorschlag der Hamas für einen Waffenstillstand im Rahmen des Möglichen liege und zeigte sich optimistisch. Auch US-Außenminister Antony Blinken sagte vor Reportern in Österreich, die USA bräuchten von Israel einen klaren und umsetzbaren Plan für Rafah, der auch die Evakuierung der Zivilbevölkerung vorsehe. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Freitag der Offensive in Rafah zugestimmt und die Hamas-Vorschläge zu einer Freilassung bestimmter Geiseln abgelehnt. (rtr)
Erste Anhörungen zur Klage Nicaraguas im April
Der Internationale Gerichtshof (IGH) will im April erste Anhörungen zu dem von Nicaragua gegen Deutschland erhobenen Vorwurf der angeblichen Beihilfe zum Völkermord durch Israel im Gaza-Krieg abhalten. Dies teilte das höchste Gericht der Vereinten Nationen am Freitag mit. Demnach sind erste Anhörungen für den 8. und 9. April geplant, Verhandlungen zur Hauptsache sind zu einem späteren Zeitpunkt geplant.
Am 1. März hatte Nicaragua vor dem IGH Klage gegen Deutschland eingereicht und dies damit begründet, dass die Bundesrepublik mit militärischer und anderweitiger Unterstützung Israels „die Begehung eines Genozids“ im Gazastreifen begünstige. Deutschland sei zudem nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, „alles Mögliche zu tun“, um dies zu verhindern.
Nicaragua rief den IGH zu vorläufigen Anordnungen auf, etwa jener, dass Deutschland „unverzüglich seine Hilfen für Israel einzustellen hat, insbesondere seine militärische Unterstützung, darunter militärisches Gerät, insofern als diese Hilfe für die Verletzung der Völkermordkonvention“ und des Völkerrechts genutzt werden könnte.
Am Mittwoch erklärte ein Sprecher des Bundesaußenministeriums, dass Berlin die Vorwürfe als haltlos betrachte.
Ende Dezember hatte Südafrika Israel vor dem IGH verklagt und dem Land vorgeworfen, mit seinem Vorgehen im Gazastreifen gegen die Völkermordkonvention zu verstoßen. Israel wies dies zurück und argumentierte, dass es sich nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober im Einklang mit dem Völkerrecht selbst verteidige. Der IGH ordnete in einer einstweiligen Entscheidung keinen Stopp der israelischen Militäroffensive an, wies Israel jedoch zugleich an, Maßnahmen zu ergreifen, um Tod und Zerstörung im Gazastreifen einzudämmen. (ap)
CDU-Außenpolitiker: Kanzler soll Klartext mit Israel sprechen
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt hat die Nahost-Reise von Kanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßt und ihn zu einer klaren Botschaft gegenüber Israel aufgefordert. Scholz müsse deutlich machen, „dass auch wir uns als Freunde Israels von der israelischen Regierung eine klare Aussage dazu wünschen, wie es in Gaza weitergehen soll“, sagte Hardt. Denn bisher gebe es in der israelischen Regierung darüber „keinen Konsens“.
Es müsse geklärt werden, was aus Sicht Israels passieren solle, wenn es zu einer zumindest vorübergehenden Waffenruhe im Gaza-Krieg komme, sagte Hardt vor dem Besuch von Scholz in Jordanien und Israel am Samstag und Sonntag. Dabei gehe es insbesondere um die Frage, wer dann die Verantwortung für die Sicherheit trage: die israelische Armee, eine womöglich mit UN-Mandat legitimierte Macht oder gar die palästinensische Autonomiebehörde. „Da liegt der Ball schon auch bei den Israelis im Feld.“
Mit Blick auf Hilfslieferungen an die Palästinenser sei es sicher richtig, „dass Israel mehr tun könnte über die Öffnung von mehr Grenzübergängen oder des Hafens Aschdod“, sagte Hardt weiter. Gleichzeitig sei aber eine „konzertierte Aktion“ nötig, um die Sicherheitsbedenken Israels bei mehr Hilfslieferungen „etwa wegen der Gefahr von Waffenschmuggel auszuräumen“. (afp)
Scholz besucht Israel und Jordanien
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Samstagnachmittag zu einer zweitägigen Nahost-Reise auf. Stationen sind Jordanien und Israel. Zentrale Themen sind der Gaza-Krieg und die bessere Versorgung der dortigen Bevölkerung mit Hilfsgütern. Am Sonntag trifft Scholz in der Stadt Akaba zunächst den jordanischen König Abdullah II., dessen Land die Luftbrücke zur Versorgung der Palästinenser im Gazastreifen organisiert hat; an ihr beteiligt sich nun auch Deutschland mit zwei Bundeswehr-Maschinen.
Danach reist Scholz nach Tel Aviv weiter. Geplant sind Gespräche mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Isaac Herzog. Es ist das zweite Mal, dass Scholz seit dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober in die Region reist. Er hatte zehn Tage danach als erster Regierungschef Israel besucht. (afp)
Treffen zwischen Hamas und jemenitischer Huthi-Miliz
Hochrangige Vertreter der islamistischen Hamas und der pro-iranischen Huthi-Miliz aus dem Jemen haben nach Angaben aus Palästinenserkreisen bei einem Treffen über eine „Koordinierung“ ihres Vorgehens gegen Israel gesprochen. Aus Kreisen der Hamas und des Islamischen Dschihad erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Freitag, Anführer der beiden islamistischen Palästinensergruppen, der marxistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas und Huthi-Vertreter hätten das „wichtige“ Treffen in der vergangenen Woche abgehalten.
Es sei um „Mechanismen zur Koordinierung ihrer Widerstandsaktionen“ für die „nächste Phase“ des Krieges im Gazastreifen gegangen. Angaben dazu, wo das Treffen stattgefunden haben soll, wurden nicht gemacht. Die Hamas und die Huthi-Miliz sind Teil der gegen Israel gerichteten und vom Iran unterstützten „Achse des Widerstands“, zu der auch die Hisbollah-Miliz im Libanon gehört.
Die Huthi-Rebellen greifen seit Monaten Schiffe im Roten Meer und im Golf von Aden an, um sich nach eigenen Angaben mit den Palästinensern im Gazakrieg zu solidarisieren. Viele Reedereien meiden wegen der Angriffe inzwischen die wichtige Seehandelsroute, über die normalerweise zwölf Prozent des weltweiten Seehandels abgewickelt werden. (afp)
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