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Merz und der Unionsstreit um SyrienSchon wieder viel zu pauschal

Sabine am Orde

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Sabine am Orde

Merz hätte ein Signal an all jene senden können, für die das C in CDU noch eine Bedeutung hat. Stattdessen wiederholt er erneut einen alten Fehler.

Lässt sich von der AfD treiben: Bundeskanzler Friedrich Merz Foto: Ebrahim Noroozi/ap

J etzt hat der Kanzler die Sache also klargestellt. „Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland, und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen“, sagt Friedrich Merz. Das Ziel: die unionsinterne Debatte abzuräumen, die der Außenminister über Abschiebungen nach Syrien ausgelöst hat.

Aus Perspektive der Union ist das nachvollziehbar, schließlich war die Debatte über das Wochenende immer weiter hochgekocht, und am Ende schien der inhaltliche Dissens größer, als er in Wirklichkeit ist. Der Eingriff des Kanzlers kam daher zu spät. Und vor allem: Er war viel zu pauschal. Wieder einmal.

Merz hätte das wiederholen können, was im Koalitionsvertrag steht: dass die Bundesregierung zunächst Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern auf den Weg bringen will. Er hätte über die schwierige Lage in Syrien sprechen können und dass ein großer Teil der Sy­re­r*in­nen in Deutschland Arbeit hat und einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Merz hätte benennen können, dass Abschiebungen erstens kompliziert und in vielen Fällen auch gar nicht wünschenswert sind – so sehen das selbst viele in der Union, auch wenn es kaum jemand öffentlich sagt.

Das wäre ein Signal an jene gewesen, die mit der CDU hadern, weil für sie das C im Namen noch eine Bedeutung hat. Und ein Zeichen der Anerkennung an die Syrer*innen.

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Kein neuer Fehler

All das hätte Merz tun können. Hat er aber nicht. Stattdessen: Eine Pauschalisierung, die die Sy­re­r*in­nen im Land verunsichert. Die den Außenminister schwächt. Die in der SPD Widerspruch provoziert und damit weitere Unruhe in die ohnehin strapazierte Koalition bringt. Zudem erweckt Merz den Eindruck, als sei eine Rückkehr eines Großteils der Sy­re­r*in­nen umgehend möglich. Er schafft damit eine Erwartung, die die Bundesregierung gar nicht erfüllen kann. Auch das: kein neuer Fehler.

Warum das alles? Weil sich Merz – gerade mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr – von der AfD treiben lässt. So allerdings wird er die CDU nicht größer machen – und die AfD nicht klein kriegen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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