Debatte um „Nordisches Modell“: Sexarbeiter*innen wehren sich mit Fakten
Die CDU will ein Sexkaufverbot. Ein Bündnis für legale Prostitution hat sich dagegen zusammengetan und veröffentlicht eine breite Faktensammlung.

Die CDU strebt ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten nordischen Modell an, welches nicht Sexarbeiter:innen, sondern die Kund:innen kriminalisiert. Die Konservativen wollen so ein klares Signal gegen sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel und Prostitution setzen. Das Bündnis für legale Sexarbeit warnt jedoch, dass die Arbeit so in unsichere und schwer kontrollierbare Bereiche verdrängt wird.
Howard Chance, Unternehmensberater in der Erotikbranche und Initiator des Bündnisses, sieht im Sexkaufverbot auch eine Menschenrechtsverletzung der Sexarbeitenden: „Menschen vor etwas zu schützen, wovor sie gar nicht geschützt werden wollen, ist ein tiefer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.“
Sexarbeit findet auch bei Verboten statt
Ähnlich äußert sich Johanna Weber, Sexarbeiterin und politische Sprecherin des Bundesverbands Sexuelle Dienstleistungen: „Es sprechen immer andere für uns. Dabei entstehen Gesetze, die nicht zu unserer Lebensrealität passen“, sagt Weber. Dass das nordische Modell nicht funktioniere, habe sie während der Coronapandemie gesehen, wo Prostitution verboten war. „Sexarbeit fand statt“, so Weber. So gingen während Corona die Prostituierten zunächst in Airbnbs oder Hotels, später dann in Parks.
Dr. Martin Theben, Rechtsanwalt und Aktivist für Menschen mit Behinderungen, sitzt selbst im Rollstuhl. Er hat seine eigene Sexualität in der Jugend nur mithilfe von Sexarbeit ausleben können. „Behinderte Menschen stoßen auf viele Barrieren, wenn es darum geht, ihre Sexualität auszuleben“, erklärt Theben. Für Menschen mit Behinderungen gibt es die Möglichkeit, Unterstützung durch Sexualassistenz zu erhalten. Ein totales Sexkaufverbot würde jedoch auch diese Form der Arbeit betreffen.
Im Koalitionsvertrag konnte die Union kein Vorhaben zum Sexkaufverbot durchsetzen. Stattdessen einigten sich Union und SPD darauf, die Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes abzuwarten. Das Ergebnis des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) kam im Juni: Das Prostituiertenschutzgesetz wirke und zeige viele Erfolge. Trotzdem bräuchte es Verbesserungen, wie mehr Fortbildungen für Sachbearbeiter*innen.
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