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Kruzifixe in bayrischen SchulenDas Kruzifix ist ein Eingriff in die Freiheit

Zwei Schülerinnen hatten keinen Bock auf Kreuze, vor Gericht bekommen sie Recht. Po­li­ti­ke­r:in­nen wollen das Urteil nun prüfen.

Das Kreuz sei ein religiöses Symbol und stelle damit einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit dar., so das Bayrische Verwaltungsgericht Foto: imago classic

Schmunzeln müssen in vertraulichen Gesprächen selbst CSU-Politiker, wenn sie an Markus Söder und das Kreuz denken: 2018 war es, der Mann war gerade im letzten Jahr der Legislaturperiode zum Ministerpräsidenten gekürt worden und stand kurz vor dem Wahlkampf. Da beschloss er, den Freistaat mit Kreuzen zu beglücken. Im April verabschiedete das Kabinett den umstrittenen Kreuz­erlass, der kurz darauf in Kraft trat: In jedem staatlichen Gebäude habe künftig ein Kreuz zu hängen.

Gut in Erinnerung blieben die recht speziellen Bilder, die Söder zeigten, wie er selbst in der Staatskanzlei ein Kreuz aufhängte. Sein Gesichtsausdruck habe etwas Diabolisches gehabt, sagte später ein führender CSU-Politiker. Selbst die Kirchen reagierten damals irritiert. Das Kreuz, fand mancher Bischof, eigne sich nicht für Wahlkampfzwecke.

Bald merkte auch Söder, dass mit dem Kreuz auch in Bayern nicht mehr unbedingt der große Stimmenfang zu machen sei. Das Thema wanderte auf seiner Prioritätenliste sehr weit nach unten. Von Sanktionen gegen Hausherrinnen oder -herren, die kein Kreuz aufhängten, ist jedenfalls nichts bekannt geworden.

Die Kreuze stießen weitgehend auf Nichtbeachtung. Anders im Hallertau-Gymnasium in Wolnzach im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, wo das Kreuz im Eingangsbereich unübersehbar war: Von dem 1,50 Meter hohen und 50 Zentimeter breiten Kreuz grüßte der Gekreuzigte persönlich allmorgendlich die Schülerinnen und Schüler.

Das Ding muss weg, finden zwei Schülerinnen

Zwei der Schülerinnen störten sich daran so sehr, dass sie forderten, das Kruzifix abzuhängen. Ein Wunsch, dem die Schule nicht nachkommen wollte. Jetzt entschied der Baye­rische Verwaltungsgerichtshof zugunsten der mittlerweile ehemaligen Schülerinnen, die gegen die Entscheidung der Schule geklagt hatten. Diese, so heißt es in dem Urteil, sei verpflichtet gewesen, das Kruzifix zu entfernen.

Der Grund: Das Kreuz sei ein religiöses Symbol und stelle damit einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit dar. „Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert.“

Das freilich widerspricht der Haltung der Staatsregierung, die mit Blick auf Söders Kreuz­erlass stets argumentiert hatte, das Kreuz sei eben nicht in erster Linie ein religiöses Symbol, sondern Ausdruck der christlich-abendländischen Prägung des Bayernlands.

Dass die Richter nun im Sinne der Klägerinnen entscheiden konnten, liegt vor allem daran, dass der Kreuz­erlass in Gymnasien keine Geltung hat. Die Kruzifixe sind laut Gesetz in Grund-, Mittel- und Förderschulen Kreuze aufzuhängen, und das sogar in jedem Klassenzimmer, nicht aber in Gymnasien.

„Bayern ist ein Land der Vielfalt“

Der Aufschrei der Staatsregierung fiel allerdings eher verhalten aus. Gerichtliche Entscheidungen seien zu respektieren, ließ etwa CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek verlauten, dennoch bedauere er die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. „Bayern ist ein Land der Vielfalt und der Toleranz – aber Bayern ist eben auch ein Land mit christlich-abendländischer Prägung. Das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.“

Holetschek betonte auch, dass der Kreuz­erlass durch die Entscheidung nicht infrage gestellt sei. Es handele sich um einen besonderen Einzelfall. Und: „Das Kreuz gehört zu Bayern.“ Man werde das Urteil nun auswerten.

Ähnlich äußerte sich auch Kultusministerin Anna Stolz von den Freien Wählern. Sie nehme das Urteil „zur Kenntnis“. Selbstverständlich prüfe man die Konsequenzen. Dafür interessierte sich auch die Deutsche Presse-Agentur und fragte beim Hallertau-Gymnasium nach, ob das Kreuz abgehängt werde. Die Schule hat sich dazu nicht geäußert.

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15 Kommentare

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  • Meine Güte...



    Ja, das Kreuz ist ein Christliches Symbol, genau genommen DAS Christliche Symbol. WIr sind ein Land der REligionsfreiheit. DAs bedeutet doch, dass man auch religiöse Symbole sehen darf. Religionsfreiheit heißt ja nicht Laiizistisch. Ich bin klar ein Befürworter von Religiösen Symbolen in der Gesellschaft. Die Konsequenz einer Freiheitlichen Gesellschaft müsste nach meiner Meinung nicht sein, die Kreuze zu entfernen sondern dazu noch eine Quran-Sure zu hängen und auf die andere Seite zwei Tafeln mit den 10 Geboten für die Verbindung zum Judentum. Für die Atheisten rahmen wir noch einen Geldschein ein und auch der Taoismus hängt, sofern Schüler*innen dieser Religion in der Schule sind das entsprechende Symbol auf.



    Klingt das Satirisch? Wenn Ja tut es mir leid, ich meine es absolut ernst. Bitte nehmt einfach die Freiheit ernst!

  • "...Das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.“

    Was machen wir mit Hexen?



    Wir verbrennen sie!



    😁

  • "Das Kreuz sei ein religiöses Symbol und stelle damit einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit dar. „Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert.“

    ...................

    Na, das ist ja lustig. Heute kam auch die Meldung, dass an Berlins Schulen Lehrerinnen Kopftuch tragen dürfen.

    Haben die Schüler da eine negative Glaubensfreiheit? Zumutbare Ausweichmöglichkeiten? Der Lehrerin ständig den Rücken zudrehen? Dann kriegen sie noch Ärger. Dann lieber ein Kreuz an der Wand. Das straft nicht oder gibt schlechte Noten.

    Zumal die Lehrerin ja auch eine wichtige Bezugs- und Vorbildfunktion hat? Schließlich suchen Kinder und Heranwachsende nach Orientierung und finden diese in der Regel bei den Erwachsenen.

    SPIEGEL: "Berlin: Lehrerinnen sollen wieder Kopftuch tragen können"



    www.spiegel.de/pan...-ac92-89733b241520

  • Da hing kein Kreuz, sondern ein Kuzifix. Damit hängt der Katholizismus an der Wand nicht ein Symbol für die christlich-abendländische Prägung.

    • @ecox lucius:

      In anderen Konfessionen gibt es auch Kruzifixe, z. B. bei den Lutheranern.

  • Endlich mal gute Nachrichten :)

  • Wenn die Regenbogenflagge nichts im Bundestag verloren hat, dann das Kreuz auch nicht an staatlichen Schulen. Immer diese Rosinenpickerei.

  • Also an einen Tag im Jahr könnte doch ein Kreuz vom Dach der Schule wehen - mal bei Julchen anfragen.

  • Eigentlich ist das Objekt ein Symbol dafür, wohin bad governance führen kann. Wird das Im Religionsunterricht thematisiert?

  • Das Urteil ist nicht besonders überraschend und wäre, wenn es einen Konflikt mit dem Kreuzerlass gegeben hätte, wohl genauso gefallen. Ich gehe davon aus, dass Söder das von Anfang an eingeplant hat. Seine Welt ist die Show, nicht die der Bekenntnisse oder Lösungen.



    Übrigens: Es gibt wohl kaum eine so unchristliche Aussage wie die Södersche Ausrede, dass das Kreuz nur Kultur-Ambiente und kein christliches Symbol sei ...

  • Die beiden Schülerinnen haben recht. Religiöse Symbole haben in staatlichen Gebäuden nichts zu suchen.



    Bei dieser Gelegenheit sollten wir übrigens gleich die Staatskirchenverträge kündigen.

    • @Aurego:

      👍👍

    • @Aurego:

      Sehr richtig!

  • „Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.“



    Für diese Werte braucht man aber kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden. Ich finde auch nicht, dass man auf die christlich-abendländische Tradition und Prägung stolz sein muss. Es gibt ausreichende Gründe, von einer aggressiven und kriminellen kirchlichen Tradition zu reden, gegen die Freiheitsrechte mühselig erkämpft werden mussten. Bunte Folklore zu Fronleichnam u.ä. können davon nicht ablenken. Religion sollte endlich zur Privatsache erklärt werden.



    Angesichts der aktuellen Politik gegen Flüchtlinge ist wohl eher ein Hohn, wenn ausgerechnet die CSU „Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.“ betont.

  • "Das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.“

    Schaut man sich die Asylpolitik der CSU an, so dürften in ihrem Umfeld Kreuze nur verkehrt herum aufgehängt werden.