Demo gegen Krieg in Gaza und Iran: Faschismus befreit nicht vom Faschismus
Hunderte haben in Berlin gegen den israelischen Völkermord in Gaza und den Angriff auf den Iran protestiert – mit scharfer Kritik am iranischen Regime.

Bereits am frühen Abend versammeln sich zahlreiche Teilnehmer*innen am sonnendurchfluteten Oranienplatz, manche von ihnen sichtlich emotional – vereinzelt fließen Tränen. Viele tragen Kufiyas und Buttons mit Wassermelonen-Symbolen. Sie rufen: „Free Iran, free Palestine!“ und „People united will never be defeated!“
„Krieg führt lediglich den Status quo fort“, sagt eine Rednerin: „Terror, Unterdrückung, Repressionen.“ Ihre Worte richten sich gleichermaßen gegen das iranische Regime wie gegen die israelische Regierung. Auf dem Schild einer Demonstrantin steht: „Kein faschistisches Regime befreit Menschen von einem anderen faschistischen Regime.“
Im Demo-Aufruf kritisieren die Organisator*innen die israelische Regierung, „die ihren Völkermord in Gaza fortsetzt und nun seine Raketen und Kampfflugzeuge in Richtung Iran schickt, um noch mehr Blut zu vergießen“. Ihre Kritik richtet sich jedoch auch gegen das „repressive islamische Regime, das seit Jahren jeden Kampf für Freiheit und Gleichheit mit Kugeln, Gefängnissen und Hinrichtungen beantwortet“ und ihre eigenen Bürger erneut im Stich lasse. Sie fordern: „Nein zum Krieg: für einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der Repression im Iran und ein Ende von Kolonialisierung, Besatzung und Völkermord in Gaza.“
Radikaler propalästinensischer Block fehlt
Unterstützt werden die Forderungen vor Ort auch von Gruppen, wie dem „Jewish Bund“ sowie der „Jüdischen Stimme“, denen mitunter Verharmlosung in Bezug auf den Terror der Hamas vorgeworfen wird. Auffällig ist hingegen das Fehlen des sonst präsenten, radikaleren propalästinensischen Blocks. Eine Mobilisierung durch zentrale Gruppen der Bewegung hatte im Vorfeld nicht stattgefunden.
In Redebeiträgen, die in Farsi übersetzt werden, wird neben der israelischen Regierung auch die Bundesregierung scharf angegriffen: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, sagt eine Rednerin von Migrantifa. Sie kritisiert die deutschen Waffenlieferungen an Israel und wirft der Bundesregierung antipalästinensischen Rassismus und „Mittäterschaft am Völkermord“ vor.
„Deutschland gibt den israelischen Kriegstreibern Rückendeckung. Politiker und Medien schreiben IDF-Pressemitteilungen ab und verbreiten die Lüge, es ginge bei dem Angriff um das Atomprogramm und Israel müsse sich verteidigen“, kritisiert sie. Ihr Appell: „Wir müssen die Lügen der Herrschenden angreifen und möglichst viele Leute von der Wahrheit überzeugen.“
Demo-Teilnehmer*innen sind gespalten
Auch in den eigenen Reihen sind die Meinungen gespalten. Kurz nachdem sich der Demozug gegen 19 Uhr in Bewegung setzt, entbrennt unter einigen Teilnehmer*innen eine Debatte darüber, ob der Angriff Israels als Reaktion auf die andauernden Provokationen durch den Iran einzuordnen sei – oder als Akt der Selbstverteidigung.
Nur unweit kommt es zu weiteren Auseinandersetzungen: Ein Mann mit einer monarchistischen Flagge des früheren Schah-Regimes wird von anderen Demonstrierenden mit „Shame on you!“-Rufen konfrontiert und sucht schließlich Schutz hinter einer Polizeikette.
Ein weiterer Mann zeigt am Rande der Demonstration die Flaggen des früheren Schah-Regimes und Israels. Auf Nachfrage der taz erklärt er, seine Botschaft sei, dass zivile Opfer – ob in Israel oder im Iran – immer tragisch seien. Auf eine palästinensische Flagge verzichte er jedoch bewusst, da auch die Hamas sie verwende.
Aus den umliegenden Wohnhäusern zeigen sich Anwohner*innen solidarisch: Von den Balkonen und aus geöffneten Fenstern erklingen Rasseln, Klatschen und zustimmende Rufe. Am Alexanderplatz endet die Demo ohne Zwischenfälle.
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