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Studie zu Aufrüstung und ErderwärmungWarum Klimapolitik auch Sicherheitspolitik ist

Investitionen gegen die Erderhitzung würden in der EU den Bedarf an Verteidigungsausgaben senken, zeigt eine Studie – und fordert Umdenken.

Proteste gegen zu hohe Ausgaben für Rüstung Mitte März vor der CDU-Zentrale in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Je mehr Europa in Klimaschutz investiert, desto weniger muss es für Rüstung ausgeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Für jeden Euro, der nicht für Öl ausgeben werde, müssten gleichzeitig 37 Cent weniger für Verteidigung ausgeben werden. „Versäumnisse beim Klimaschutz erzeugen geopolitische Kosten, die bisher zu wenig beachtet werden. Das soll die Studie zeigen“, sagt Co-Autor Joschka Wanner.

Sicherheits- und Klimapolitik stehen in öffentlichen Debatten häufig in Konkurrenz zueinander. Das dass ein Fehler sei, lässt sich besonders gut am russischen Angriffskrieg erkennen, so die Idee der Autor*innen. Denn Russland finanziert den Krieg zu großen Teilen durch Einnahmen aus Ölexporten. „Dadurch, dass die EU Öl importiert, beeinflusst sie den Ölpreis auf dem Weltmarkt und damit auch die russischen Staatseinnahmen, unabhängig davon, ob sie russisches Öl einkauft oder nicht“, sagt Ökonom Wanner. Pro Euro, der weniger für Öl und stattdessen für Erneuerbare Energien ausgegeben wird, fließen 13 Cent weniger in die russische Kriegskasse, errechnet der Bericht.

Um die Höhe der geopolitischen Kosten zu beziffern, orientiert sich die Studie am Verhältnis russischer und europäischer Ausgaben für den Ukraine-Krieg. Inklusive Wiederaufbaukosten liegen die Ausgaben der EU demnach etwa dreimal höher als jene Russlands. Aus diesen Komponenten errechnen die Au­to­r*in­nen, dass die EU pro verhindertem Öl-Euro 37 Cent an Rüstungsausgaben sparen könnte. Insgesamt wären es bis zu 104 Milliarden pro Jahr, würde Europa gänzlich auf Öl verzichten.

„Grundsätzlich macht die Rechnung ökonomisch absolut Sinn“, sagt Levi Henze von der Denkfabrik Dezernat Zukunft, „auch wenn die tatsächlichen Kosten pro Euro Ölimport geringer ausfallen könnten.“ Denn: Ob Russland tatsächlich 100 Prozent der Gewinne aus Ölexporten ins Militär stecke, wie es die Studie annimmt, sei fraglich.

Autokraten kontrollieren fossile Brennstoffe

Laut Co-Autor Wanner liefern die Ergebnisse eine ökonomische Rechtfertigung für viele Klimaschutzmaßnahmen schon allein aus geopolitischen Motiven, etwa einen CO-Preis von mindestens etwa 60 Euro oder eine Öl-Steuer von 37 Prozent. „Besonders im Verkehrssektor ließe sich noch viel einsparen“, so Wanner. Auch einzelne Maßnahmen könnten hier große geopolitische Erträge erzielen. So würde etwa ein Tempolimit auf Autobahnen bis 2030 theoretisch rund 2 und eine frühere Durchsetzung rigider Flottengrenzwerte auf EU-Ebene 3 Milliarden Euro einsparen.

„Fossile Brennstoffe werden überwiegend von Autokraten kontrolliert“, sagt Wanner. Die Aussagen der Analyse gehen daher über Russland hinaus. Die Überlegung, dass Klimaschutz Auswirkung auf unsere Sicherheit hat, sei nicht neu, sagt auch Henze vom Dezernat Zukunft. „Energieimporte bergen immer auch ein Risiko.“ Im öffentlichen Diskurs werde das bisher zu wenig berücksichtigt.

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1 Kommentar

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  • Scheint schon ein recht theoretisches Konzept zu sein.



    Weil, A) es ist eben nicht möglich jetzt auf Null fossiler Energieimport zu kommen. B) wieviel geht wirklich nach Russland und steht dort frei für MIlitärzwecke zur Verfügung? Wenn man die Zahlen nimmt (13 ct pro Euro Treibstoff) würde es rechnerisch bedeuten, dass D jetzt die russische Kriegskasse mit 11 Mrd pro Jahr finanziert. Die anderen Länder noch dazu gerechnet, müsste Russland in Geld schwimmen.



    C) Bei Null fossilen Energienutzung, wer weiss schon, wie dann erst recht jemand reagiert, die davon abhängig ist?



    D) sind es einfach zuviele Variablen.