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China setzt sich durchHongkongs Demokraten wollen aufgeben

Die Demokratische Partei in Hongkong bereitet unter dem Druck Pekings ihre Auflösung vor. Sie war die einflussreichste Partei der Demokratiebewegung.

Lo Kin-hei, Vorsitzender von Hongkongs Demokratischer Partei, spricht am Sonntag nach dem Parteitag zu den Medien Foto: Tyrone Siu/Reuters

Berlin taz | In der seit 1997 zu China gehörenden Metropole Hongkong hat die Demokratische Partei auf einem Parteitag am Sonntag ihr Auflösung eingeleitet. Mit 90-prozentiger Mehrheit wurde das Zentralkomitee beauftragt, die Auflösung bei einem Sonderparteitag in einigen Monaten vorzubereiten.

Zuvor hatten fünf prominente Parteimitglieder nach eigenen Angaben Drohungen ungenannter chinesischer Funktionäre und Peking-naher Kräfte erhalten. Die hätten gefordert, dass sich die Partei noch vor den nächsten Wahlen zum Legislativrat im Dezember auflösen müsse. Sonst sei mit „ernsthaften Konsequenzen“ bis hin zu Haft zu rechnen, wie das Webportal Hong Kong Free Press berichtete. Zwei frühere Parteichefs sitzen schon im Gefängnis.

Beim Parteitag wollte der jetzige Parteivorsitzende Lo Kin-hei die Drohungen nicht näher erläutern. Er sagte, die Auflösung sei noch nicht endgültig beschlossen, er gehe aber von einer entsprechenden Entscheidung aus.

Bereits im Februar hatte die 1994 gegründete und damit älteste Partei der Hongkonger Demokratiebewegung angekündigt, ihr Auflösung vorzubereiten. Zur Begründung wurde auf das „allgemeine politische Umfeld“ verwiesen.

„Sicherheitsgesetz“ gegen die Demokratiebewegung

Peking hatte 2020 in Hongkong ein „Nationales Sicherheitsgesetz“ durchgedrückt. Das hebelte die Autonomie und Selbstverwaltung der Stadt aus, die ihr bei der Rückgabe an China 1997 nach dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ für 50 Jahre zugesagt worden war. Vorangegangen waren Massenproteste gegen Pekings Einmischungen sowie Forderungen nach Demokratisierung.

Die Demokratische Partei, die im Kern eine gemäßigt liberale Mittelschichtspartei ist, unterstützte die Proteste und warb zugleich für eine friedliche demokratische Politik. In den Jahren zuvor hatte sich die Demokratiebewegung ausdifferenziert und um radikalere Parteien erweitert.

Einige Demokraten hatten sich mit Forderungen nach einem Mindestlohn wie der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen schwergetan. Die zweitgrößte Partei der Demokratiebewegung, die Civic Party, löste sich schon letztes Jahr auf.

Die Demokratische Partei, zu deren Gründern und Vorsitzenden einst der angesehene Rechtsanwalt Martin Lee und später die Ex-Journalistin Emily Lau gehörten, bekam bei der Vergabe der wenigen Mandate, die in der früheren Kronkolonie durch allgemeine freie Wahlen vergeben wurden, in der Regel die meisten Stimmen. Das von den Briten übernommene Wahlrecht sorgte aber stets dafür, dass Peking-nahe Kräfte im Stadtparlament die Mehrheit stellten.

Nicht mehr im Parlament vertreten

Die letzten freien Wahlen fanden im November 2019 statt. Doch wurden später 70 Prozent aller Gewählten annulliert. Bei den nächsten Wahlen durften dann nur noch Peking-nahe Pa­trioten“ antreten.

Seitdem boykottierten die Demokraten die Wahlen und sind nicht mehr im Parlament vertreten. Die Partei zählt laut Medienberichten noch 400 Mitglieder, hatte aber selbst zur besten Zeiten nie mehr als 1.000. In Hongkong befürchten viele bei einer Mitgliedschaft berufliche Nachteile. Stets war es schwierig, Räume für Parteievents zu mieten.

Und überhaupt nur einmal in den 30 Jahren hatten Vertreter Chinas eine Delegation der Partei getroffen, obwohl sie die Rückgabe der Stadt an China immer begrüßt hat.

Am Sonntag forderte Großbritanniens Außenminister David Lammy von Peking und Hongkong eine Erklärung, warum der britischen Unterhausabgeordneten Wera Hobhouse am Donnerstag nach eigenen Worten die Einreise in die frühere Kronkolonie verweigert worden sei. Laut Lammy sei das sehr besorgniserregend. Hobhouse ist Abgeordnete der Liberalen und Mitglied der Inter-Parliamentary Alliance on China (Ipac), die Pekings Umgang mit Menschenrechten kritisiert. Sie erklärte, sie habe in Hongkong ihren neugeborenen Enkel besuchen wollen.

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2 Kommentare

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  • Was ist mit den Versprechungen von 1899? Auf Rotchina ist kein Verlass.

  • Das musste ja tragischerweise irgendwann kommen.



    Ich meine, wie soll denn ein kleiner David gegen einen großen Goliath gewinnen?