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Russische Angriffe auf die UkraineWohlfeile Worte aus dem Westen

Kommentar von Barbara Oertel

Russland greift erbarmungslos ukrainische Städte an, unter den Opfern sind viele Kinder. An einem Frieden ist Putin nicht interessiert.

Zerstörungen in Sumy nach einem russischen Raketenangriff Foto: Volodymyr Hordiienko/AP

M indestens 35 Tote bei russischen Luftangriffen auf das Zentrum der nordukrainischen Stadt Sumy am vergangenen Sonntag und 19 ausgelöschte Leben durch russische Raketen auf ein Wohngebiet in Krywyj Rih vor neun Tagen: Angesichts des Grauens in der Ukraine, das mit Worten kaum noch zu beschreiben ist, überbieten sich führende westliche Po­li­ti­ke­r*in­nen mit Beileids- und Bestürzungsbekundungen.

Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz will erkannt haben, dass Russland seinen Angriffskrieg erbarmungslos fortsetze, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni spricht von einer „schrecklichen und feigen“ Attacke. Sogar US-Präsident Donald Trump, der seinem vollmundig angekündigten „Friedensdeal“ keinen Zentimeter näher gekommen ist, lässt sich wenigstens dazu herab, den Krieg als „schreckliche Sache“ zu bezeichnen.

Für derartige Einlassungen, die vor allem Hilflosigkeit ausdrücken, kann sich die Ukraine nichts kaufen, geschweige denn auch nur ein einziges Leben retten. Und sie wirken wohlfeil. Denn klar ist: Russlands Präsident Wladimir Putin hat an einem Waffenstillstand oder Friedensschluss nicht das geringste Interesse. Stattdessen gilt es, die Auslöschungsfantasien des Kreml in die Tat umzusetzen gemäß dem Grundsatz: Wehret den Anfängen! Weshalb unter den Opfern, wohl nicht zufällig, immer wieder Kinder sind. Die in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig geäußerte Behauptung, das eigentliche Angriffsziel seien ukrainische Militärs gewesen, ist schlichtweg infam.

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Hat der Westen diesem Wahnsinn etwas entgegenzusetzen? Die USA sind, folgt man ihrem Diplomaten Steve Witkoff, bereit, Putin alle Ukrai­ne­r*in­nen der vier bislang nur teilweise besetzten Gebiete zum Fraß vorzuwerfen. Und Kyjiws europäische Verbündete? Stehen nackt da. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Moskau zu einem Waffenstillstand zwingen. Aber wie? Alles in allem: Es ist ein Trauerspiel. Für die Menschen in der Ukraine ist es eine Katastrophe, zu der jeden Tag eine neue hinzukommt.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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13 Kommentare

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  • "Russland greift an... viele kinder sterben"



    Dieses Narrativ ist so unglaublich plump.



    Natürlich sterben Kinder im Krieg.



    Als Oberst Klein in Kundus angriff, starben Kinder.



    Als die NATO (und Deutschland) in Belgrad angriff, starben Kinder.



    Als die USA den IRAK angriff starben Kinder.



    Krieg bedeutet, Kinder sterben.



    Wer Frieden jetzt sofort verlangt, verlangt das jetzt sofort das Sterben beendet wird.



    Auch in der TAZ kann man dafür schonmal als Putinfreund geächtet werden.

    • @Thomas Kühnelt:

      Bitte gehen sie nicht in die Falle das Herunterfahren von Operationen von offiziellen Streitkräften mit Frieden zu verwechseln!

    • @Thomas Kühnelt:

      "Jeder Krieg ist schlimm, deswegen ist das hier auch egal."

      Dieses Narrativ ist so unglaublich plump.

      Übrigens: "Das Sterben" ist ein allein von Russland gewollter, begonnener und geführter Angriffs- und Vernichtungskrieg.

    • @Thomas Kühnelt:

      Weder allerdings hatte die Bundeswehr die Absicht, Afghanistan abzuschaffen, noch die USA das Ziel, den Irak zu zerstören. Bei aller, hinlänglich bekannter Kritik an diesen Einsätzen. Es ist immer wieder infam, den verbrecherischen Charakter des putinrussischen Krieges mit Verweis auf "die westlichen Kriege" weichzuwaschen.

      • @dites-mois:

        In Afghanistan und dem Irak sollten bestehende staatliche Strukturen zerschlagen und durch Vasallenregime ersetzt werden; in beiden Fällen ist es zu massiven Kriegsverbrechen durch westliche Soldaten und Soeldner bzw. ihre Verbündeten gekommen, beide Kriege haben zusammen wohl mehrere Millionen Menschenleben gefordert. Infam ist es nicht, auf solche Parallelen hinzuweisen, sondern die eigenen Verbrechen kleinzureden, weil der Russe angeblich ja immer schlimmer ist. In einem nicht unerheblichen Teil der Welt sieht man es nicht so – und es wäre vielleicht an der Zeit, über die Gründe dafür nachzudenken.

        • @O.F.:

          Vielleicht sollten SIE endlich, endlich mal darlegen, was Sie eigentlich von DIESEM Krieg - und keinem anderen - halten.

          Ist Russland allein schuldig? Wenn nein, wer sonst?

          Könnte Russland den Krieg noch heute beenden? Wenn nein, warum nicht?

          Ich fürchte aber, Sie weichen mal wieder aus. Oder antworten gar nicht. Es ist ja auch nicht schön, wenn man von der Ebene des Abstrakten herabsteigen muss ins wahre Leben, was?

          • @Suryo:

            Es ist doch ein bisschen simpel, die eigene Position zum „wahren Leben“ zu deklarieren, statt sie argumentativ aufzuweisen. Übrigens ist mein Einwand ja gerade auf das wahre Leben bezogen – oder glauben Sie denn, dass afghanische oder irakische Opfer weniger real sind als ukrainische? Das allerdings ist genau der Habitus, den ich oben kritisiert habe. Mit ein bisschen gutem Willen können Sie meinem Beitrag auch entnehmen, was ich von dem Krieg in der Ukraine halte – die Mühe des verstehenden Lesens kann ich Ihnen allerdings nicht abnehmen.

    • @Thomas Kühnelt:

      Verlangen Sie doch mal Frieden im Kreml, wir warten.

    • @Thomas Kühnelt:

      ….oder: „der böse Westen, der böse Westen, der böse Westen“.

  • ....und wir beziehen verdeckt weiterhin russisches Öl. Die Aufrüstung der Bundeswehr braucht 6 bis 10 Jahre. Da ist die selbstständige Ukraine längst von den Landkarten verschwunden. Die Börsenkurse von Rheinmetall gehen durch die Decke und die Jobs bei VW sind gerettet: macht Polos zu Leos. Alles so lächerlich und bitter, die UkrainerInnen zahlen die Zeche für einen militärisch längst verlorenen Krieg.

  • Es stimmt ja alles im Artikel. "Um eine Eskalation zu vermeiden" werden seit Jahren keine Marschflugkörper geliefert, obwohl jeder sehen kann, dass nicht einmal die Flugabwehr ausreicht. Welche Eskalation ? Angriffe auf Kinderkrankenhäuser, Stadtzentren, Palmsonntagsfeiern... Es gibt keine Eskalation, die man noch vermeiden könnte. Garantierte Wehrlosigkeit = garantierte Eskalation der Opferzahlen ! Es ist kein Trauerspiel mehr, es ist ganz einfach furchtbar: die Opfer und das eskalierende Geplapper.