Reaktion auf US-Zölle: Big Tech besteuern würde Trump treffen
Neue Steuern für die großen US-Digitalkonzerne könnten eine Antwort auf Trumps Zollpolitik sein. Nachteile für Verbraucher ließen sich umgehen.
Die Vorstellung, Abgaben auf digitale Produkte zu erheben, bei denen die USA im Export dominant sind, nimmt mit der Konkretisierung von Trumps Plänen an Fahrt auf. So sprach sich nach der Verkündung der neuen Zölle unter anderem die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer für eine Digitalsteuer für US-Tech-Konzerne aus. Und eine französische Regierungssprecherin sagte, die EU könne „die digitalen Dienste angreifen“.
Weil Zölle auf digitale Güter deutlich komplizierter umzusetzen wären als auf Autos oder Stahl – schließlich wird im Digitalen nichts physisch über eine Staatsgrenze hinweg bewegt – geht die Debatte aktuell in Richtung Digitalsteuern. Die waren vor etwa 7 Jahren schon einmal im Gespräch. Doch die Verhandlungen auf OECD-Ebene brachten kein Ergebnis und die Idee wurde nicht weiter verfolgt.
Das könnte sich nun ändern. Das Centre for European Policy Studies, ein europäischer Thinktank, hat im Auftrag der Europäischen Grünen Anfang April eine Analyse dazu vorgelegt, wie eine solche Steuer aussehen könnte. Gelten könnte die Steuer demnach für Unternehmen mit einem weltweiten konsolidierten Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Das würde sicherstellen, dass nur große, multinationale Konzerne so besteuert werden.
Eine 5-prozentige Abgabe auf Erlöse aus digitalen Werbedienstleistungen und Dienstleistungen von Plattformen würde demnach im Jahr 2026 Steuereinnahmen in Höhe von 37,5 Milliarden Euro generieren. Das sei etwa ein Fünftel des EU-Haushalts.
Plattformregeln durchsetzen
„Big-Tech-Konzerne zahlen in Europa so gut wie keine Steuern“, sagt der Digitalexperte Markus Beckedahl. Mit politischem Willen lasse sich das aber schnell ändern – zumindest schneller als eine Durchsetzung der Plattformgesetze Digital Services Act und Digital Markets Act. Die beiden sollen dazu dienen, die Macht großer Techplayer einzudämmen und auch inhaltlich in die Verantwortung zu nehmen, etwa mit Mindeststandards zur Moderation. Weil die Regeln vor allem die großen Konzerne treffen, könnte die EU diese Karte ebenfalls in den Zollverhandlungen mit den USA spielen.
Bei der Durchsetzung der beiden Regularien waren die Behörden laut Beckedahl in den vergangenen Jahren jedoch zurückhaltend – mit dem Argument, dass man keinen Handelskrieg mit den USA entfachen wolle. „Aber dieses Argument fällt jetzt weg“, sagt Beckedahl und spricht sich für eine konsequente Durchsetzung aus. Die hätte gleich mehrere Vorteile: Bußgelder würden Einnahmen generieren, europäische Anbieter würden gestärkt und die hiesigen Demokratien geschützt – zum Beispiel vor der Flut von Desinformation, die von mancher US-Plattform ausgeht.
Die Verfahren dauern aber: Untersuchungen werden eingeleitet, Briefe zwischen EU-Kommission und den beanstandeten Unternehmen hin und her geschickt und wenn am Ende die Entscheidung über ein Bußgeld steht, geht es erst los mit den Gerichtsverfahren. Denn kaum ein Techkonzern wird so eine Entscheidung einfach akzeptieren.
Widerstand aus der Wirtschaft
Eine gesetzliche Basis für eine Digitalsteuer ließe sich schneller schaffen. Doch Widerstand kommt aus der Wirtschaft: „Wir würden uns da ins eigene Fleisch schneiden“, sagt Fabian Zacharias vom IT-Verband Bitkom. Zum einen wäre es schwierig, eine Digitalsteuer so auszugestalten, dass tatsächlich nur die großen US-Konzerne getroffen würden und nicht auch deutsche oder europäische Unternehmen.
Zum anderen seien hiesige Firmen in Teilen auf die Dienstleistungen der US-Anbieter angewiesen, weil es keine gleiche oder gleich leistungsfähige Alternative aus Europa gebe. „Die Nutzung digitaler Technologien würde teurer werden und zwar sowohl für Unternehmen als auch für die Verwaltung und für die Bürgerinnen und Bürger“, sagt Zacharias.
Es sei denn, man präzisiert das Konzept einer Digitalsteuer ein wenig. Das schlägt Stefan Heumann vor, Geschäftsführer von Agora Digitale Transformation.
Basis dafür ist zu wissen, womit die Techkonzerne eigentlich ihr Geld verdienen. Und das ist bei vielen: Werbung. „Sogar Amazon verdient mittlerweile mehr Geld mit Werbung als mit dem Verkauf von Produkten“, sagt Heumann. Wer also den Fokus darauf lege, die Umsätze aus dem Werbegeschäft zu besteuern, nehme Verbraucher:innen und hiesige Firmen aus der Schusslinie. Hard- oder Software – etwa eine Windows-Lizenz, ein iPhone samt Updates oder der Cloud-Dienst eines US-Anbieters – müssten so nicht teurer werden.
Im Gegensatz zu der im Sande verlaufenen Debatte von vor 7 Jahren hält es Heumann für realistisch, dass es dieses Mal etwas wird mit einer Digitalsteuer. „Bislang haben wir uns das in Europa nicht getraut, aber Trump öffnet nun diese Tür.“
Mehr Souveränität
Und falls die EU die Digitalsteuer nicht nur auf das Werbegeschäft beschränkt? „Dann würde es tatsächlich kurzfristig teurer – aber mittelfristig würden europäische Unternehmen profitieren“, sagt Heumann. Damit es etwas wird mit der digitalen Souveränität in Europa – also einer weitgehenden Unabhängigkeit etwa von den USA was zentrale digitale Produkte und Dienste betrifft – muss laut Heumann aber auch der Staat umdenken: „Die Beschaffung müsste viel stärker auf Open-Source-Lösungen und europäischen Angeboten liegen.“
Momentan ist zumindest die deutsche Bundesregierung noch weit davon entfernt: „Das digitale Souveränitätsdefizit des Bundes ist enorm“, kritisiert Anke Domscheit-Berg, die bis vor kurzem für die Linke im Bundestag saß. Einer kleinen Anfrage der Linken zufolge verdoppelte der Bund die Ausgaben für Cloud-Dienste von 2021 bis 2024 auf 286 Millionen Euro. In den Listen der Auftragnehmer dominieren die ganz Großen: Amazon, Microsoft und Google.
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