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Fragwürdige MieterhöhungenVonovia will nicht lernen

Gerichte lehnen Mieterhöhungen wegen guter ÖPNV-Anbindung und Nahversorgung ab. Doch der Konzern versucht es weiter.

Mehr Miete, weil die S-Bahn vorbeifährt? Foto: dpa

Berlin taz | Mitte Februar schien der Spuk für Jasmina Rühl vorbei. Ihre Vermieterin, die Deutsche Wohnen, die inzwischen zu Vonovia gehört, ließ eine Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung fallen. Rühl hatte sich zuvor geweigert, eine Mietsteigerung von 24 Euro für ihre Schöneberger Wohnung zu akzeptieren. Der Konzern hatte seine Erhöhung auch damit begründet, dass die Wohnung eine gute Anbindung an den ÖPNV und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe habe – zwei Merkmale, die laut Mietspiegel nicht vorgesehen sind.

Doch nach nur einem Monat flatterte Rühl die nächste Mieterhöhung ins Haus. Wieder soll sie 24 Euro mehr zahlen, wieder mit derselben Begründung. Für Rühl, die sich in der Nachbarschaftsinitiative PrinzEbers und im Berliner Bündnis gegen Vonovia & Co. engagiert, steht fest: „Vonovia will diese beiden Merkmale unbedingt durchsetzen.“

Dabei haben Gerichte dem Versuch schon mehrfach eine Absage erteilt. Der Berliner Mieterverein zählt zehn entsprechenden Urteile von sechs Amtsgerichten. Vonovia habe „sich für die Berechnung der Vergleichsmiete kurzerhand wohnwerterhöhende Merkmale ausgedacht“ und greife somit den Mietspiegel an. „Unrechtmäßige Mieterhöhungen“ müssten zurückgenommen werden, so die Forderung. Vonovia teilt dagegen auf Anfrage mit, die bisherigen Entscheidungen besitzen „keine allgemeingültige Bedeutung“. Ein Urteil eines höheren Gerichts steht aus.

Wie groß der Mieterhöhungsspielraum durch die neuen Merkmale ist, zeigt ein Blick auf Rühls Fall. Laut Mietspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete für ihre Wohnung, über die hinaus Erhöhungen unzulässig sind, zwischen 5,29 und 10,39 Euro pro Quadratmeter, abhängig von der Ausstattung der Wohnung und des Wohnumfelds. Weil Vonovia sowohl das Wohnumfeld, also den Penny und die S-Bahn um die Ecke als auch den Gebäudezustand als wohnwerterhöhend wertet, argumentiert der Konzern mit einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 8,33 Euro.

Ein Einzelfall, viele Betroffene

Rühl und ihr Anwalt halten dagegen: Die vorgetragenen Merkmale zum Wohnumfeld seien „ohne Bedeutung“, tatsächlich wirke sich die „lärmbelasteten Lage“ negativ aus. Zudem sei die Einstufung der Merkmalgruppe Gebäude unzulässigerweise positiv, da das Haus weder einen geringen Energieverbrauch noch sicherer Fahrradabstellmöglichkeiten habe. Ergo: Die Vergleichsmiete sinke auf 6,29 Euro – Mieterhöhungen seien demnach nicht zulässig.

In Rühls Fall knickt Vonovia wohl ein: Aktuell laufe „eine Korrektur des letzten Ankündigungsschreibens“, heißt es am Montag gegenüber der taz. Doch das Problem bleibt: „Ich fürchte, viele zahlen einfach aufgrund dieser Merkmale“, sagt Rühl, die viele weitere Betroffene kennt. Auch der Mieterverein sieht ein strukturelles Problem und fordert, die Mietpreisprüfstelle des Senats mit der Zurücknahme unzulässiger Mieterhöhungen zu beauftragen.

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15 Kommentare

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  • Ich sehe nicht nur in Mieterhöhung sondern auch in der Abrechnung von Betriebskosten ein "strukturelles Problem": das System ist so kompliziert, dass wohl kaum eine der Callcenter- bzw Sachbearbeiter da durchblicken.



    - selbst wenn wir guten Willen unterstellen.



    Ent- Bürokratisierung ist die Forderung!

  • Umgekehrt müsste ein langer Fußmarsch zum Supermarkt und keine Bahn vor der Haustür dann mietmindert wirken?

    Einige würden ja wirklich argumentieren, dass die Öffis viel zu laut sein und der Fußverkehr dadurch unzumutbar sei. Vor dem Supermarkt könnten Leute laut gröhlend Bier konsumieren. Wer weiß!

  • 8,33 €/m² sind für die Wohnanlage zuviel: einfache Lage, ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 6,29 €/m², aus Gründen.

    Nahversorgung und vor allem ÖPNV gehören zur Infrastruktur, die von unseren Steuergeldern aufgebaut bzw. ermöglicht wurden. Außerdem werden diese bereits bei der Einordnung der Wohnlage berücksichtigt, also können sie nicht erneut als Merkmal für Mieterhöhung genannt werden. Die Urteile der Gerichte sind da auch einhellig.

    Deutsche Wohnen-Vonovia erhöht die Miete, wann immer möglich. Es geht also nicht um einmalig 24 €. Zumal die ursprüngliche Erhöhung in der Wohnanlage bei ca. 70 € lag. Die Merkmale für eine Mieterhöhung sind einfach nicht gegeben, also werden welche erfunden wie gute Nahversorgung und ÖPNV-Anbindung. Weitere wohnwertsteigernde Merkmale, die DeuWo-Vonovia anführt, sind seit Jahren falsch, so z.B. wurde trotz Kritik der MieterInnen, mit einem falschen, zu niedrigen Energieausweis gearbeitet, mit dem Mieterhöhungen begründet wurden. Das sind die Situationen, die dazu führen, dass MieterInnen massenhaft protestieren müssen.

  • gegen so etwas hilft nur die vergesellschaftung börsennotierter immobilienkonzerne.

  • Ich kann nicht beurteilen ob 8,33 €/m² hier angemessen ist? Vom Prinzip her würde ich es aber wirklich Wohnwertsteigernd sehen, wenn ein S-Bahn Anschluss in der Nähe ist und Einkaufsmöglichkeiten auch nahe sind. Da stimmt aus meiner Sicht etwas bei den Kriterien des Mietspiegels nicht!

    • @Fridolin:

      Guter Anschluss an den ÖPNV und nahegelegene Einkaufsmöglichkeiten sind in deutschen Großstädten die Norm. Das ist also im Mietspiegel schon eingepreist. Der vergleicht ja mit Immobilien, die das auch haben.

    • @Fridolin:

      Die „Wohnlage“ ist m.W. bereits ein Kriterium des Mietspiegels, das ist also in den Mietspiegelsätzen schon enthalten. Und ich meine gelesen zu haben, dass das Gericht festgestellt hatte, dass in ganz Berlin die ÖPNV- und Supermarktversorgung so dicht ist, dass das eben auch Berliner Standard und nicht außergewöhnlich sei.

    • @Fridolin:

      Die Mehrwerte sind nicht von den Besitzer:innen der Immobilie geschaffen, warum sollten sie Geld dafür bekommen?

    • @Fridolin:

      Für diese Merkmale lebe ich in der Großstadt und zahle bereits viel Miete. Das trifft auf die anderen Wohnungen in den meisten Teilen Berlins auch zu. Warum sollte es random nochmal extra berücksichtigt werden?

  • // Mietsteigerung von 24 Euro für ihre Schöneberger Wohnung

    Die Begründung von Vonovia geht natürlich gar nicht. Allerdings ist eine Mieterhöhung von „nur“ 24 Euro normalerweise im unteren Rahmen.

    • @Der Cleo Patra:

      in welchem Rahmen?



      Was ist bei einer Mieterehöhung Ihrer Meinung nach normal? Hängt das nicht von sehr vielen Faktoren ab? Da kann man 24 Euro doch garnicht bewerten.

  • Die anderen Vermieter - auch die privaten - sollten begreifen, dass Methoden, die geltendem Recht widersprechen, irgendwann in stärkere Regulierung umschlagen. Was Vonovia da treibt, erweist uns anderen Vermietern einen Bärendienst, ruiniert unseren Ruf und macht Immobilieninvestitionen langfistig schwieriger.

    • @Aurego:

      Ich stimme absolut zu. Ich wohne selber in dieser Wohnanlage. Derartige Verhältnisse, Verwahrlosung, maximale Intransparenz, Sub-, Sub-, Subunternehmen von Vonovia mit denen wir zu hohen Preise zu tun haben, sind unerträglich.



      All dies war mir zuvor unbekannt. Aber man verliert das Vertrauen in Vermieter und in Behörden. Leider.

    • @Aurego:

      Da geben ich Ihnen Recht. Aber es gab letztens einen schönen Artikel in der TAZ der genau das thematisiert: daß Betrug am Mieter der einzige rechtsfreie Raum in Deutschland ist.



      Ein schlichtes, einfaches Beispiel: das Verhalten ist wie ein Ladendieb der ständig klaut. Und wenn er mal erwischt wird legt er das Gestohlen zurück und sagt ooops, sorry. Keine Anzeige, keine Strafe. Und er geht dann in den nächsten Laden und macht weiter. Oder zurück in den Selben - wie hier die Vonovia die der selben Mieterin wieder das selbe unrechtmäßige Schreiben schickt.



      Leider ist es halt nicht nur Vonovia. Und ja, ich bin auch Vermieter und komme mir manchmal echt dumm vor da ich so ehrlich bin.



      Hier der TAZ Artikel:



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