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Selenskyjs „Brief“ an Donald TrumpGenug Dreck gefressen

Kommentar von Barbara Oertel

US-Präsident Trump und sein Vize J.D. Vance provozierten eine Eskalation, um dann eine Entschuldigung zu fordern. Die hat Selenskyj nun gegeben, weil er weiß – er hat keine Wahl.

Minuten der Demütigung im Weißen Haus Foto: Brian Snyder/reuters

N a bitte, geht doch: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kriecht offensichtlich nun doch bei US-Präsident Donald Trump zu Kreuze. Seine Videobotschaft an die Ukrai­ne­r*in­nen am Dienstagabend in Kyjiw werten einige Be­ob­ach­te­r*in­nen als Entschuldigung. Angeblich, so heißt es, wolle er jetzt doch ein Rohstoffabkommen mit Washington unterzeichnen (war das vor wenigen Tagen etwa anders?), wobei von etwaigen US-Sicherheitsgarantien bislang nichts überliefert ist.

Auch sei Selenskyj bereit, unter der Ägide des starken Partners USA an einem nachhaltigen Frieden mit Russland zu arbeiten. Reicht das, damit der große Dealmaker Trump ein Einsehen hat, sich zu erneuten Gesprächen mit dem „ukrainischen Diktator“ herablässt und gnädigerweise doch noch ein paar Waffen über den Großen Teich schiebt? Nur, um am nächsten Tag wieder den Stecker zu ziehen, je nach Lust und Laune?

So einfach ist das alles nicht. Die Demütigung Selenskyjs am vergangenen Freitag im Oval Office, mit der sich alle Ukrai­ne­r*in­nen gemeint fühlten haben und es auch waren, war beispiellos. Doch ehrlich gesagt: Selenskyj und seine Landsleute haben in der vergangenen drei Jahren dieses barbarischen russischen Angriffkriegs genug gelitten und Dreck gefressen, da kommt es jetzt auf ein wenig Kreide auch nicht mehr an.

Selenskyj, hinter dem die Menschen in der Ukraine trotz Kritik jetzt noch näher zusammenrücken, ist Realpolitiker genug, um zu wissen, dass er keine Wahl hat. Solange sich die europäischen Staaten sortieren und darüber sinnieren, wie sie sich künftig militärisch aufstellen, muss Selenkyj in Washington gut Wetter machen: sich verbiegen, ohne sich dabei komplett zu verleugnen.

Diesen Balanceakt hat er bewerkstelligt. Was Trump wohl als Nächstes einfällt? Wenigstens aus dem Kreml kommen klare Botschaften. Es gehe darum, der Ukraine eine maximale Niederlage zuzufügen, sagt Ex-Präsident Dmitri Medwedjew. Dazu fällt zumindest Trump garantiert nichts ein.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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1 Kommentar

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  • Zitat: "Es gehe darum, der Ukraine eine maximale Niederlage zuzufügen, sagt Ex-Präsident Dmitri Medwedjew. Dazu fällt zumindest Trump garantiert nichts ein."

    Das glaube ich wiederum nicht. Putin hatte Trump angeboten, mit ihm zusammen die ukrainischen Rohstofflagerstätten zu plündern. Was hält Trump davon ab? Er könnte überlegen, wie er Putin dazu bringe, bei der Preisfindung die von den USA getragenen Kriegskosten zu berücksichtigen. Wenn Putin schlau ist ...