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Berlinale-RückblickVerleugnung der Gegenwart

Promis auf der Berlinale erinnern an David Cunio. Der israelische Schauspieler befindet sich immer noch in der Geiselhaft der Hamas.

Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, Christian Berkel, Andrea Sawatzki, u. a. halten Fotos der israelischen Geisel David Cunio Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Schneefall im Blitzlichtgewitter. Vor der Eröffnungsgala der 75. Berlinale lief alles zunächst wie ein vertrauter Film ab. Weltstars stiegen aus Elektroautos und winkten jubelnden Zaungästen zu. Aufrufe zum Klimaschutz und gegen Kultureinsparungen prangten auf Transparenten und T-Shirts. Doch dann ein Bruch mit dem Drehbuch.

Auf dem roten Teppich posierten einige Promis mit Plakaten, die des israelischen Schauspielers David Cunio gedachten. Bereits 2013 war Cunios preisgekrönter Debütfilm „Youth“ auf der Berlinale aufgeführt worden. Seit dem 7. Oktober 2023 jedoch befindet sich der nun 34-Jährige in der Geiselhaft der Hamas. Letztes Jahr, als die Berlinale auf Tuchfühlung mit Kufijas ging, hat das Festival ihn sogar totgeschwiegen.

Zu denjenigen, die Donnerstagabend an Cunio erinnerten, zählten die Produzentin Alice Brauner, die Regis­seu­r:innen Julia von Heinz und Markus Imboden, das Filmpaar Christian Berkel und Andrea Sawatzki, ihre Schau­spiel­kol­le­g:in­nen Ulrich Matthes, Martina Gedeck und Marie-Lou Sellem sowie die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal. Auch die Amerikanerin Tricia Tuttle, als neue Intendantin der Berlinale, ließ sich mit ihnen ablichten.

Das Festival präsentiert nunmehr sogar die sehenswerte Dokumentation „Michtav Le’David“ als „filmischen Brief“ an Cunio. Aber so weit das Positive. Wer auf mehr Selbstreflexion seitens der Berlinale hofft, was das Leid und die Ängste jüdischer Menschen betrifft, wird arg enttäuscht. Denn die Festivalleitung distanziert sich mit aller Deutlichkeit von der Antisemitismusresolution des Bundestags.

Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit?

Der mit breiter Mehrheit verabschiedete Parlamentsbeschluss ist zwar rechtlich nicht bindend und ohne eigene Strafandrohung. Aber trotzdem wähnt die Berlinale hier einen Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit.

Wer auf mehr Selbstreflexion seitens der Berlinale hofft, was das Leid und die Ängste jüdischer Menschen betrifft, wird arg enttäuscht

Daher habe das Dokument „keinen Einfluss auf die Durchführung der Berlinale“, heißt es geradezu abweisend. Unmittelbar vor der Bundestagswahl, und zwar angesichts alarmierend zunehmender judenfeindlicher Übergriffe von links wie von rechts, beweist die Berlinale mit ihrer Sturheit einen erschreckenden Mangel an Sensibilität.

So wundert es nicht, dass ausgerechnet Tilda Swinton vor wenigen Tagen mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Denn die renommierte Schottin bekennt sich wörtlich als „große Bewunderin von BDS“. Ebenjene Bewegung, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel aufruft, wird von der Hamas gelobt, vom Bundestag als antisemitisch eingestuft und vom Verfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall beobachtet.

Die Ehrung von Swinton in einem Land, in dem „Kauft nicht bei den Juden“ noch nachhallt, sagt sehr viel über den Zustand der Erinnerungskultur aus.

Wo liegt die Grenze?

Natürlich obliegt es Filmfestivals, kon­troverse Diskussionen anzustoßen. Aber wo liegt die Grenze? Man denke an Vanessa Redgrave, die 1978 während ihrer Dankesrede bei den Oscars über Zionist hoodlums geiferte. Immerhin lässt mich Tricia Tuttles Entscheidung nicht kalt. Jahrelang arbeitete ich als freie Übersetzerin für die Berlinale (Presseabteilung und Sektion Generation).

Noch 2022 übersetzte ich im Auftrage des Festivals stolz die IfZ-Studie über die NS-Verbindungen des ersten Festivalleiters Alfred Bauer (1911–1986). Die lange vernachlässigte Offenlegung war notwendig. Aber man darf die Augen vor der Gegenwart ebenfalls nicht verschließen.

David Cunio und zahlreiche andere Geiseln werden von der Hamas weiterhin in Gaza festgehalten, während Juden in Deutschland teils in selbst aufgelegter Schutzhaft leben. Gegenwartsleugnung ist auch eine Art der Geschichtsvergessenheit.

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46 Kommentare

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  • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin

    PS: Ganz am Anfang der Berlinale gab es einen Oscar. Sogar einen jüdischen Oscar.

    Genauer genommen Oscar Martay (1920 - 1995). Er war ein polnischer Jude, der auf der Flucht vor den Nazis in die USA geflohen ist. Als Mitglied der US Army kam er nach dem Krieg nach West-Berlin. In seiner Eigenschaft als Filmoffizier in der Military Government konzipierte und gründete er 1951 die Internationalen Filmfestspiele Berlin. So war er, ein amerikanischer Jude, der eigentliche Gründervater der Berlinale, auch wenn der ehemalige NS-Filmhistoriker Alfred Bauer der erste Direktor war.

    Was Oscar Martay von den antisemitischen Vorfälle auf der heutigen Berlinale halten würde, kann ich nicht sagen.

    So nebenbei erwähnt.

  • Vielen Dank für den Kommentar! Ich war auch entsetzt, als ich die Aussagen von Swinton zu BDS gelesen habe. Nicht überrascht, aber wütend. Die kognitive Dissonanz die auch hier im Forum zu finden ist, erstaunt mich doch immer wieder sehr. Da ist viel von künstlerischer Freiheit und Meinungsfreiheit die Rede, gleichzeitig wird BDS verharmlost. Eine Organisation, die Menschen, Künstler boykottiert nur weil sie aus Israel kommen. Das ist äußerst paradox. Wo ist da die künstlerische Freiheit? So was funktioniert nicht als Einbahnstraße, sonst wird es totalitär. Abgesehen davon, dass große Teile von BDS Israel das Existenzrecht absprechen, was schlicht antisemitisch ist. Übrigens steht auch den Kritikern die Meinungsfreiheit zu, zu kritisieren, dass Swinton, die BDS dermaßen glorifiziert, einen Preis für ihr Lebenswerk bekommt.

  • Und ich dachte erst es geht um die Berlinale..

    Muss hart sein in einem Tunnel zu stecken und farbenblind zu sein, das auch noch freiwillig.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @TV:

      >> Muss hart sein[,] in einem Tunnel zu stecken und farbenblind zu sein, ...

  • „Hamas-Geiselhaft“ ist, wie an den freigelassenen Geiseln festzustellen war, nicht Haft (unter menschenwürdigen Verhältnissen) sonder Folter.

    • @behr Behr:

      Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie beschreiben das begangene/die begangenen Verbrechen annähernd adäquat: es ist ein Kriegsverbrechen (und für mich eine abscheuliche Unmenschlichkeit).

      Aus dem BMJ:

      "Als Kriegsverbrechen werden schwere Verstöße gegen Regelungen des humanitären Völkerrechts bezeichnet.



      Beispiele für Kriegsverbrechen sind unter anderem:

      Tötung, Geiselnahme, Folter und Vergewaltigung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen

      Angriffe auf die Zivilbevölkerung, auf Krankenhäuser, Kirchen, Schulen, Universitäten und Denkmäler

      Plünderungen und Zerstörung von Eigentum

      Angriffe auf humanitäre Hilfsmissionen, friedenserhaltende Missionen und auf Missionen des Roten Kreuzes

      Verwendung von biologischen, chemischen Waffen und Atomwaffen."

      www.bmj.de/DE/them...echen_artikel.html

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @behr Behr:

      Wohl wahr. Deshalb ist es umso erschreckender, dass radikale pro-palästinensische Akteuer:innen versuchen, eine moralische Äquivalenz zu etablieren.

      • @Michaela Dudley:

        Welche Äquivalenz meinen Sie?



        Mehr als 1200 ermordete Israelis am 07.10. und weitere unbeschreibliche "Schrecklichkeiten" in der Folge, eine Unmenschlichkeit! Kriegsverbrechen! Und ein schockierendes tägliches Mitleiden, mit der Verschleppung, Geiselnahme Tötung und Folterung von mehr als 250 Menschen aus Israel, eine Unmenschlichkeit und Kriegsverbrechen! Als gleichwertig mit mehr als 40.000 Tote, mehr als 100.000 Verletzte, mit der höchsten Rate an Amputationen bei Kindern, gemessen an der Bevölkerung weltweit?



        Sie leben nicht in der Lavente. Ich erwarte ohne wenn und aber von jedem Einsatz für Menschlichkeit und Menschenrechte, für Frieden, Nächstenliebe und ein gemeinsames Leben, ob mit- oder nebeneinander. Diese Erwartungen gilt nicht zu erfüllen, jeder hat sein Recht auf Hass.



        Ich zitiere erneut Tom Shoval:



        „Ich hoffe immer noch, das Israel und Palästina eine Lösung finden werden, um in Frieden miteinander zu leben. Alle zusammen.“"

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Buchfan:

          Es ist eine Sache, Angaben und Zahlen aus dem Hamas-Ministerium für Gesundheit unreflektiert herunterbeten zu können. Aber es ist etwas anderes, ernsthaft über die Kausalität bzw. Ursache und Wirkung debattieren zu wollen.

          Mit welchem Recht darf die Hamas ihre Zivilbevölkerung dazu verdammen, als Kanonenfutter zu dienen und als Kollateralschaden zu sterben? Warum spricht man nicht über die Kriegsverbrechen der Hamas, die am eigenen Volk begangen werden?

          Mein afroamerikanischer Vater diente bei der US Air Force im Zweiten Weltkrieg, und zwar in Kampfhandlungen. Anno damals warfen die Allierten zwei Millionen Tonnen Fliegerbomben auf Nazi-Deutschland ab. Dadurch kamen rund 600.000 deutsche Nichtkombattanten, darunter viele Frauen und Kinder, ums Leben. Übrigens: Weitere sage und schreibe anderthalb Millionen deutsche Nichtkombattanten, darunter wieder viele Frauen und Kinder, starben anstatt dessen durch Bodentruppen.

          Zu jedweder Zeit hätten die Nazis die weiße Fahne hissen können. Aber sie warteten noch eine „gute“ Woche nach der Bekanntgabe von Hitlers Tod, bis sie den Krieg einstellten. Ich mache somit keine Gleichstellung, sondern lediglich eine Feststellung.

        • @Buchfan:

          Was ist das für ein Unsinn? Niemand hat ein "Recht auf Hass".



          Hass ist immer der Verlust von Vernunft angesichts überwältigender Emotionalität.



          Also Hass der nicht motiviert ist (sprich Hetze).



          Der Unterschied zwischen den 7. 10. Und jeder folgenden Aktion Israels ist schonmal grundsätzlich der zwischen Terror und Kolleteralschäden.



          Beides ist abzulehnen aber dennoch etwas grundsätzlich Anderes.

  • Wo Michaela Dudley draufsteht, ist Michaela Dudley drin. So weit, so erwartbar, und wer sich anderes erhofft ist ein*e Träumer*in.

    Kein Wort zu Trumps Phantasien, unter dem Beifall Netanjahus und seiner Kumpane 2 Millionen Menschen aus Gaza zu deportieren, kein Wort zu J.D. Vance’ Rede, in der er den Schulterschluss von US-amerikanischen Ultrarechten mit den europäischen Rechtsextremen propagiert, und das nur wenige Stunden nach seinem Besuch des Konzentrationslagers Dachau. Nö, anderes Thema, nicht wahr, Frau Dudley? Gehört hier nicht hin und ist außerdem viel zu kompliziert. Sie arbeiten sich lieber zum x-ten Mal am immergleichen Thema ab: den linken Israelkritiker*innen/Antisemit*innen.

    Chance vergeben.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Klabauta:

      » Wo Michaela Dudley draufsteht, ist Michaela Dudley drin. «

      Danke vielmals für die Bescheinigung.

      Hier geht es allerdings um die Berlinale und den Antisemitismus. Bei ca. 3.600 Zeichen kann ich eh nur soviel 'reinbringen. Für mich war es wichtig, die Doppelmoral und die anderen Defizite der Festivalleitung zu thematisieren.

      Nichts, was Israel tut oder lässt, rechtfertigt in irgendeiner Weise den Judenhass. Wenn man ausgerechnet in Deutschland damit anfängt, Maßnahmen gegen den Antisemitismus aufzuweichen oder als bedrohlich darzustellen, hat man nichts aus der Vergangenheit gelernt.

      Übrigens: Es waren in den USA die propalästinensichen Akteur:innen, die in entscheidenden Swing-States wie Michigan ausdrücklich dazu aufriefen, Kamala Harris zu boykottieren. Etliche sprachen sich sogar explizit für Donald Trump aus. Bis heute sind schwarze Frauen, die zu 90 & + für Harris stimmten, sehr wütend auf die „Free-Palestine-Community“. Auch wissenswert: 78 % der jüdischen Wählenden stimmten für Kamala Harris. (NBC Exit-Poll).

      Ich erwähne diese Angaben deshalb, weil viele aus der BDS-Bewegung verzweifelt und faktenfrei versuchen, Juden für Trumps Sieg verantwortlich zu machen.

      • @Michaela Dudley:

        Während der Präsidentschaftswahl 2024 in den USA wurden 155.238.302 Wählerstimmen "gezählt" (Maschinen zum Zählen von Wählerstimmen sind nicht sooo



        eine bekannte Stärke der USA. Ausnahme: die 1930er. Nazi-Deutschland vergisst die Technologie von IBM nicht, die zur Herstellung und Tabellierung von Lochkarten, um die jüdische Minderheit zu identifizieren, zu isolieren und schließlich zu vernichten, bereitgestellt wurde).

        Trump: 77.302.580 "gezählte" Stimmen, 312 Wahlleute.

        Harris: 75.017.613 "gezählte" Stimmen, 226 Wahlleute.

        Michigan: 5.664.186 "gezählte" Stimmen, 15 Wahlleute.

        Arab-Americans in USA: ca 2.1 Millionen, davon ca 100.000 Palestinian-Americans

        Bei mehr als 155 Millionen "gezählten" Wählerstimmen ist die "Free-Palestine-Community" für Trumps Sieg verantwortlich?

        Klar, das "Zählen"...

        Welche lessons learned sind von den Kontroversen der letzten Academy Awards zu erhoffen?

        en.m.wikipedia.org...6th_Academy_Awards

        Was war nochmal wichtig für Sie?

        Genau: "Doppelmoral und die anderen Defizite"

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Buchfan:

          Schade, dass sie die Dynamik des Phänomens namens Electoral College nicht berücksichtigen.

          In meinen längeren Artikeln,aber auch im Rahmen meiner zusammenfassenden Erwähnung der Angelegenheit hier in dieser Kommentarspalte, habe ich den Swing-State Michigan angesprochen.

          Siehe z.B.:

          taz.de/Juedische-W...-den-USA/!6043908/

          taz.de/Kandidatur-...a-Harris/!6024920/

      • @Michaela Dudley:

        Wenn es um die Berlinale geht, dann bleiben Sie bei der Berlinale. Wenn es um BDS geht, dann bleiben Sie bei BDS. Wenn es Ihnen darum geht, sich gegen Antisemitismus einzusetzen, zitiere ich aus einem Interview in der taz mit Michel Friedman: "Wer sich gegen Antisemitismus nur einsetzt, weil er Juden helfen will, hat nicht begriffen, was Menschenhass ist, sagt Michel Friedman."

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Buchfan:

          Michel Friedman und ich, zwei Redende auf der jüngsten Veranstaltung von People of Deutschland, haben uns sehr gut verstanden.

          www.instagram.com/...g1czE2cjAwcDEzZQ==

          • @Michaela Dudley:

            Das lese ich gerne.



            Gibt es mehr Audio-/Videomitschnitte dazu? Ich habe nur nachstehendes Video finden können:



            youtu.be/pmVTH2zvcIg

      • @Michaela Dudley:

        Meine Aussage war: Sie schreiben marginal variiert den immergleichen Artikel und auch Ihre Antwort auf Kritik ist immer dieselbe. Ich meinerseits warte einfach darauf, dass Sie einmal einen Beitrag zu den von mir oben genannten Themen schreiben. Das wäre mal etwas Neues aus Ihrer Feder, ich meine, Tastatur.

  • Auch wenn die Trump Administration es anders einstuft, noch herrscht hierzulande Meinungsfreiheit.

    Tilda Swinton hat mehrfach erklärt warum sie BDS unterstützt und weshalb sie Boykottmassnahmen als zivilen Widerstand ansieht. Das ist ihre persönliche Meinung und sie hat das Recht sie öffentlich zu äußern.

    Es ist zudem üblich, dass in der Kunst das Werk losgelöst von der Person betrachtet wird. Wäre dem nicht so, würde ein nicht unwesentlicher Teil in den "Giftschränken" verschwinden u.a. die Luther Bibel.

    Ebenso hat die Berlinale Leitung ein Anrecht darauf die Antisemitismusresolution abzulehnen. Die Begründung dafür hat sie ausführlich dargestellt und steht mit dieser Meinung auch keineswegs alleine dar im Kunst und Wissenschaftsbetrieb.



    Da könnten sich Politik und Kritiker auch ruhig einmal die Frage stellen woran das liegt. Hat garantiert weniger mit Antisemitismus zu tun, als vielmehr mit Grundrechten.

    Und ganz soviel kann die Berlinale auch in dieser Hinsicht nicht falsch gemacht haben, denn auf ihrem Instagram Account hat Swinton zum Boykott des Festivals aufgerufen und dieser Aufruf wurde sogar von BDS geteilt.

    • @Sam Spade:

      Die organisatorischen und politischen Querverbindungen von BDS und Hamas sind nun hinlänglich bekannt. Wer weiterhin so tut, BDS sei irgendwie Ausdruck einer ominösen palästinensischen "Zivilgesellschaft", belügt sich und andere. Wenn Swinton von "Bewunderung" spricht, unterstützt sie - sicherlich nicht gewollt, wie ich mal zu ihren Gunsten annehmen will, aber faktisch die Hamas und damit das Ziel einer Vernichtung Israels.



      BDS selbst ist nun wahrlich alles andere als ein Verfechter der Meinungsfreiheit. Seine aggressiven Kampagnen haben sich ja schon in der Vergangenheit gegen Künstler gerichtet, die sich Boykotts verweigert haben. Und in jüngster geht BDS gegen alle vor, die sich dem palästinensischen Volkstumskampf verweigern, siehe Conne Island. Meinungsfreiheit für die Gegner der Meinungsfreiheit - absurder gehts nicht!



      Und zum nicht mehr zu übersehenden Antisemitismus des Kulturbetriebes hat Lars Henrik Gass das Nötige gesagt www.nzz.ch/feuille...ael-aus-ld.1828683 Er selbst durfte auf dessen Solidarität nicht zählen.

      • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
        @Schalamow:

        Herzlichen Dank für diese wichtigen Erläuterungen.

        BDS ist mit der BRD nicht vereinbar.

      • @Schalamow:

        "Meinungsfreiheit für die Gegner der Meinungsfreiheit - absurder gehts nicht!"

        Da muss ich ihnen dann leider attestieren, dass sie weder das Prinzip der freien Meinungsäußerung verinnerlicht haben und anscheinend auch so ihre Probleme mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung haben.

        Ergibt in der Summe ein sattes Demokratiedefizit

        Das BVerfG hat schon 1952 klargestellt, dass Meinungsfreiheit auch für die Gegner der Freiheit gilt.

        Seitdem ist diese Auffassung in mehreren Beschlüssen des BVerfG festgehalten worden.

        An dieser Stelle sei einmal an die Rechtssprechung erinnert.

        "Da Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, auch wenn dies in polemischer oder verletzender Weise geschieht.."



        BVerfG Beschluss v. 19.05.2020

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Sam Spade:

      Angesichts der Meinungsfreiheit kritisiere ich Swinton und die Berlinale. Solche Meinungsfreiheit hat die Hamas übrigens niemals gelten lassen. Zudem fällt es auf, dass die meisten Fürsprechenden der „Free-Palestine-Bewegung“ niemals dazu kommen, irgendwelche Demokratisierungsforderungen an die Hamas zu richten. Offenbar ist der Hass dieser Menschen auf Israelis stärker als die Liebe zur Demokratie und zur Vielfalt. Die „Schulbücher“ der UNRWA lassen grüßen.

      Die Antisemitismus-Vorwürfe bezüglich der Berlinale reißen nicht ab. Der Zentralrat der Juden zeigt sich entsetzt über die israelfeindlichen Äußerungen, die am Wochenende auf der Berlinale fielen. Es sei unfassbar, dass Beifall für Parolen zugunsten der Hamas aufgekommen sei. Einige haben scheinbar Anzeige erstattet.

      Neulich referierte ich auf einer Veranstaltung des Projekts „People of Deutschland“ u.a. mit Michel Friedman. Das Publikum, das zu 95 % aus BIPoC-Menschen bestand, applaudierte stark, als ich zur Solidarität mit Juden aufrief. Zur Kenntnisnahme: Joe Chialo ist nicht die einzige Person of Color, die es ablehnt, unsere Steuergelder für terrorverherrlichende Events zur Verfügung zu stellen.

      • @Michaela Dudley:

        "Solche Meinungsfreiheit hat die Hamas übrigens niemals gelten lassen"

        Die Hamas ist nicht das Kriterium wenn es um die Meinungsfreiheit in Deutschland geht. Gleiches gilt für die "Free-Palestine-Bewegung".

        Wer sich mit Hamas Parolen schmückt und Antisemitismus salonfähig machen will bewegt sich ausserhalb unseres Wertekanons.

        Wer sich aber für die Rechte eines Volkes einsetzt und dafür demonstriert oder Meinungsbeiträge liefert, für den gibt es in einer Demokratie auch Raum.

        Das ist aber ein anderes Thema, als das von mir offerierte.

        • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
          @Sam Spade:

          Aber genau darum geht es. Bundestag und Verfassungsschutz Stufen BDS als antisemitisch bzw. extremistischen Verdachtsfall ein. So gesehen ist BDS mit der bundesrepublikanischen Staatsrason nicht vereinbar.

          • @Michaela Dudley:

            www.rnd.de/kultur/...EIPIIYNJNYF4U.html



            "Shoval hat d. Empf. auf d. Berlinale in d. Jahr als „herzerwärmend“ erlebt: „D. Fest. hat d. Film umarmt.“ D. neue Berlinale-Chefin stellte sich bei d. Eröffnungsgala demonstrativ zw. Prominente von Andrea Sawatzki - Ulrich Matthes, d. auf d. roten Teppich Fotos v. David Cunio in d. Kameras hielten. Darauf war zu lesen: „Bring David Cunio Home.



            Shovals Film erzählt auch von d. Ohnmacht v. Angehörigen, wenn Menschen zu Spielfiguren d. Politik werden. „D. Waffenstillstand ist fragil, und d. Zeit für d. Geiseln im Gazastreifen läuft unerbittlich ab“, sagt d. Reg.. Niemand wisse, ob di. vereinbarten weiteren Phasen d. Waffenstillstands wirklich umgesetzt werden.



            „Ich hätte nie gedacht, d. ich in einer Zeit leben würde, d. so wegweisend für Israels Gesellschaft ist“, sagt Shoval. „Ich habe in d. 90er-Jahren erlebt, wie d. Friedensprozess vorangetrieben wird. Es gab Hoffnung.“



            Und wie groß ist seine Zuversicht heute? „Ich hoffe immer noch, d. Isr. u. Palä. eine Lösung finden werden, um in Frieden miteinander zu leben. Alle zusammen.“"

          • @Michaela Dudley:

            Das ist nicht nur orthographisch fragwürdig: Abstimmungen des Bundestages spiegeln politische Mehrheiten wider, aber nicht unbedingt die Grenzen des politisch Akzeptablen (Ihnen ist klar, dass man in einer Demokratie Mehrheitsbeschlüsse des Bundestages für falsch halten kann?). Gerade die BDS-Resolution ist höchst umstritten und wurde keineswegs nur von BDS-Unterstutzern kritisiert). Warum man Einschätzungen des Verfassungsschutzes nicht blind folgen sollte, muss man in der taz wohl kaum erklären (der ein oder andere hier erinnert sich vielleicht an die causa Feine Sahne Fischfilet). Das Gerede von der „Staatsraison“ ist ohnehin nur das: politische Rhetorik. Den Maßstab deutscher Politik legt das Grundgesetz fest, dessen erster Artikel Ihnen vielleicht bekannt ist – und mit Menschen sind dort alle Menschen gemeint, auch Palästinenser. Das nur als Denkanstoß in einer neokolonialen Zeit…

            • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
              @O.F.:

              Die Antisemitismus-Resolution heißt genauer genommen: „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“.

              Ein Denkanstoß in Zeiten zunehmender judenfeindlicher Gewalt, und zwar von links wie von rechts.

              Vielleicht ist es wirklich vernünftig bzw. „räsonable“ und nicht zuletzt anständig, in erster Linie die Opfer solcher Gewalt zu berücksichtigen, anstatt tendenziös israelfeindliche Bedenkenträger:innen zur „Open-Mic“-Veranstaltung einzuladen.

              • @Michaela Dudley:

                Übrigens verwechseln Sie hier zwei Resolutionen: die BDS-Resolution wurde 2019 beschlossen und ist mit der von Ihnen nun angeführten Antisemitismus-Resolution nicht identisch.

                • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
                  @O.F.:

                  Einspruch. Ich habe diesbezüglich ausschließlich über die Antisemitismus-Resolution des Bundestages (2024) gesprochen.

                  • @Michaela Dudley:

                    Sie haben oben von der Einstufung von BDS als antisemitisch durch den Bundestag gesprochen; diese wurde in der Resolution von 2019 vorgenommen - sie verwechseln also zwei Resolutionen.

                    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
                      @O.F.:

                      Einspruch. Ich habe nicht behauptet, dass der Bundestag unbedingt im Rahmen der Antisemitimus-Resolution die BDS-Bewegung als antisemitisch eingestuft habe.

                      Anstatt dessen habe ich mich in dem zweitletzten Satz, und zwar mit thematisch zusammenhängenden Aufzählungen, genauso ausgedrückt, wie unten dargestellt wird:

                      >> Ebenjene Bewegung, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel aufruft, wird von der Hamas gelobt, vom Bundestag als antisemitisch eingestuft und vom Verfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall beobachtet.

              • @Michaela Dudley:

                Sie weichen meinem Einwand aus und geben gerade damit eine Antwort, indem Sie den universalen Anspruch, den der erste Artikel des GG erhebt, ignorieren und offenkundig nur bestimmte Leben für schützenswert halten. Diese Geisteshaltung wird allerdings nicht weniger rassistisch, wenn man sie hinter Diffamierungen versteckt.

                • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
                  @O.F.:

                  Es ist die Hamas, die das Leben der Gazaner nicht schätzt, geschweige denn schützt.

                  Keine noch so realitätsfremde Exegese des GG kann Israels Recht auf Selbstverteidigung neutralisieren.

                  • @Michaela Dudley:

                    Und keine noch so angestrengte Verdrehung der Realität kann den Massenmord in Gaza, die Angriffe auf den Libanon, die US-Israelischen Initiativen zur Vertreibung der Palästinenser oder die fortgesetzte Praxis der Besatzung und Apartheid als Selbstverteidigung verschleiern. Die Aussagen und Taten Ihres Präsidenten haben mit Selbstverteidigung ebenso wenig zu tun, wie die jahrzehntelange Arbeit des Likud zur Verhinderung des palästinensischen Staats, der brutalen Besatzung und der sukzessiven Annexion. Die Aktionen der letzten Monate Selbstverteidigung zu nennen ist mit dem Titel Ihres Artikels recht gut umschrieben: Verleugnung der Gegenwart. Das hat mit dem GG nur insoweit zu tun, als sich dieses den internationalen Normen und Organisationen verpflichtet, die Sie im Sinne des expansiven israelischen Nationalismus ablehnen und unterminieren.

                    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
                      @Residente:

                      Nochmals gesagt, und zwar auch in die Runde:

                      Ich setzte auf Kamala Harris. Ja, die Schwarze. Meine Sympathien für sie, trotz meiner unerlässlichen Kritik an sie, gab ich in etlichen Taz-Artikeln sowie anderweitig wiederholt zu erkennen. Über 90 % der afroamerikanischen Frauen und um die 78 % jüdischer Amerikaner:innen wählten Harris, so NBC Exitpoll, was ich auch mehrmals betonen musste. Ebenfalls machte ich klar, dass die Aufrufe der propalästinensischen Community, Kamala nicht zu wählen, dem Trump wieder ins Amt geholfen haben.

                      So gesehen bin ich für das Tun und Lassen Trumps gar nicht verantwortlich. Und Israelis, die Netanjahu überhaupt nicht gewählt haben, sollten auch nicht in Sippenhaft genommen werden. Welche Präsedenzfälle will man eigentlich etablieren?

                      Ungeachtet dessen ist Israels Recht auf Selbstverteidigung keine Abo-Angelegenheit. Keine Sache, die durch geänderte AGB oder durch die Launen der Doppelmoralist:innen abgeschafft werden kann. Der anti antiisraelische Geschichstrevisionismus, ob von links oder von rechts kommend, ist zwar vorlaut und ungehalten, aber nicht überzeugend.

                  • @Michaela Dudley:

                    "Das Recht zur Selbstverteidigung ist in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen festgelegt und stellt eine Ausnahme vom Gewaltverbot dar. Es gibt jedem Mitgliedstaat das Selbstverteidigungsrecht gegen einen bewaffneten Angriff."



                    Bringen Sie mit Ihrem Kommentar wirklich, eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck, dass Sie sich nicht mit unserem Grundgesetz identifizieren und somit nicht auf dem Boden unserer freiheitlich, demokratischen Grundordnung stehen?

                  • @Michaela Dudley:

                    P.S. Meine Exegese des GG hat sich im übrigen darauf beschränkt, den universale Anspruch des Art. 1 zu betonen - wenn Sie das als "realitätsfern" betrachten, bestätigen Sie im Grunde meinen Vorwurf: Sie begrenzen die Menschenwürde entlang ethnischer Bruchlinien - ziemlich erschreckend, finden Sie nicht?

                    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
                      @O.F.:

                      Nochmals Einspruch. Denn das ist nun ein klares Non sequitur.

                      Ohnehin schützt ethnische Zuheörigkeit grundsätzlich nicht davor, als Kombattant bekämpft oder als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen zu werden.

                      Eine Soldatin ist weder durch das GG noch durch sonstige humanitäre Gesetze dazu verpflichtet, einen verfeindeten Kriegsteilnehmer, der auf sie schießt, gewähren zu lassen. Kurz gesagt: Sie darf ihn in der Situation töten.

                      Bei manchen Menschen, die vor allem nicht beim Militär waren, herrscht das Turbo-Tucholsky-Vorurteil. Aber in Wirklichkeit sind nicht alle Soldat:innen Mörder:innen. Viele Soldat:innen töten Mörder:innen.

                      Hinweis: Es war weder Olivenzweige noch Flugblätter, die den 8. Mai 1945 herbeigeführt haben. Und ja noch dazu: Pazifist:innen haben noch keinen KZ-Häftling befreit.

                  • @Michaela Dudley:

                    Nun kann man lange darüber diskutieren, wie weit das Selbstverteidigungsrecht einer Besatzungsmacht reicht (ein Detail, dass Sie gerne ausblenden); ohnehin legitimiert der Anspruch auf Selbstverteidigung keine Kriegsführung, die inzwischen sogar von einigen europäischen Regierungen als genozidal beschrieben wird. An israelischen Kriegsverbrechen ist Israel schuld, nicht Hamas. Ohnehin weichen Sie hier ein weiteres Mal der Frage aus: denn es ging in meinem Beitrag nicht um Israel, sondern um Deutschland und dem moralischen Maßstab, an dem sich sein Handeln ausrichten muss - und das ist in letzter Konsequenz nun einmal der Art. 1 des Grundgesetzes - und der erhebt einen universalen Anspruch, der nicht durch bundespolitische Erwägungen eingeschränkt wird.

  • Danke für den Kommentar.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Paul Meier:

      Sehr gerne.

  • Passend dazu auch der Auftritt des chinesische Regisseur Jun Li, der im Rahmen der Berlinale eine Erklärung des iranischen Schauspielers Erfan Shekarriz vorlas. Über diese beschämenden Vorfall hat der Spiegel ( www.spiegel.de/kul...-874d-573b859b48f5 ) berichtet, in der taz habe ich bis jetzt noch keinen Artikel dazu gefunden, das kommt hoffentlich noch.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Offebacher:

      Danke vielmals für die Erwähnung. Angesichts desjenigen Vorfalls, den ich in Echtzeit erlebte, fühle ich mich durchaus bestätigt.

  • Schon 469 Tage...

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @David Dür:

      Es ist besonders bedenklich, zumal die Berlinale David Cunio 2023 nicht thematisierte, obwohl er 2013 im Filmpalast gefeiert worden war.