Kommentar von Dominic Johnson zur Eskalation des Kriegs in der DR Kongo: Der Rebellenerfolg in der Demokratischen Republik Kongo zeigt: Das Land braucht eine Neuordnung
Die Demokratische Republik Kongo sollte niemandem egal sein. Das riesige Land im Herzen Afrikas beherbergt einen der drei großen Regenwälder der Erde, seine Mineralien sind unersetzliche Grundbausteine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Dass dieses Land gut regiert wird, daran hat die Welt ein vitales Interesse.
Aber Kongo wird nicht gut regiert. Seit den ersten freien Wahlen 2006 ist das von Diktatur und Krieg gebeutelte Land zwar formal eine verfassungsmäßige Demokratie. Aber in erster Linie mutierten damals Warlords zu Politikern, und die obersten 5 Prozent der 110 Millionen Einwohner monopolisieren Macht und Reichtum. Es gab noch keine Wahl ohne massive Unregelmäßigkeiten, kein einziges von allen Parteien anerkanntes Wahlergebnis. Solange die Legitimität der Institutionen infrage steht, so lange sammelt sich Opposition primär außerhalb der Institutionen. Und die Institutionen werden ihrerseits dazu missbraucht, Unrecht zu legitimieren.
Die jüngsten spektakulären Erfolge der von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) im Osten Kongos sind ein Symptom dieses Zustands, nicht seine Ursache. Rebellenführer Corneille Nangaa machte das bei seinem ersten Auftritt in der frisch eroberten Millionenstadt Goma klar: Als ehemaliger Chef von Kongos Wahlkommission verantwortet er den dreisten Wahlbetrug, der Präsident Felix Tshisekedi 2019 erstmals an die Macht brachte – jetzt sieht er sich in der Pflicht, das von ihm kreierte „Monster“ wieder zu beseitigen. Auch die Tutsi-Offiziere der M23, Objekt staatlich geschürten ethnischen Hasses, verlassen sich auf keine Verhandlungen mehr, nachdem Kongos Regierung vorherige Vereinbarungen nie einhielt.
International richtet sich jetzt massive Kritik gegen Ruanda wegen dessen Unterstützung dieser Rebellen. Aber das ist der falsche Ansatz. Ruanda – vom Völkermord an den Tutsi 1994 gezeichnet, dessen Täter dann in die DR Kongo flüchteten – wird seine Einmischung erst dann beenden können, wenn aus der DR Kongo keine existenzielle Bedrohung mehr hervorgeht.
Es muss dafür in der DR Kongo grundlegende Veränderungen geben: eine Staatsordnung nicht nur für die obersten 5 Prozent, sondern für alle. In Goma war das Staatsversagen zuletzt besonders krass: Seit 2021, schon vor dem neuen M23-Krieg, herrschte Kriegsrecht, eine Vielzahl von Milizen hielt permanentes Chaos am Leben. Der Sieg der M23 könnte nun Vorteile bringen: Die Millionenstadt ist nicht mehr belagert, der Austausch mit dem ländlichen Umland kann wieder in Gang kommen, Vertriebene können in ihre Dörfer zurück. Das wäre ein Fortschritt.
Die Rebellen müssen jetzt beweisen, dass sie das wollen und können. Und der Rest der Welt müsste dann aber auch anerkennen, dass die sture Forderung nach einem Rückzug Ruandas und der M23 nur wieder ins Chaos führt. Die DR Kongo braucht einen Weg nach vorn. Wie ihre Neuordnung aussieht – das können allein die Kongolesen selbst definieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen