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Trump 2.0Gefährliche Mythen

Gastkommentar von Armin Ghassim

Mit Trump und Musk übernehmen zwei egomanische Milliardäre die Macht. Viele Menschen jubeln ihnen zu – und verwechseln Erfolg mit Kompetenz.

Auf dem Weg, die Welt ins Chaos zu stürzen: Donald Trump Foto: Alex Brandon/AP

W ährend der vergangenen Wochen machten viele Menschen eine überraschende Erfahrung: Freunde oder Familienmitglieder, die keine rechten Ultrakapitalisten sind, zeigen Bewunderung für Donald Trump oder Elon Musk. Die banale Grundannahme: Die müssen recht haben, sonst wären sie nicht so erfolgreich. Trump, der Immobilienmogul, der schon zum zweiten Mal das höchste politische Amt der USA erobert. Musk, der exzentrische Unternehmer und Visionär des 21. Jahrhunderts. Mindestens in den nächsten vier Jahren werden die beiden entscheidend mitbestimmen, was in der Welt passiert.

Der Grund für ihren politischen Erfolg ist nicht nur, dass sie die Menschen täuschen, sondern vor allem die verzerrte menschliche Wahrnehmung. Ein psychologisches Phänomen hilft ihnen: ­fundamentale ­Attributionsfehler. Besonders in individualistischen Kulturen neigen Menschen dazu, Verhalten und Erfolg von Figuren wie Musk und Trump zu stark auf deren persönliche Fähigkeiten zurückzuführen, und übersehen dabei strukturelle Faktoren, Zufälle und erhebliche Fehler. Diese gilt es offenzulegen, um den Mythos zu entzaubern. Beginnen wir mit Trump. Sein Image als self-made man ist eine Illusion.

Bereits in den 1970er Jahren profitierte er massiv vom Vermögen seines Vaters, der ihn mit Darlehen in Millionenhöhe unterstützte. Doch selbst mit diesem finanziellen Polster scheiterte Trump mehrfach spektakulär: Die Eröffnung des Taj Mahal Casinos 1990 endete in einem der größten Konkursfälle der US-Geschichte, der von Trumps schlechtem Management geprägt war. Seine Universitätsgründung („Trump University“) stellte sich später als Betrug heraus und führte zu Millionenentschädigungen für davon betroffene Teilnehmer. Viele seiner Erfolge lassen sich weniger durch Genialität als durch eine gezielte Ausnutzung rechtlicher Schlupflöcher erklären: Durch Steuervermeidung und Scheininsolvenzen verschaffte er sich immer wieder Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit. Medien machten ihn zur Marke, und Banken stuften ihn trotz aller Insolvenzen immer wieder als kreditwürdig ein.

In individualistischen Kulturen neigen Menschen dazu, Verhalten und Erfolg stark auf Fähigkeiten zurückzuführen

Ähnlich verhält es sich bei Musk. Seine Fans verklären ihn als „Erfinder“ von Tesla oder PayPal. Aber: Musk war nicht der Tesla-Gründer, sondern kaufte sich in das Unternehmen ein und schaffte es, die tatsächlichen Gründer aus der Geschichte zu verdrängen. Auch PayPal gründete er nicht. Aufgrund seines schlechten Führungsstils und strategischer Differenzen wurde er sogar frühzeitig aus der Leitung des Unternehmens entfernt, beim Verkauf aber mit etwa 165 Millionen Dollar beteiligt.

Toxische Unternehmenskultur

Zudem wäre Tesla ohne Milliarden an staatlichen Subventionen kaum überlebensfähig gewesen. Musk nutzt also Ressourcen der Allgemeinheit, wenn er sie braucht, will sie aber streichen, wenn andere sie brauchen. Auch seine Managementmethoden stehen kaum für Innovation: Ehemalige Mitarbeiter berichten von chaotischen Arbeitsbedingungen und einer toxischen Unternehmenskultur, die häufig auf Musks impulsiven Entscheidungen und seinem unübersehbaren Narzissmus basieren.

Ihren Erfolg benutzen beide gerne als Totschlagargument für ihre Kompetenz. Sie selbst glauben wohl tatsächlich an ihre Genialität. Und genügend andere auch, besonders in kapitalistischen Gesellschaften, wo Geld die zentrale Währung für Kompetenz und Erfolg ist. Der Rückschluss vom Erfolg auf die Persönlichkeit ist eine ganz menschliche gedankliche Abkürzung, denn um mögliche externe Faktoren zu berücksichtigen, müsste man Zeit für genauere Recherchen aufwenden. Ebenso wie Trump tut Musk alles dafür, sich als „Selfmade-Milliardär“ darzustellen.

Doch diese Darstellung unterschlägt, dass er von Beginn an von massiven Privilegien profitierte. Musk wuchs in einer wohlhabenden, weißen Familie in Südafrika auf, laut seinem Vater quoll der Safe der Familie buchstäblich vor Geld über. Ein Bestandteil des Reichtums der Familie Musk war eine Smaragdmine in Sambia. Edelsteinminen sind ein Sinnbild (neo)kolonialer Ausbeutung. Während schwarze Afrikaner dort für Hungerlöhne schuften und teilweise ihr Leben riskieren, tüten Weiße wie die Musks die Profite ein.

Musk, der heute nach eigenen Angaben die Welt retten möchte, setzte sich während der Apartheid nicht gegen das rassistische Regime ein, das seine Privilegien ermöglichte. Zwar verließ er Südafrika im Alter von 17 Jahren, um dem obligatorischen Militärdienst zu entgehen – einer Institution, die zur Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung diente –, doch dies war eine pragmatische Entscheidung, kein politisches Statement.

Alte Privilegien schützen

Die eigentliche Frage ist also: Warum sollte ihr eigener wirtschaftlicher Erfolg ein Indikator dafür sein, dass sie das Leben „normaler“ Menschen verbessern wollen? Trump denkt vor allem an sich, Musks Traumwelt ist eine menschenfeindliche Tech­utopie (oder -dystopie). Gesellschaftspolitisch verfolgen beide eine rückwärtsgewandte Agenda – und das ist offenbar das, was viele Menschen wollen: alte Privilegien schützen.

Trump verfolgte bereits während seiner ersten Amtszeit eine Politik, die weiße Rassisten stärkte. Musk inszenierte sich lange als liberaler bis unpolitischer Pragmatiker. Doch in den vergangenen Jahren bekundete er immer offener seine Unterstützung für rechte bis rechtsextreme Bewegungen. Beide Männer nutzen ihre Reichweite, um Narrative zu stärken, die weiße Privilegien zementieren. Musk und Trump sind Repräsentanten einer politischen Bewegung, die das Zurückschwingen des gesellschaftlichen Pendels vorantreibt: weg von Diversität, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, hin zum Recht des Stärkeren.

2016 hielten die führenden amerikanischen Unternehmen Trump noch für einen politischen Unfall. Jetzt scheinen sie ihn als Vertreter des „neuen“ Zeitgeistes zu sehen. Trump frohlockte schon im Dezember: „In der ersten Amtszeit haben alle gegen mich gekämpft. Jetzt will jeder mein Freund sein.“

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14 Kommentare

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  • Liggers … und in DA VOS wehtut!



    Sehen wir uns wieder •

    Joseph Vogl - klärt auf - auch für tazler - binnen



    as buten! Newahr



    “…Der Souveränitätseffekt …zeichnet Vogl die Genealogie der kapitalistischen Moderne mitsamt ihren Akteuren und Institutionen nach: private Financiers, Zentralbanken, Staatsgründungen. …entlarvt … – ähnlich wie Karl Marx – den liberalen Mythos einer Trennung von Politik und Ökonomie. Politische Entscheidungsmacht und modernes Finanzwesen gingen somit Hand in Hand. (hück)…bestimmt Vogl einen spezifischen entdemokratisierenden Machttypus, …. „Die Figuren seignioraler Macht sind vielmehr informell, diffus, instabil und nicht in eine konzise Systemgestalt übersetzbar. Man könnte hier von einer offenen und konstellativen Verdichtung, Fusion und Interaktion von Kräften unterschiedlicher Herkunft sprechen, deren Wirksamkeit gerade in der Schwäche institutioneller oder systemischer Prägung besteht.“…zeigt die Entwicklung der kapitalistischen Finanzökonomie auf und offenbart deutlich, dass wir nicht in Demokratien leben, sondern in oligarchischen Systemen globalkapitalistischer Profitmaximierung, die von politischen und ökonomischen Eliten regiert werden.…“

    Normal

  • Das muss allen, die sich 'Demokraten' nennen, zu denken geben, dass erst ein Despot an die Macht kommen, damit sich Dinge wie im Nahen Osten, wo Netanyahu und die Siedler schon längst an die Kandarre genommen werden müssen oder -möglicherweise- in der Ukraine bewegen. Wo sind denn hierzulande überzeugende Damen und Herren, die diese Gesellschaft in der Problembewältigung der Klimakatastrophe (mit zu viel und CO²-verbrauchender Mobilität, einer Landwirtschaft, die zu viel Gülle produziert und die Umwelt vergiftet, nur damit die Lohnkosten der Multis nicht zu hoch werden müssen), in der Bildung oder der Schaffung von genügend Wohnraum zusammenbringt? Und aus den sich bildungsnah wähnenden Gruppen, der Wissenschaft -Juristen, Ökonomen, Naturwissenschaftler- findet sich keine Opposition gegen diese Kleinkrämer in den Altparteien, die das Land und die Bündnisse an die Wand fahren. Haben uns die asozialen Medien, früher Bild und Springer, heute die mit Werbung finanzierten Privatsender, begleitet von X, Tiktok & Co schon soweit in Griff, dass wir nur noch Ellenbogen ausfahren und Volksverhetzung gegenüber den Ärmsten z.B. von Merz, Söder & Co akzeptieren und damit eine AfD füttern?

  • Ich glaube nicht unbedingt, dass die Faszination, die manche verspüren, unbedingt über die Unterstellung von Kompetenz geht.



    Vermutlich sind viele einfach durch den Glamour der (Geld-)Macht betört.

  • Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.



    Wird leider auch hier bei der nächsten Wahl zu sehen sein....

  • Und einen Staat zu führen ist nochmal etwas anderes als ein Unternehmen.

  • Spannend. Ich hab zum Glück ein gebildetes Umfeld um mich. Solche Plattitüden „er muss gut sein, da er erfolgreich ist“ habe ich noch nie gehört. Mein Umfeld würde ich nicht als links bezeichnen, viel FDP, etwas Union und Grün.

  • Juhu, morgen ist Frieden in der Ukraine



    Trump hat es genau so versprochen, nun soll er es auch beweisen, der Schwätzer.

  • Musk ist genau so ein Visionär wie jedes 5-jährige Kind, nur mit unbeschränkten Mitteln.

  • Ja, wunderbare Zusammenstellung und Beurteilung, aber ein entscheidender Faktor ist die zum Teil völlige politische Ahnungslosigkeit der Bevölkerung, der man ein X für ein U vormachen kann. Als Alice Weidel z.B. sich im Gespräch mit Blome als libertäre Konservative darstellte, da hätten ganz viele AFD-Wähler eigentlich abspringen müssen, denn die wollen den starken rechtsnationalen Staat. Libertäre wollen ihn abschaffen und die Macht in die Hände der Unternehmen legen, so wie Musk. Aber wer von denen versteht überhaupt, was das bedeuten würde.

  • Ich lehne Trump und Musk beide ab - ebenso wie diese sehr gewollte Darstellung im Text.

  • Armin Ghassim verwechselt auch etwas: Nicht die Streber (Kompetenz) beherrschen den Schulhof, sondern die Bullies und ihre Schläger (Macht).



    Haben wir denn "kompetente" Führung in Politik und Wirtschaft?



    Oder wird VW nicht doch von einem Familienclan beherrscht? War es nicht ein Herr Piech, der den Konzern auf China fixierte. Wurde nicht gerne und weit öfter über die Machtspiele im Konzern geschrieben, als über die Risiken der Strategie?



    Und wem gehören unsere Lebensmittel- und Drogerieketten? Sind das nicht auch Milliardarsfamilien? Und gilt nicht auch für sie die Wahrnehmung : wenn sie so reich sind, müssen sie wohl kompetent sein! Kompetent worin?



    Doch wohl eher im Sammeln und Absichern von Macht.



    Aber bestimmt hatten wir die kompetentesten Wirtschaftsminister, KanzlerInnen und Verkehrs und Finanzminister... Merkel, Bangemann, Schäuble, Lindner, Scheuer, Dobrindt... Etc. Und dann unsere 17 BildungsministerInnen : Titanen der Kompetenz.

  • Herzlichen Dank, Armin Ghassim, für diese gute Zusammenfassung. Ich glaube nur, dass auch Kategorien wie "Kompetenz" (worauf sich Arbeitgeber und Betriebsräte verständigen) oder "Management by Objectives" keinerlei Ausweg aus dem real existierenden libertär-identitären Tech-Kapitalismus und seinem Raubbau an Menschen, Planet, Universum bieten. Kompetenzmuster sind eben tech-generiert, man hat auch in den anonymisierten Bewerbungsverfahren einer pseudo-objektiven KI zugearbeitet. Wenn Wähler*innen mit Augmented-Reality-Brille (by Meta-X+SAP?) die Kompetenzwerte ihrer "demokratischen" Kollektivinkarnation ("Repräsentant*innen“) ermitteln und diese in ein Assessment-Center (META-Dschungelcamp) schicken, wo sich nach "objektiv" ermittelten Kompetenzkriterien "der Beste", "der Stärkste", "der Klügste" (bewusst "generisches Maskulinum") durchsetzt: Dann ändert sich nur die Benutzeroberfläche, Masterminds reproduzieren sich selbst und nennen es KI, wenn Drohnen "die Bösen" erledigen und neuen Kompetenz-Benkos die Türen zu schönen Liegenschaften im Real- und Metaverse öffnen.

  • Willkommen im Technofeudalismus.

  • Naja, klar, trump ist nur die äußerste Konsequenz eines kapitalistischen Weltbildes. Da wird die Welt in Gewinner und Verlierer eingeteilt. Die Gewinner sind privilegiert und die Verlierer selbst schuld.



    Den Sozialstaat zu fördern wird hier auch nicht bejubelt.