piwik no script img

Bankkarten für GeflüchteteBezahlkarte – rassistisch oder smart?

In Hessen und Baden-Württemberg werden Bankkarten für Geflüchtete ausgegeben. Flüchtlingsinitiativen kritisieren das Bargeldlimit.

In der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen wurden die Bezahlkarten bereits verteilt Foto: Michael Matthey/dpa

FRANKFURT/KARLSRUHE taz | Zum neuen Jahr führen mehrere Bundesländer die umstrittene Bezahlkarte für Geflüchtete ein, darunter Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Sachsen. Etwas früher dran sind Baden-Württemberg und Hessen, wo die Bezahlkarte bereits seit Dezember ausgegeben wird. In Hessen erfolgt die Verteilung seit vergangener Woche in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes an Asylsuchende, im Anschluss soll die Karte flächendeckend in den Kommunen eingeführt werden.

Mit der Einführung der Bezahlkarte habe die schwarz-rote Landesregierung Wort gehalten und trotz eines Rechtsstreits und einer daraus resultierenden Verzögerung im Vergabeverfahren noch in diesem Jahr in Hessen umgesetzt, erklärte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Auf eine bundesweite Bezahlkarte hatten sich die Länder bereits im November 2023 geeinigt, die Einführung hatte sich zuletzt mehrfach verschoben.

Die Bezahlkarte sei ein zentrales Instrument zur Begrenzung irregulärer Migration, so Rhein. Gleichzeitig werde damit auch das Geschäft der Schlepper bekämpft. „So wird sichergestellt, dass die Leistungen dem Zweck dienen, für den sie gedacht sind, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts der Empfängerinnen und Empfänger in Deutschland“, so Rhein.

Hessens Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) hob hervor, dass man auch beim Thema Diskriminierungsfreiheit Wort gehalten habe: Die Karte sei im Design vollkommen neutral gehalten und sehe aus wie eine gängige Kredit- oder Bankkarte, „sodass Nutzerinnen und Nutzer nicht stigmatisiert werden“.

Frankfurter Bündnis bietet Bargeldtausch an

Doch nicht alle teilen diese Einschätzung. Das hessenweite Bündnis „Frankfurt sagt Nein zur Bezahlkarte“ übt scharfe Kritik. „Die Bezahlkarte ist ein weiterer Baustein einer rassistischen und menschenverachtenden Asyl- und Geflüchtetenpolitik“, erklärte die Sprecherin des Bündnisses, Johanna Stoll. Die Karte sei Teil rechtspopulistischer Symbolpolitik, die das Leben von Geflüchteten in Deutschland weiter erschweren solle.

Das Bündnis kündigte außerdem die Einrichtung von Wechselstuben in Frankfurt am Main an. Dort können Asylsuchende Einkaufsgutscheine, die sie etwa in Supermärkten oder Drogerien mit der Bezahlkarte erwerben, gegen Bargeld eintauschen. Ähnliche Tauschaktionen gibt es bereits in zahlreichen Städten, darunter Erfurt, Hamburg, Nürnberg und München.

Auch in Baden-Württemberg wird die Bezahlkarte bereits schrittweise verteilt. Der zuständige Staatssekretär im Justizministerium Siegfried Lorek (CDU) hat die ersten Karten höchstselbst in einer Erstaufnahme im Landkreis Karlsruhe an Geflüchtete ausgegeben.

Einzelne Kreise im Südwesten hatten schon vorher eine Debitkarte für Geflüchtete eingeführt und das vor allem mit dem Verwaltungsaufwand begründet. Der Landkreis Ortenau beispielsweise gibt seit Anfang 2024 an alle Asylsuchenden ohne eigenes Konto eine „Socialcard“ aus. Die Karte hat im Kreis kein Bargeldlimit, Überweisungen sind damit allerdings nicht möglich. Der Landkreis habe mit den Karten durchweg positive Erfahrungen gemacht, erklärt ein Sprecher des Landratsamts.

Flüchtlingshilfe kritisiert neue Karte

Dies bestätigt auch die regionale Flüchtlingshilfe: Die „Socialcard“ habe sich trotz anfänglicher Skepsis als praktikable Lösung erwiesen, sagt Heribert Schramm, Koordinator der Flüchtlingshilfe Rebland. Bei der neu eingeführten Bezahlkarte sieht er vor allem die Beschränkung beim Abheben auf 50 Euro kritisch. Sie sei schädliche Symbolpolitik und behindere die Integrationsarbeit massiv.

Die ersten Urteile von Sozialgerichten wie etwa in Hamburg haben Baden-Württemberg dazu veranlasst, das Bargeldlimit in besonderen Fällen auf Antrag des Geflüchteten zu erhöhen. Laut Staatssekretär Lorek ist die mit einem formlosen Antrag bei der Ausländerbehörde möglich. Die Flüchtlingshilfen fürchten dagegen, dass diese Regelung zu unnötigem bürokratischem Aufwand führt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Die Bezahlkarte verstößt m.E. gegen das Grundgesetz und ich finde sie ungeheuerlich. Nicht nur, dass sie wohl gegen den Datenschutz verstößt. Man kann mit ihr auch nötige Überweisungen nicht tätigen, keine billigen Interneteinkäufe oder Flomarktkäufe machen, und auch viele Geschäfte (z.B. Halal-Geschäfte) nehmen sie meines Wissens nicht an.



    Ich kann nur jeden auffordern, die Initativen, die es dazu gibt, um den Geflüchteten auch mehr Bargeld zu ermöglichen zu unterstützen und so dieses menschenunwürdige Gesetz zu unterwandern.

    Die Bezahlkarte gehört abgeschafft!

  • Die Frage, ob rassistisch oder nicht, ist schon deshalb leicht zu beantworten, weil das Ding Pflicht ist. Plus das notorische Gerede aus der Politik, das im Artikel ja auch zitiert wird.

  • Dachte man wollte Verwaltungskosten einsparen? Jetzt gibt es noch einen weiteren Antrag, der bearbeitet werden muss.

  • "Bezahlkarten sind nicht rassistisch, Migration ist kein Menschenrecht, Geld anderen Menschen im Ausland überweisen ist kein Menschenrecht, es gibt kein Existenzminimum, wir brauchen mehr Zuwanderung nützlicher Leute, nicht so komische Kriminelle und Traumatisierte und immer die Männer, ich bin doch nicht rechts."

  • Die Bezahlkarte war eine der ganz wenigen positiven Veränderungen der Ampelregierung.



    ... und diese Veränderung war auch nur mit viel Mühe gegen den Widerstand der Grünen möglich.