piwik no script img

Olaf Scholz in der UkraineNicht ohne leere Hände

Bei seinem Besuch in Kyjiw sorgt Olaf Scholz mit seinem Koffer für Aufsehen. Mit Präsident Selenskyj dürfte er sich noch über mehr unterhalten haben.

Olaf Scholz besucht gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij ein Militärkrankenhaus in Kiew Foto: Presidential Press Service/ap

KYJIW taz | Die ersten Minuten des Aufenthalts von Olaf Scholz in der Ukraine stand er im Mittelpunkt: der silberne Koffer des Bundeskanzlers. „Scholz hat seinen Koffer selbst getragen“, kommentiert das Portal strana.news. Und der Telegram-Kanal Harley Quinn will herausgefunden haben, dass dieser Koffer 1.190 Euro kostet. Andere spekulieren, was der Bundeskanzler wohl in seinem Koffer mitgebracht hat. Mit leeren Händen kam Scholz am Montag jedenfalls nicht nach Kyjiw.

Scholz kündigte 650 Millionen Euro für neue Waffenlieferungen an die Ukraine an. Zum Paket gehören: Luftverteidigungssysteme vom Typ IRIS-T, Leopard-1-Panzer, Kampfdrohnen, Winterausrüstung, Handwaffen und Heizgeräte. Diese Unterstützung ist Teil des bereits im Oktober beschlossenen Hilfspakets der Bundesregierung. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich und lobte auf der Onlineplattform X, dass Deutschland der größte Unterstützer seines Landes in Europa sei.

Mit seinem Besuch, so zitieren ukrainische Medien den Bundeskanzler, wolle er ein klares Signal der Solidarität senden. „Die Ukraine kann auf uns zählen. Wir sagen, was wir tun, und wir tun, was wir sagen. Um dies erneut zu verdeutlichen, bin ich heute Nacht mit dem Zug durch ein Land gereist, das sich seit über 1.000 Tagen gegen Russlands Angriffskrieg verteidigt.“

Unmittelbar nach seiner Ankunft besuchte Scholz gemeinsam mit Selenskyj ein Krankenhaus, in dem verwundete ukrainische Soldaten behandelt werden. Anschließend legten die beiden Politiker Blumen am Gedenkplatz für die gefallenen ukrainischen Soldaten auf dem Maidan nieder.

Bewegung in Richtung Verhandlungen

Doch Scholz wird wohl kaum gekommen sein, um die neuen Waffenlieferungen zu verkünden, mutmaßt man im ukrainischen Netz. Der ukrainische Dienst von BBC geht unter Berufung auf die Bild-Zeitung davon aus, dass auch Friedensgespräche ein zentrales Thema seines Besuchs sein könnten.

In der ukrainischen Führung hatte man das Telefonat von Scholz mit Putin am 15. November mit großen Vorbehalten aufgenommen. Man sah in dem Gespräch keinen Sinn. Sicherlich dürfte dieses Telefonat auch Gegenstand der Gespräche von Scholz mit der ukrainischen Führung gewesen sein.

Es gibt Bewegung in der Frage möglicher Verhandlungen mit Russland. Präsident Selenskyj erklärte kürzlich in Interviews, unter welchen Bedingungen die Ukraine bereit wäre, über Frieden zu verhandeln. Gegenüber Sky News erklärte er, dass ein Ende der „heißen Phase des Krieges“ möglich sei, wenn die Ukraine eine Nato-Mitgliedschaft zugesichert bekäme – selbst ohne Sicherheitsgarantien für vorübergehend besetzte Gebiete. Gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo News erklärte er, dass ein Rückholen mancher besetzter Gebiete wohl nur auf diplomatischem Weg möglich sei.

Erst am Wochenende hatte der ehemalige Nato-Generalsekretär und künftige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Jens Stoltenberg, gegenüber dem Portal „Table.Briefings“ eine vorübergehende Überlassung der besetzten Gebiete an Russland zur Erreichung eines Waffenstillstandes nicht mehr ausgeschlossen. Voraussetzung wäre, dass Kyjiw für eine temporäre Abtretung von Territorien klare Sicherheitsgarantien erhielte, beispielsweise in Form einer Nato-Mitgliedschaft oder durch andere Maßnahmen zur militärischen Unterstützung der Ukraine.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj folgte im Laufe des Besuchs übrigens noch die Aufklärung in Sachen Reiseutensilien des Bundeskanzlers. Eine Journalistin fragte Scholz, was denn in dem Koffer sei. „Wie genau wollen Sie es wissen?“, fragt dieser zurück und sagte dann: „Im Wesentlichen handelt es sich um Reiseutensilien, Wäsche und was man so braucht.“ (mit dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Nicht ohne"?



    Ich höre schon den Vorwurf, dass man bei Scholz nie so genau weiß ob er ohne oder mit leeren Händen irgendwo hinreist...

    Für die Überschrift in der Taz kann man unseren Kanzler allerdings nicht verantwortlich machen.

    Da er mit der Zusage für weitere Militärunterstützung nach Kiew kam, würde ich das so interpretieren, dass er nicht mit leeren Händen in die Ukraine reiste.



    Auch weil er seinen teuren silbernen Koffer eigenhändig trug, kann wohl von leeren Händen keine Rede sein.