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Plan für Negativ-EmissionenCO2-Entnahme ganz bald, fest versprochen!

CO2 technisch wieder aus der Atmosphäre zu holen, ist noch sehr teuer. For­sche­r*in­nen haben eine Idee, wie Investitionen angeregt werden können.

Treibhausgase tragen zur Erderhitzung bei Foto: Gerd Harder/imago

Berlin taz | Um die Erde zum Ende des Jahrhunderts um weniger als 1,5 Grad zu erhitzen, müssen wir bereits ausgestoßene Treib­hausgase wieder aus der Atmosphäre holen. So sieht es Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK, und so sieht es auch der Weltklimarat in seinem Bericht zum Stand der Klimawissenschaft.

Denn sehr wahrscheinlich wird die Erde sich in den nächsten Jahren um über 1,5 Grad erhitzen. Um die Temperaturen wieder zu drücken, müssen Treibhausgase irgendwohin, wo sie nicht zur Erderhitzung beitragen: in Wäldern gebunden oder in Mooren zum Beispiel. Edenhofer sagt aber, es brauche auch neuartige Technologien, die gerade erst entwickelt werden. Mit ihnen soll zum Beispiel CO₂ aus der Luft geholt und unter der Erde gespeichert werden.

Diese CO₂-Entnahme-Technologien „müssen zur Mitte des Jahrhunderts Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernen“, sagt Edenhofer, wahrscheinlich sei die Entnahme von 5 bis 15 Milliarden Tonnen des Treibhausgases nötig. Aktuell sind die Technologien aber nicht marktreif. Das PIK und die Kreditanstalt für Wiederaufbau haben nun eine Studie vorgestellt, in der sie vorschlagen, in den europäischen Emissionshandel (ETS) sogenannte Clean-up-Zertifikate zu integrieren.

Im ETS müssen alle Unternehmen der Energiebranche und Industrie für jede Tonne ausgestoßenes CO₂ ein Zertifikat kaufen. Die Zahl dieser Zertifikate ist gedeckelt und sinkt immer weiter, bis in den späten 2030er Jahren überhaupt keine mehr ausgegeben werden. Dann dürfen diese Sektoren auch kein CO₂ mehr ausstoßen. So will die EU klimaneutral werden.

Ein glaubwürdiges Versprechen ist nötig

Diesen Mechanismus wollen sich die Au­to­r*in­nen der Studie zunutze machen. „Die Grundidee ist, dass es im ETS keine Möglichkeit gibt, auf Negativ­emissionen zu kommen. Das geht nur, wenn es jetzt ein glaubwürdiges Versprechen gibt, Geld für die CO₂-Entnahme beiseite zu legen“, sagt der Ökonom und Co-Studienautor Matthias Kalkuhl. Dieses Versprechen sollen die Clean-up-Zertifikate geben.

Sie funktionieren wie die normalen CO₂-Zertifikate, nur sind sie etwas billiger, weil sich die Unternehmen dazu verpflichten, das ausgestoßene CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt wieder aus der Atmosphäre zu holen. Dadurch schaffe man Nachfrage für CO₂-Entnahme in der Zukunft, für die die Unternehmen dann selbst verantwortlich sind.

So sollen sie dazu gebracht werden, in entsprechende Technologien zu investieren. Bricht ein Unternehmen sein Entnahme-Versprechen, wird eine vorher hinterlegte Sicherheitszahlung eingezogen, mit der dann stattdessen die CO₂-Entnahme bezahlt werden kann.

Co-Autor Kalkuhl gibt zu, dass die Vorschläge noch sehr theoretisch sind. Aber „die Alternative ist, dass die Regierungen die CO2-Entnahme selbst subventionieren. Dafür ist Geld nötig und jeder Sektor wird Forderungen anmelden und lobbyieren. Da ist der Emissionshandel neutraler.“ In jedem Fall müssten die Regierungen die CO2-Entnahme-Technologie auch von sich aus fördern, so die Studienautor*innen.

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18 Kommentare

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  • CO2 aus der Atmosphäre? Wenn man sich die Energiebilanzen ansieht, geht das erst dann, wenn wir uns den Fusionsreaktor als Heizung in den Keller stellen können. Und dann brauchen wir das nicht mehr - weil wir nichts mehr verbrennen.



    Sinnvoll wird es vielleicht dort, wo CO2 entsteht. Also am Auspuff des Autos, des Kraftwerkes oder Chemiewerkes.



    Alles andere scheint mir eine simple Verzögerungsstrategie.

  • Den CO2-Preis pro Tonne jeweils auf die Summe festlegen, die es kostet, eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre zu holen und zu speichern. Fertig.

  • Die wirksamste CO2-Entnahme wäre es immer noch, alle (!) Moore sofort wiederzuvernässen und überall, wo möglich standortheimische Bäume zu säen, im Falle Deutschlands also vor allem mit Bucheckern. Zudem sollte der Holzeinschlag so weit wie möglich vermieden werden, also vor allem der Holzexport und die Brennholzgewinnung eingestellt werden.



    Das Geld dafür hat der Staat grundsätzlich immer, denn jede Staatsausgabe stellt technisch gesehen eine Geldschöpfung dar.

    • @Wolfgang Amadeus:

      Würde Deutschland Moore wieder vernässen würde das mit CO2, Überflutungen und Wassermangel helfen. Aber davon profitiert halt niemand. Lösungen brauchen in der Politik direkte finanzielle Profiteure, sonst kommt da nix.

      • @Machiavelli:

        Naja, eben durch staatliches Geld. Die Landwirte, denen die trockenen Moore gehören, z.B. könnten eine lebenslange Rente in Höhe des geschätzten zu erwartenden Gewinnausfalls erhalten.

  • "In jedem Fall müssten die Regierungen die CO2-Entnahme-Technologie auch von sich aus fördern, so die Studienautor*innen."



    Noch ein Milliardengrab.



    Es gibt eine seit Millionen von Jahren bewährte CO2-Entnahmetechnologie: Photosynthese. Die würde nicht wie CCS nur Kosten und Energieverbrauch verursachen, die könnte ja - oh Schreck! - sogar Energie und Rohstoffe liefern, und was das Schlimmste ist, sogar wirtschaftlich sein. Geht also garnicht.

    • @sollndas:

      Klappt nicht, da jetzt schon mehr Bäume gefällt und verbrannt werden, als nachwachsen.



      Und "Energiepflanzen" wie z.B. Chinagras stehen indirekter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.



      Hinzu kommt der sehr schlechte Wirkungsgrad der Photosynthese von 1 - 2 %. Wenn man da gentechnisch nachhelfen könnte, würde es möglicherweise doch etwas. So weit ist die Forschung aber (noch) nicht.

  • Thermodynamik sagt NEIN.

    Klar kann C aus der Luft holen, aber die nötige Energiemenge ist größer als die bei der Verbrennung freigesetzte. Statt C jetzt einfach C02 einzulagern ist eine Option, senkt aber den Sauerstoffanteil in der Luft. Das effizienteste Verfahren ist Photosynthese ("Bäume"), allerdings muss man dann die Pflanzen unterirdisch endlagern, verbauchen ist nicht drin.

    Jede Zertifikat-wir-machen-das-später-Lösung ist nur eine einfache Methode, um naturwissenschaftlich ungebildete Menschen zu verkohlen. Klappt ja auch mit E-Fuel, Wasserstoff zum Heizen, elektrischen Flugtaxis. Der Angriff Steiners wird das schon richten!

    • @DarkHomer:

      Man kann auch erst mal Holzhäuser bauen. Nur Verbrennen und Verrotten muss unterbunden werden.

    • @DarkHomer:

      „allerdings muss man dann die Pflanzen unterirdisch endlagern," Klar. Ordentlich Kohle machen. Hat geologisch schon mal im großen Stil funktioniert.

  • Klingt daa nur für mich so als könne man damit die CO2-Zertifikate umgehen?

  • Im Artikel steht: "Denn sehr wahrscheinlich wird die Erde sich in den nächsten Jahren um über 1,5 Grad erhitzen."

    Über 1,5 Grad werden dieses Jahr doch schon erreicht. Dazu gab es bei euch auch einen Artikel.

  • Gemäß thermodynamischer Berechnungen erfordert die C02-Abscheidung (+" Endlagerung") aus der Atmosphäre ein merhfaches an Energie als durch die Verbrennung erzeugt wurde. Bei solchen Konzepten ist "wirtschaftlich" nur sinnvoll auf das Verbrennen zu verzichten oder, als minderschlechtere Lösung, das CO2 direkt am Verbrennungsort abzufangen.



    Da stellt sich die Frage, was diese "Institute" überhaupt beabsichtigen....



    Das CO2 aus der Atmosphäre zu fischen wäre nur durch das Ewigkeitsendlagern von nachwachsenden Wäldern realistisch, praktisch das Wiederanlegen von "Kohlelagern".

    • @ton.reg:

      Verdient da jemand an den CCS-Firmen? Edenhofer wirkt wie ein Scherge des "Weiter so".

      Ich plädiere für "aufs Verbrennen verzichten".

      Kohlelager klingt gruselig. Bäume sind auch Leute.

    • @ton.reg:

      Das Ewigkeitsendlager "Wald" ist denkbar simpel. Absterbende Biomasse lagert sich zu ca 50% in den Boden ein und wird zu Humus.



      Lässt man den Wald in Ruhe, wächst der Waldboden in die Höhe.



      Ernten und Verbrennen ist natürlich nicht erlaubt.

      • @Jörg Schubert:

        Die Kohlenstoffspeicherung von Wäldern wurde im Rahmen der "missing sink" Untersuchungen (CO2 ist weniger angestiegen als vorhergesagt) genauer erforscht. Dabei wurden unterschiedliche Waldtypen identifiziert.



        a) Regenwälder sind sog. Kurzschlussökologien, Biomasse wird zügig wieder verwertet, keine Humusbildung. Nährstoffmangel duch Auswaschungen erzeugt die spezialisierte Artenvielfalt.



        b) Wälder der Gemäßigten Zonen bilden zwar temporäre Humusschichten, welche aber von z.B. von Bodenorganismen wieder verstoffwechselt werden. Es stellt sich ein Lagergleichgewicht ein (Graben Sie mal ein Loch in einen Waldboden, da sind keine paar Meter "Torf". Das machen hier Moore)



        c) Wälder in Permafrostbereichen sind tatsächlich die einzigen kumulierende Bodenspeicher. Sind aber eher im Schwinden begriffen.

        Nein, man müsste das Holz tatsächlich endlagern. Und für signifikante Effekte müssten große Waldflächen umgesetzt werden.

  • Das Thema hat nur die Funktion, die Probleme nicht jetzt anzugehen. Es wird sich der Illusion hingegeben, dass hinterher noch was zu drehen ist. Das ist gefährlicher Unsinn! Dazu ein klarsichtiger Artikel von den Kollegen: www.nd-aktuell.de/...tige-illusion.html

    • @PauKr:

      Sehr guter Artikel. Aber viel zu lang und kompliziert für "Otto normal".



      Es reicht die Aussage, dass für CO2 - Entnahme aus der Atmosphäre etwa sechs mal so viel Energie gebraucht wird, wie bei der Emission frei wurde.



      Das reicht schon, um schwachsinnige Vorschläge zu erkennen...