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Kritik auch von innen

Abgeordnete streiten über Antisemitismus-Resolution

Von Baha Kirlidokme

Kurz bevor der Bundestag am Donnerstag die umstrittene Antisemitismus-Resolution verabschieden will, kracht es. Die Unionsfraktion forderte in einem Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), ihre Vizepräsidentin Aydan Özoğuz möge am Tag der Abstimmung nicht das Plenum leiten. Vergangene Woche hatten Unionsabgeordnete gar ihren Rücktritt gefordert.

Die SPD-Politikerin hatte Mitte Oktober einen Zionismus-kritischen Post der Organisation Jewish Voices for Peace in ihrer Instagram-Story geteilt. Özoğuz hatte sich dafür entschuldigt. Sie habe auf das zivile Leid beider Seiten aufmerksam machen wollen. Auf taz-Anfrage heißt es zudem aus ihrem Büro, der Sitzungsplan habe von Anfang an Bärbel Bas als Sitzungsleiterin vorgesehen.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist die Zahl der antisemitischen Übergriffe gestiegen. Die Bundestagsresolution hat das Ziel, jüdisches Leben in Deutschland besser zu schützen. So fordert die Resolution etwa, dass keine staatlichen Gelder an Organisationen gehen dürfen, die Antisemitismus verbreiten. Was dabei antisemitisch ist, dafür soll die sogenannte IHRA-Definition maßgeblich sein. Diese wird von Regierungen weltweit verwendet, ist aber umstritten, weil sie Antisemitismus weit fasst. Kri­ti­ke­r:in­nen fürchten, dass sie so ausgelegt werden kann, dass darunter auch legitime Kritik an Israels Regierung falle.

Auch aus der Koalition selbst gibt es laute Kritik an der Resolution. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram teilte mit, dass sie gegen den Antrag stimmen werde. Er ignoriere „die Debatte, in der Jurist*innen, jüdische Intellektuelle, israelische Menschenrechtsorganisationen, Kulturschaffende & Wis­sen­schaft­le­r*in­nen aufgezeigt haben, welche Probleme“ durch die Verabschiedung der Resolution entstehen würden. Sie widerspreche wissenschaftlichen Standards. Das bestärkten am Mittwoch Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in der Bundespressekonferenz.

Ablehnende Stimmen gibt es auch aus der SPD-Fraktion. Sowohl Isabel Cadematori als auch Nina Scheer forderten eine Überarbeitung der Resolution. Cadematori wandte sich mit einem Schreiben an die Fraktionsspitze. Darin heißt es: „Da der Antragstext bis letzten Freitag geheim verhandelt worden ist und bis Sonntag der gesamten Fraktion nicht vorgelegt wurde, konnte eine notwendige kritische Debatte nicht stattfinden.“ Scheer erklärte, die Resolution enthalte Aussagen, die sie „sowohl in rechtlicher als auch politischer Hinsicht für falsch“ halte.

Auch die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin kritisierte die Resolution. In einem Brief an die Fraktionsspitze warb sie dafür, gegen die Resolution zu stimmen.

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