Antritt bei der Bundestagswahl: Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang wird CDU-Kandidat
Seit sechs Jahren führt er den Verfassungsschutz an, warnt vor rechtsextremen Gefahren. Nun will Thomas Haldenwang für die CDU in den Bundestag.
![Thomas Haldenwang kneift Augen im Sonnenlicht zusammen Thomas Haldenwang kneift Augen im Sonnenlicht zusammen](https://taz.de/picture/7350863/14/36952164-1.jpeg)
Nun ist es keine Zukunftsmusik mehr: Haldenwang, seit sechs Jahren Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, wird in wenigen Tagen abtreten – und dann für die Wuppertaler CDU für den Bundestag kandidieren. Das bestätigte CDU-Kreischef Johannes Slawik der taz. Haldenwang habe sich mit Nachdruck für die Demokratie eingesetzt, sei ein ausgewiesener Sicherheitsexperte und in Berlin bestens vernetzt, frohlockte er. Zugleich sei er als langjähriger Wuppertaler bodenständig geblieben.
Tatsächlich ist der Protestant seit Geburt Wuppertaler, lebt im grünen Osten der Stadt. Und er ist langjähriges CDU-Mitglied. Slawik sagte, die Entscheidung sei kurzfristig gefallen, nach einem längeren Gespräch mit Haldenwang. Tatsächlich gab es bereits eine andere CDU-Anwärterin für die Kandidatur, die nun zurückstecken muss.
Haldenwang äußerte sich zunächst nicht selbst. In direkten Gesprächen kritisierte er aber zuletzt auch die Ampel, forderte eine bessere Regierungspolitik ein. Die kennt er seit 1991: Damals fing er als Referent im Bundesinnenministerium an, wechselte 2009 zum Verfassungsschutz. Seine Ernennung als Amtspräsident erfolgte noch unter CSU-Mann Horst Seehofer.
Nun informierte Haldenwang Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über seinen Rückzug. Schon zuletzt hatte er recht offen angedeutet, dass er demnächst aus dem Amt scheiden würde, dafür wurden gesundheitliche Gründe angeführt. Dass er nun für den Bundestag kandidiert, ist außerhalb der Wuppertaler CDU für viele eine Überraschung.
Feindbild in der rechtsextremen Szene
Im Verfassungsschutz war Haldenwang ein kleines Kunststück gelungen. Nach dem NSU-Desaster und der Amtszeit seines nach rechts außen abgedrifteten Vorgängers Hans-Georg Maaßen war der Ruf des Amts ruiniert. Haldenwang, zuvor Vizepräsident, schlug einen anderen Ton an. Er erklärte den Rechtsextremismus zur größten Gefahr für die hiesige Demokratie, sprach von einem Versagen seines Amts beim NSU.
Dann nahm er sich die immer weiter radikalisierte AfD vor, stufte sie erst als rechtsextremen Prüffall, dann als Verdachtsfall ein – und bekam damit vor Gericht recht. Das Umfeld der Partei – die Identitären oder das Institut für Staatspolitik – gilt inzwischen als „gesichert rechtsextrem“. Zugleich warnte Haldenwang, dass sein Amt auch in den anderen Extremismusfeldern „unter Volllast“ fahre, dass der Nahost- und Ukrainekrieg „mit voller Wucht“ auch die deutsche Sicherheitslage treffe.
Im politischen Berlin verschaffte Haldenwang sich und seinem Amt damit wieder Standing. Der Jurist habe das Amt umsichtig geführt und in Zeiten verschärfter Bedrohungslagen erfolgreiche Arbeit geleistet, hieß es am Dienstag in Regierungskreisen.
In der rechtsextremen Szene avancierte Haldenwang dagegen zum Feindbild. Haldenwangs Bundestagskandidatur ließ AfD-Chefin Alice Weidel entsprechend über „Parteifilz und staatsnahe Institutionen“ ätzen. Noch vor Jahresende wollte Haldenwang verkünden, ob die AfD bundesweit als „gesichert rechtsextrem“ hochgestuft wird. Das wird nun vorerst nicht geschehen, auch weil die Entscheidung zu nah an die Bundestagsneuwahl heranrückt.
Den Wahlkreis holte zuletzt die SPD
Wer Haldenwang nachfolgt, ist offen. Infrage kommen seine zwei Stellvertreter, Silke Willems und Sinan Selen – die das Amt nun kommissarisch führen werden. Gehandelt wurde auch die frühere Vizepräsidentin Felor Badenberg. Die aber verabschiedete sich zuletzt nach Berlin, ist dort nun für die CDU Justizsenatorin. Offen ist auch, ob Faeser die Nachfolgeentscheidung noch selbst trifft – oder dem oder der neuen Bundesinnenminister*in überlässt.
Unklar ist auch, ob ein Bundestagseinzug für Haldenwang überhaupt klappt: Zuletzt gewann den Wahlkreis der Sozialdemokrat Helge Lindh. In der CDU gibt man sich aber angesichts des Bundestrends für die eigene Partei sehr zuversichtlich. Lindh dagegen sagte der taz, er sei „fest gewillt“, den Wahlkreis zu verteidigen. „Ich habe sehr viel für Wuppertal erreicht, war permanent vor Ort. Herr Haldenwang ist ein guter Verfassungsschutzpräsident. Aber das heißt nicht, dass er auch ein guter Wahlkreisabgeordneter wäre.“
Falls es für Haldenwang tatsächlich nicht klappt mit dem Mandat, hätte er immerhin Zeit, mal wieder seinen Hobbys nachzugehen: Opernbesuche, Tanztheater, Motorradfahren.
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