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Biodiversitäts-COP in Cali startetNach den Zielen ist vor den Maßnahmen

In sechs Jahren sollen 30 Prozent der Erde unter Naturschutz stehen. Die Biodiversitäts-COP in Cali verhandelt ab Montag, wie das gehen soll.

Ausstellung über bedrohte Tierarten in der grünen Zone, einen Tag vor Beginn der 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16) Foto: Fernando Vergara/AP/dpa

BERLIN taz | Ab Montag soll es konkret werden in Kolumbien. Zwei Wochen lang verhandeln die 196 Vertragsstaaten der UN-Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) darüber, wie Gewässer sauber, Böden fruchtbar und Wälder gesund bleiben oder wieder werden können. Sie beraten darüber, wie sie die Ziele, die sie auf ihrem Gipfel vor zwei Jahren in Montreal beschlossen hatten, nun umsetzen. Dabei geht es auf der COP 16 (der 16. Conference of the Parties) um nichts weniger als um die Rettung unserer Lebensgrundlagen und den Stopp des Artensterbens.

Die Delegationen tagen in Cali, einer Millionenstadt im Südwesten Kolumbiens, berühmt für die vielen Vogelarten, die zum Teil nur hier leben. So haben die Verhandlungsteilnehmer gleich vor Augen, worum es geht: Lebensräume sichern, Ökosysteme schützen, und dafür sorgen, dass alle Menschen einen gerechten Zugang zum Reichtum der Natur haben.

Die Ziele sind klar und wurden von den Staaten auf der COP 15 in Montreal unter Applaus der Naturschutzszene beschlossen. Bis 2030 sollten 30 Prozent der Flächen auf dem Meer und an Land unter effektivem Naturschutz stehen; die Belastungen durch Pestizide sollten im gleichen Zeitraum halbiert und für eine ausreichende Finanzierung für Naturschutz im besonders artenreichen Globalen Süden gesorgt werden, wobei die Rechte indigener Bevölkerungen zu achten sind.

Zu diesen Zielen von Montreal sind inzwischen weitere gekommen. So hat die UN mit dem BBNJ-Abkommen einen ambitionierten Vertrag zum Schutz der Ressourcen des Meeres auf Hoher See beschlossen. Experten hoffen, dass BBNJ das Abkommen zur biologischen Vielfalt verstärkt und in Cali Maßnahmen beschlossen werden, um effektiv geschützte Gebiete vor allem im südlichen Polarmeer einzurichten.

Die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke nennt die Verhandlungen folgerichtig eine „Umsetzungs-COP“. Auf die Ziele von Montreal müsse ein „Regelwerk zur Überprüfung der Fortschritte“ folgen, so Lemke, es brauche wissenschaftlich erarbeitete, messbare Indikatoren. Besonderen Wert legt die Grünenpolitikerin darauf, die UN-Konventionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität zu verknüpfen. „Beide Krisen können nur gemeinsam gelöst werden“, sagt Lemke.

Nur wenige Staaten haben geliefert

Zu Hause verfolgt sie diesen Ansatz mit dem 3,5 Milliarden Euro schweren „Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz“. Die Mittel sollen Projekte wie die Vernässung von Mooren finanzieren oder Landwirte bei der Anschaffung bodenschonender Geräte unterstützen. Der ANK gilt in der Naturschutzszene als grandioser Erfolg der Grünen Umweltministerin in der an Erfolgen armen Ampelkoalition. Ihre Kabinettskollegen aber dazu zu bewegen, auch der Biodiversitätsstrategie zuzustimmen, gelang ihr nicht.

Dabei hatte sich Deutschland in Montreal verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren in einer solchen Strategie darzulegen, in welchen Schritten, nach welchen Kriterien und mit welchem Geld das Land etwa seine Schutzgebiete künftig einrichten und managen will. Bislang haben nur wenige der 196 Vertragsstaaten solche Aktionspläne vorgelegt. Umweltorganisationen wie der WWF fordern denn auch „mehr politischen Willen vor allem von den Industriestaaten“, um den Verlust der Arten und Ökosysteme zu stoppen und umzukehren.

Hart verhandeln werden die Staaten auch, wie künftig digitale Informationen über Erbgut genutzt werden dürfen. Mussten früher bestimmte Eigenschaften, etwa von Heilpflanzen, mühsam durch die Sequenzierung von Genmaterial der Pflanze ermittelt werden, liegen heute solche Informationen digitalisiert in Datenbanken.

Von den sogenannten Digitalen Sequenzinformationen (DSI) erhoffen sich Wis­sen­schaft­le­r:in­nen eine schnellere und effizientere Forschung, Unternehmen wittern Geschäftsmodelle. Regierungen des Globalen Südens pochen darauf, dass gerade die biologische Vielfalt ihrer Länder DSI liefert, und fordern daher einen Anteil an wissenschaftlicher Erkenntnis und Unternehmensgewinnen. Auch für DSI gilt: Während die Interessenkonflikte auf den vergangenen COPs beschrieben wurden, erhoffen sich die Beteiligten in Cali Lösungen.

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