Selbst Kiffer sind schneller

Seit einem Monat können Cannabis Social Clubs Anbaulizenzen beantragen. Doch Berlin ist das einzige Bundesland, in dem die Anträge nicht bearbeitet werden. Die Club­s wollen sich das nicht länger gefallen lassen

Von Marie Frank
und Andreas Hartmann

Im Mauerpark in Prenzlauer Berg gab es am Mittwochnachmittag ein Kiffertreffen der besonderen Art: Mehrere Vereinsvorstände von Berliner Cannabis Social Clubs kamen dort zusammen, um sich angesichts der Untätigkeit Berlins bei der Umsetzung des Cannabisgesetzes auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Die Be­trei­be­r*in­nen wollen die „Verweigerungshaltung“ von CDU und SPD in Sachen Cannabisabgabe nicht länger tatenlos hinnehmen.

Denn im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist es in Berlin auch drei Monate nach der Teillegalisierung und einen Monat nach dem Startschuss für die Social Clubs noch immer nicht möglich, eine Lizenz zu beantragen. Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand im Social Club High Ground, berichtet, wie er im vergangenen Monat mit fast allen Bezirken telefoniert hat, in der Hoffnung, dass wenigstens einer seinen Antrag annehmen würde. Freundlich, aber bestimmt habe man ihm überall eine Absage erteilt, berichtet er.

Damit ist er nicht alleine. Denn während alle anderen Bundesländer pünktlich zum 1. Juli eine Zuständigkeitsverordnung vorgelegt haben, steht diese in der Hauptstadt noch immer aus. Die Verordnung, die regelt, wer die Anträge für die Genehmigungen bearbeitet, werde derzeit noch „vorbereitet“, so ein Sprecher der Senatsgesundheitsverwaltung auf taz-Anfrage. Wann sie in Kraft treten wird, könne man noch nicht sagen. An der Umsetzung werde jedoch „intensiv gearbeitet“.

Auf die Frage, warum es in Berlin so lange dauert, verweist die Verwaltung unter Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) auf die kurze Zeitspanne seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1. April sowie Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen „Playern“. Warum das in anderen Bundesländern in demselben Zeitraum ohne Probleme möglich war und in Berlin nicht, darauf weiß man allerdings auch keine Antwort.

In absehbarer Zeit ist jedenfalls nicht mit einer Regelung zu rechnen: Selbst wenn sich die verschiedenen Senatsverwaltungen irgendwann auf eine Zuständigkeit einigen, muss die Verordnung noch dem Senat, dem Rat der Be­zirks­bür­ger­meis­te­r*in­nen und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden. Angesichts der parlamentarischen Sommerpause dürfte sie also frühestens im Herbst vorliegen.

Bis dahin seien gemäß „Auffangzuständigkeit“ die Bezirke für die Bearbeitung der Anträge zuständig, so die Senatsverwaltung. Die sehen sich mangels personeller Kapazitäten dazu aber nicht in der Lage und winken ab. „Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die sinnvollerweise zentral und in Berlin einheitlich erledigt werden sollte. So, wie es aktuell läuft, funktioniert es nicht“, sagt die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, der taz.

In Nieder­sachsen wurden bereits sieben Genehmigungen erteilt

Das bestätigt eine taz-Umfrage in den zwölf Bezirken. Ohne eine Verwaltungsvorschrift des Senats werden dort die Anträge der Cannabis Social Clubs zwar gesammelt, aber nicht bearbeitet, heißt es unisono. „Sowohl das Ordnungsamt als auch das Gesundheitsamt lehnen eine Wahrnehmung der betreffenden Aufgaben mangels fachlicher Betroffenheit/Expertise ab“, heißt es etwa aus Pankow. In Mitte erklärt man sich in Sachen Anbaulizenzen für nicht zuständig und verweist auf eine Mail-Adresse, die die Senatsgesundheitsverwaltung für Anfragen rund um das Cannabisgesetz eingerichtet hat. Auf eine Anfrage der taz gab es dort auch nach einer Woche keine Antwort.

Nur in Marzahn-Hellersdorf sieht man kein Problem: Bislang sei nur ein Antrag ein­gegangen, eine Über­lastungs­situation gebe es daher nicht, so Bezirks­stadtrat Gordon Lemm. Der SPD-Politiker hält es für sinnvoll, wenn künftig ein Bezirk für alle die Anträge bearbeiten würde. Als leuchtendes Vorbild wird der eine Antrag in Marzahn-Hellersdorf deshalb nun auch bearbeitet.

Angesichts des Behördenpingpongs haben bislang nur wenige Anbaugemeinschaften überhaupt einen Antrag gestellt. Laut taz-Bezirksabfrage sind bis Ende Juli insgesamt 15 Anträge eingegangen. Spitzenreiter ist Pankow mit 5 Anträgen, gefolgt von Steglitz-Zehlendorf mit 3 rei, in Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf sind jeweils 2 und in Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf 1 Antrag eingegangen. Alle anderen Bezirke vermeldeten keine Anfragen.

Dass die Anträge nicht bearbeitet werden, stellt die Social Clubs vor große Probleme. Denn eigentlich sollten die Anbaulizenzen nach drei Monaten vorliegen – also spätestens am 1. Oktober. Im Mauerpark berichten die Vorstände mehrerer Clubs, bereits Flächen für den Anbau von Hanfpflanzen in Aussicht zu haben, viele davon in Brandenburg. Doch die meisten zögern, schon jetzt einen Mietvertrag zu unterschreiben, da sie nicht wissen, wie lange das Durcheinander bei Senat und Bezirken anhält. Anbauflächen ungenutzt lassen können sie sich auf längere Zeit finanziell nicht leisten. Potenzielle Ver­mie­te­r*in­nen ließen sich aber auch nicht ewig hinhalten.

In anderen Bundesländern haben es die Club­be­trei­be­r*in­nen leichter, wie eine taz-Umfrage ergibt. Bis auf Nordrhein-Westfalen, wo die fünf Bezirksregierungen für die Lizenzen zuständig sind, werden die Anträge überall zentral bearbeitet. Ganz vorne mit dabei ist Nordrhein-Westfalen mit 46 Anträgen, Baden-Württemberg zählt 36, in Bayern sind es 16, in Rheinland-Pfalz 13 und in Niedersachsen 12. Alle anderen Bundesländer melden einstellige Eingänge. Insgesamt gibt es bundesweit 182 Anträge auf Anbauvereinigungen. Niedersachsen ist dabei das einzige Bundesland, das schon erste Genehmigungen erteilt hat: 7 Anträgen wurde stattgegeben, 5 abgelehnt.

Beim Smoke-in auf der Warschauer Brücke am 1. April waren die Hoffnungen auf eine baldige Freigabe noch groß Foto: Fabian Sommer/doa/picture alliance

Davon ist Berlin meilenweit entfernt. Neben dem Behördenchaos gibt es noch ein weiteres Problem: Die Vorstände der Social Clubs berichten, dass sich die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten schwierig gestaltet. Diese sollten möglichst innerstädtisch sein. Wer im Zentrum wohnt, möchte schließlich nicht für ein paar Gramm Gras jedes Mal an den Stadtrand oder gar nach Brandenburg fahren. Aber in Zentrumslage geht kaum etwas. Ein Vorstand berichtet, sich bereits bei 18 Ver­mie­te­r*in­nen Absagen eingeholt zu haben.

Auch die Sache mit der Suchtberatung geht laut den Social Clubs nicht voran. Jeder Cannabisverein braucht laut Gesetz einen geschulten Suchtberater. Doch in Berlin würden solche Schulungen derzeit überhaupt nicht angeboten.

Am Ende ihres Treffens gründen die 16 Vorstände dann eine Cannabisclub-Vereinigung. Die will nun einen Gegenschlag vorbereiten: In einer konzertierten Aktion sollen die Be­zirks­bür­ger­meis­te­r*in­nen und die Senatsverwaltung mit Anträgen geflutet werden. Sollte nach drei Monaten immer noch nichts passieren, wollen die Cannabisclubs eine Untätigkeitsklage einreichen. berlin