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Schwermetalle in TamponsWie schlimm sind sie wirklich?

In einer Studie wurden Spuren von Schwermetallen in Tampons gefunden. Sie ging viral, ist aber nicht sehr aussagekräftig.

Niedrige Mengen Blei fanden sich sogar in allen getesteten Tampons Foto: Michael Gstettenbauer/imago

„Giftige Schwermetalle in Tampons!“ Diese Schlagzeile sorgte in den letzten Tagen auch auf Social Media für Aufruhr. Augenscheinlich vereinen sich darin eine Menge gesellschaftlicher Probleme: Vernachlässigung von Frauengesundheit und Verbraucherschutz; Schadstoffe, die weltweit so verbreitet sind, dass sie an immer intimeren Ecken auftauchen. Doch was ist dran an der Studie – und der Aufregung?

Die Studie

Getestet wurden jeweils zwei Exemplare von 30 Tampons, hergestellt von 14 Marken. Auf der Suche nach Nickel, Quecksilber und anderen unangenehmen Überraschungen entnahmen die Forschenden der Universität Berkeley jedem Tampon zwei Proben – eine vom absorbierenden Teil und eine von der gewebten Außenhülle, falls vorhanden.

Zur Extraktion möglicher Schwermetallrückstände legten die For­sche­r:in­nen die Tampons über Nacht in Salpetersäure ein und erhitzten sie anschließend in einem chemischen Verfahren. So testeten sie die Präsenz von 16 Metallen. Sie verglichen die Ergebnisse mit denen einer anderen Baumwollprobe.

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Das Ergebnis zeigte geringe Rückstände von 12 der getesteten Metalle, einschließlich des toxischen Cadmiums und Arsens in diversen Tampons. Niedrige Mengen Blei fanden sich sogar in allen getesteten Tampons. Genauer gesagt: Die Forschenden wiesen 120 Nanogramm Blei pro Gramm Tampon nach – etwa halb so viel, wie der EU-weit zugelassene Wert für Blattgemüse. Der Grenzwert für Nahrungsergänzungsmittel liegt sogar bei 3.000. Hinzu kommt, dass sich geringe Werte in kleinen Proben schwer zuverlässig erheben lassen, sodass in der Studie selbst beim Vergleichsmaterial die Ergebnisse etwas schwanken.

Was bringt’s?

Erst mal Aufmerksamkeit für ein sehr wichtiges Thema. Jährlich werden rund 14 Milliarden Tampons verkauft und danach meist im Bereich einer empfindlichen Schleimhaut angewendet. Jetzt beschäftigen sich endlich erste Studien mit potenziell unerwünschten Inhaltsstoffen und der Frage, ob über Hygieneartikel wie Tampons oder Pads zum Beispiel Plastik oder Metalle in den Körper eindringen.

Gleichzeitig ist bei der Interpretation dieser Untersuchungsergebnisse Vorsicht geboten, warnen Bio­lo­g*in­nen und Behörden. Die Temperatur bei der Extraktion entspricht nicht dem Scheidenklima. Daher bleibt unklar, ob und welche Stoffe Tampons im Alltag wirklich abgeben.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Noch viel entscheidender ist die Dosis. Denn tatsächlich sind geringe Mengen an Schwermetallrückständen in unserem Alltag ohnehin unvermeidbar. Pflanzen nehmen sie beim Wachsen aus dem Boden auf, so wahrscheinlich auch die Baumwolle der Tampons. Größere Studien unter realistischeren Bedingungen müssen das Problem genauer untersuchen. Eine weitere Studie und ein Konferenzbeitrag stimmen aber hoffnungsvoll: In beiden Fällen wurden im Blut von Tampon-Nutzerinnen keine erhöhten Bleiwerte gefunden.

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2 Kommentare

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  • Natürlich ist es wichtig, solche Untersuchungen zu machen. Auch diese Produkte müssen überwacht werden.

    Die reißerische Art der Veröffentlichung der Ergebnisse fällt allerdings unter die Kategorie: "Da wollte jemand in die Zeitung". Leider ist es in der heutigen Wissenschaft, besonders bei Themen, die Aufmerksamkeit versprechen, üblich, den PR-Effekt über die wissenschaftliche Redlichkeit zu stellen.

  • Danke für den ausgewogenen Artikel.

    Vorab: gut, dass da gemessen wird. Warum so etwas nicht schon längst Teil des Qualitätsmanagements der Hersteller ist, entzieht sich meinem Verständnis.

    Auf Ihre Zwischenüberschrift "Was bringt's" sagt der Zyniker in mir: "klicks". Die Algorithmen des Überwachungskapitalismus sind kurz heissgelaufen und haben viel targeted advertising an die Frau oder den Mann gebracht.

    Der mediale Sturm war sicher Teil davon, wie immer. Wie es mit den Forscher*innen steht wissen wir nicht. Bei der heutigen neoliberalisierung von Academia ist (leider) so ziemlich alles denkbar...

    Und so wird eine der wichtigsten gesellschaftlichen Ressourcen verbraucht: Vertrauen.

    Am Ende glauben die Leute, dass Ivermectin oder gar das Trinken von Chlorbleiche Covid (das es ja nicht gibt) heilen kann.

    Und das zum Profit der Tech Bros.

    Also nochmal danke dafür, dass Sie die Debatte auf den richtigen Topf setzen!