Tiktok-Trend: Getriggert vom Talahon
Gucci-Cap, Lacoste-Shirt, Bauchtasche: Talahons feiern ihre 15 Minuten Fame. Deutsche machen den migrantisch dominierten Trend größer als er ist.
Wir alle kennen ihn. Er flaniert selbstbewusst durch deutsche Innenstädte und hängt einfach so rum. Seine Frisur sitzt, die Augenbrauen sind akkurat gezupft, eventuell mit kleinem Schnitt. Du erkennst ihn auch am Starterpack: Markenkleidung, Gucci-Cap, Lacoste-Shirt oder Trainingsanzug, Bauchtasche, Sneaker oder Adiletten mit Socken. Geht er an uns vorbei, kitzelt das übertrieben süße Parfüm noch später in der Nase. Und um seiner Unantastbarkeit Ausdruck zu verleihen, muss er kurz aber mit Präzision auf den Boden spucken. Das ist der Talahon.
Natürlich ist die Darstellung überzogen, aber jeder weiß, wer gemeint ist: Der Prototyp des migrantisch gelesenen jungen Mannes in einer deutschen Großstadt. Halbstarke auf der Suche nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Ob der junge Mann wirklich Migrationsgeschichte hat, spielt eigentlich keine Rolle. Es geht um die Haltung, die Sprache, den Lifestyle und das Bild, das transportiert wird.
Talahons feiern auf Tiktok gerade ihre 15 Minuten Fame. Früher fiel diese Erscheinung unter die Kategorie „Kanacke“. Manche sagen, dieser Begriff sei schlecht gealtert. Darüber lässt sich streiten. Wie so oft hängt es stark davon ab, wer was zu wem sagt. Bezeichnet ein Deutscher ohne Migrationsgeschichte eine migrantische Person als „Kanacke“, empfinden Betroffene das oft als rassistisch. Untereinander geht das aber bei vielen klar. Sie holen sich die Fremdbezeichnung zurück. „Kanacks“ sind ein indigenes Volk der Inselgruppe Neukaledonien im Südpazifik, die von Frankreich kolonisiert wurde. „Kanack“ heißt eigentlich nichts anderes als „Mensch“.
Talahon dagegen ist eine populäre Wortneuschöpfung, mit der sich Menschen, die sich mit diesem Image identifizieren, selbst bezeichnen. Vielleicht leitet sie sich von der arabischen Wendung „Taeal Huna“ ab, „Komm her“. In den Videos, die unter dem Hashtag „talahon“ hunderttausendfach aufgerufen werden und viral gehen, gestikulieren junge Männer mit einladenden oder provokanten Gesten, dann mit Boxbewegungen. Dabei läuft der Song „Ta3al Lahon“ des Rappers Hassan.
Und los geht es in Kommentaren. Rechte sehen im Talahon den Verantwortlichen für jedes Problem. Linke erheben den Zeigefinger und wollen in der Selbstbezeichnung Rassismus erkennen. Scheinbar fühlen sich Deutsche von einem migrantisch dominierten Trend getriggert und machen ihn größer, als er ist. Was eigentlich passiert: Männer posieren, feiern sich ab, bedienen ein Stereotyp und haben einfach Spaß daran, sich selbst zu karikieren – bis zum nächsten Trend.
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