Auslieferung von Maja T.: Staatsanwälte fürchteten Proteste
Mit dem Helikopter ausgeflogen: Generalstaatsanwaltschaft erklärt die schnelle Auslieferung von Maja T. nach Ungarn mit erwarteten „Störaktionen“.
![Eingangsbereich der Berliner Generalstaatsanwaltschaft - schwere brauen Holtür, das Wappen Berlin, Sandsteinfassade Eingangsbereich der Berliner Generalstaatsanwaltschaft - schwere brauen Holtür, das Wappen Berlin, Sandsteinfassade](/picture/7099633/624/35682333-1.jpeg)
Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte es eilig Maja T. nach Ungarn auszuliefern Foto: Florian Schuh/dpa
Berlin taz | Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat Kritik an der hastigen Auslieferung der Antifaschist*in Maja T. an Ungarn zurückgewiesen. Die Behörde habe die Person „nicht trotz Kenntnis eines Eilantrags am Bundesverfassungsgericht ausliefern lassen“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Simone Herbeth am Mittwoch im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Die Überstellung sei abgeschlossen gewesen, bevor der Antrag beim Bundesverfassungsgericht überhaupt eingegangen sei. Zudem habe die Behörde auch nichts von der Absicht von Maja T.s Anwalt gewusst, einen solchen Antrag zu stellen, so Herbeth weiter.
Die 23-jährige nonbinäre Person Maja T. war am Freitag aus einem Dresdner Gefängnis nach Ungarn gebracht worden. T. wird vorgeworfen, im Februar 2023 an Angriffen auf Neonazis in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Das Bundesverfassungsgericht untersagte am Freitagvormittag zwar die Auslieferung, doch da war es bereits zu spät: Maja T. befand sich bereits in Ungarn.
Seitdem reißt die Kritik am Vorgehen der Behörden nicht ab. Besonders im Fokus: die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sie war zuständig, weil Maja T. hier im Dezember 2023 festgenommen worden war. Rechtspolitiker*innen von Linken und Grünen zeigten sich irritiert von der Eile, mit der die Auslieferung über Nacht vollzogen wurde. Schließlich sei zu erwarten gewesen, dass Maja T.s Anwalt dagegen vorgehen würde, so die Grünen-Abgeordnete Petra Vandrey.
Laut Oberstaatsanwältin Heberth hatte das ungewöhnliche Tempo der Auslieferung nichts damit zu tun. Dass es so schnell ging, begründete sie mit Erkenntnissen aus „einschlägigen Internetportalen“, laut denen „mit Störaktionen zur Verhinderung der Auslieferung zu rechnen war“. Deshalb habe sich die Polizei auch für einen Transport mit dem Helikopter entschieden – und der konnte ab 4 Uhr morgens starten. „Wenn wir jedes Mal abwarten würden, ob ein Eilantrag in Karlsruhe gestellt wird, wären wir handlungsunfähig“, erklärte Herbeth.
„Justizsenatorin in der Pflicht“
Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) äußerte sich im Ausschuss trotz Nachfragen nicht zum Thema. Sie erklärte, sie habe von dem Vorgang „nur wenige Minuten vor der Presseberichterstattung erfahren“ – also als Maja T. bereits außer Landes war.
Der Rechtsexperte der Linken-Fraktion Sebastian Schlüsselburg will sich damit nicht zufrieden geben. Er sprach am Mittwoch von einer „unerträglichen Situation“. „Das Bundesverfassungsgericht ist mit einem in seiner Deutlichkeit kaum zu überbietenden Tenor ins Leere gelaufen“, sagte Schlüsselburg der taz. Da reiche es nicht, sich damit herauszureden, erst im Nachhinein von der Ausweisung erfahren zu haben. Es sei bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen schnell entscheide. „Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft abgewartet wird. Da ist auch die Justizsenatorin in der Pflicht.“
Leser*innenkommentare
Thomas2023
Ich hoffe, dass die Demonstrationen friedlich ablaufen.
Ansonsten wäre das in Nachhinein ein Beweis dafür, dass es richtig war das so kurzfristig abzuwickeln. Es ist schon traurig, dass Behörden Gewalt befürchten müssen, wenn sie Recht umsetzen.
Sonntagssegler
Fassen wir also zusammen:
Die Behörden wussten von dem Eilantrag und wollten auf das gerichtliche Ergebnis nicht warten.
Der Rest ergibt sich daraus.
Für eine beamtete Behördenleiterin empfinde ich das als eine moralisch untragbare Missachtung des Rechts und der Justiz.
funx xsta
Da Überstellungen anderer Auslieferungshäftlinge auf diese Art nicht stattfinden, sondern dieser Fall mit der angewandten Praxis alleine steht, sind Zweifel an der Darstellung der Staatsanwältin nachvollziehbar.
Weiterhin ist zu erwarten, das Demonstrationen gegen eine Auslieferung, immerhin Grundrecht, nicht als Grund dazu herhalten können, eine-m andere-n Bürger-in seine Grundrechte zu beschneiden.
Und wieder zeigt sich unsere Justiz gegen vermeintlich linke Aktivisten rücksichtslos bis zur Rechtsbeugung, während Rechte und ausgewiesen Verfassungsfeinde Schutz durch hoch-agressive Poilzeikräfte geniessen, bei dem dann wieder Gegendemonstranten gewaltmonopolosiert werden.
Einzelfälle rechter Gesinnung in den Behörden des Landes sind eine Legende.
Fakt sind gut organisierte Seilschaften, von Polizeien über Staatsanwaltschaften in die Finanzämter, ARGE und Gemeinden.
Die Fakten sprechen hier m.E. für sich.
Diese Angelegenheit ist nur eines von zahllosen Beispielen politischer Rechtslastigkeit.
DiMa
„Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft abgewartet wird. Da ist auch die Justizsenatorin in der Pflicht.“
Wie lange soll den aus Sicht des "Experten" abgewartet werden? Der Anwalt kannte die Entscheidung und handelte nicht. Wenn man den eine Überlegungs- und Handlungsfrist einrichten wollen würde, dann ist das die Aufgabe des Gesetzgebers.
Bolzkopf
Die Kritik darf auch nicht abreissen !!!!
Was hier von Behördenseite in den letzten Jahren abgegangen ist darf nicht unter dem Teppich verschwinden.
Ich erinnere nur an diverse illegale Hausdurchsuchungen, Körperverletzungen und leider auch an einige Todesfälle bei Polizeieinsätzen und in Polizeigewahrsam.
Und bloß weil auch unser amtierender Kanzler in solche Fälle (Kotzfolter) verstrickt ist, ist das noch lange kein Freibrief.
Sonnenhaus
Ach ja, die vorgebrachten zu erwartenden Proteste gehen nach meiner Einschätzung ebenso ins Leere, da gerade bei einem Abtransport mit Schraubhuber Proteste wohl gerade wegen diesem Transportmittel keine Rolle spielen. Aber vielleicht war dies der einzige verfügbare deutsche Schraubhuber der flugfähig war und es deshalb so kurzfristig sein musste. Möglicherweise hat Olaf bereits den nächsten Termin belegt und die Strecke zur Grenze der zweiten Republik benötigt auch etwas Zeit.
Mein Gefühl und meine Erfahrung sagt mir, dass diese übereilte Abschiebung bewusst vorgenommen wurde. Gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Aktionen dieser Oberstaatsanwältin? Dieser Akt untergräbt unseren Rechtsstaat! Frau Oberstaatsanwältin hat in diesem Sinne nicht in unserem Namen, im Namen der Bürger gehandelt, sondern vermutlich auf der Grundlage eines gewissen Eigensinnes heraus.
Vielleicht vergleichbar mit dem Obersten Gericht in USA zur Immunität von Präsidenten zum Wohle von Mr. Trump, der erst zuletzt neue Stellen des Gerichtes entschieden hat. Eine Entscheidung für Diktatur gegen Demokratie.
Wer hat Frau Oberstaatsanwältin benannt?
DiMa
Ja, es ist bekannt, dass das BVerfG schnell entscheidet, daher hätte der Anwalt auch viel früher einen entsprechenden Antrag stellen sollen. Am Vorabend hatte er mit der Presse gesprochen anstatt erst mal das Fax rauszuschicken. Die Vollziehbarkeit ab Zustellung des Urteils des Kammergerichts sollte ihm bekannt sein.
Sam Spade
"Schwarzer Peter" Spiel zwischen Anwalt und Staatsanwaltschaft dazu eine Justizsenatorin die schweigt. Berlin halt!
Mit dem Schicksal eines Menschen könnte man auch etwas verantwortungsvoller umgehen.
Martin Sauer
@Sam Spade Wozu soll sich eine Landesministerin zu einer Auslieferung eines Gefangenen in einen anderen EU Staat äussern. Da istj emand mit einem Hubschrauber zum bevorstehenden Gerichtsverfahren in ein anderes EU Land gebracht worden, was hat die Justizministerin damit zu tun. Hier geht es um einen Fall von schwerer Körperverletzung. In Deutschland werden jährlich 640000 Körperverletzungen, davon 130000 schwere, angezeigt. Und ein Angeklagter dee nicht zum Prozeß erscheint wird in Deutschland ggf. in Haft genommen.
LeKikerikrit
"Staatsanwälte fürchteten Proteste"
Also eine Nacht- und Nebel-Aktion ...
Egal ob die Auslieferung gerechtfertitgt ist oder nicht.
Allein diese Argumentation ...
Günter Picart
@LeKikerikrit Völlig unglaubwürdige Schutzbehauptungen. Zumal neben dem Berliner Staatsanwalt ja auch das LKA Sachsen dahintersteckte.