Barley zur Wahl der Kommissionschefin: „Kein Bündnis mit rechts“

Die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley schließt eine Zusammenarbeit mit Rechten kategorisch aus. Das gelte auch bei der Wahl Ursula von der Leyens.

Eine Frau spricht zu Vertretern der Presse.

Warnt vor einer Normalisierung der Rechten: SPD-Politikerin Katarina Barley Foto: Annegret Hilse/reuters

taz: Frau Barley, bekennen Sie sich zu Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin?

Katarina Barley

SPD, ist seit 2019 Mitglied des Europaparlaments und eine von 14 Vizepräsidentinnen. Sie war SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl 2024.

Katarina Barley: Wir erkennen an, dass die Europäische Volkspartei stärkste Fraktion ist, und sind bereit, in Gespräche einzutreten. Für uns ist aber ausgeschlossen, gleichzeitig auch mit extremen Rechten zusammenzuarbeiten.

EVP-Chef Manfred Weber fordert von Liberalen und Sozialdemokraten eine Zusage – sonst würden sie den Rechten in die Hände spielen.

Es ist genau umgekehrt. Wir legen das Bekenntnis ab, dass wir nicht mit extremen Rechten zusammenarbeiten. Wenn Manfred Weber das auch sagt und auch Giorgia Melonis Partei damit meint, sind wir uns einig.

Giorgia Meloni, Italiens postfaschistische Regierungschefin, hat daheim gewonnen. Sie wird auf EU-Ebene mehr Mitsprache einfordern. Lässt sich das überhaupt verhindern?

Melonis Partei hat in Italien knapp gewonnen, das steht im Gegensatz zu ihrem Auftreten und wie sie wahrgenommen wird. Die italienischen Sozialdemokraten haben ebenfalls dazugewonnen und liegen nicht einmal 5 Prozentpunkte hinter den Fratelli d’Italia. Oft wird nur über Meloni als Person gesprochen. Im EU-Parlament sitzt aber nicht sie, sondern ihre Partei und deren Mitglieder. Und diese Partei verhält sich deutlich radikaler als sie. Da wird im Parlament der Hitlergruß gezeigt. Melonis Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, zufällig auch ihr Schwager, vertritt die Verschwörungstheorie des großen Bevölkerungsaustauschs.

Konservative, Sozialdemokraten und Liberale hätten zusammen eine Mehrheit. Welche Bedingungen stellen die Sozialdemokraten ihrerseits an Ursula von der Leyen für eine Unterstützung der Wiederwahl?

Die rote Linie ist: kein irgendwie geartetes Bündnis mit den Rechten. Inhaltlich wird man miteinander verhandeln, wie das üblich ist.

Ursula von der Leyen hat vor der Wahl offen um Meloni und die Stimmen der Rechtspopulisten geworben. Welche Gefahr liegt darin?

Wir sehen eine Normalisierung der Rechten in ganz Europa. Das spiegelt sich auch in vielen Wahlergebnissen wider. Dass es da einen Zusammenhang gibt, wird immer wieder deutlich. In den Niederlanden beispielsweise, wo die Partei von Geert Wilders zehn Tage vor der Wahl nur auf Platz vier lag. Bis die liberale Kandidatin erklärte, man dürfe den Wählerwillen nicht ignorieren und müsse gegebenenfalls in Gespräche eintreten. Wilders selbst gab sich dann staatsmännischer und im Ergebnis schossen seine Ergebnisse durch die Decke.

Ist das der Grund für den Erfolg rechter Parteien bei dieser Wahl – die Normalisierung und Tolerierung durch konservative Parteien?

Es ist nicht die Ursache, aber ein Faktor. Wenn man die extreme Rechte durch Zusammenarbeit normalisiert, gibt ihnen das Auftrieb. Die Gründe für den Erfolg der Rechten liegen tiefer.

Sozialdemokraten, Liberale und Grüne haben europaweit verloren, während rechte Parteien deutlich dazugewonnen haben. Woran liegt das?

Es ist komplexer. Die Sozialdemokraten sind europaweit beinahe gleich stark, Konservative und Rechtsextreme haben leicht zugelegt. Es gibt zwei große Verlierer, das sind Grüne und Liberale.

Dennoch haben populistische und rechtsextreme Parteien insgesamt gewonnen. Wie erklären Sie sich das gute Abschneiden?

Das zeigt erst einmal, dass die nationale Erklärung „Die Ampel ist schuld“ zu kurz greift. Das ist eine Entwicklung, die in allen Mitgliedstaaten zu beobachten ist. Die Basis ist eine Stimmung der Verunsicherung. Wir leben in Zeiten von Pandemiefolgen, Krieg und Klimawandel. Das alles verunsichert die Menschen. Die Rechten setzen sich drauf und verstärken dieses Gefühl. Ihr Ziel ist es nicht, Lösungen zu finden, sondern aus Verunsicherung Wut, Angst und Neid zu erzeugen und daraus ihre Suppe zu kochen.

Was können Parteien links der Mitte dem entgegensetzen, was müssen sie besser machen?

Das ist die schwierigere Aufgabe, denn negative Gefühle sind ja viel leichter zu wecken als positive. Wir müssen aber dennoch Vertrauen, Zusammengehörigkeit und Solidarität stärken. Das gelingt unter anderem durch handwerklich gute Politik.

Die Ampel hat in Deutschland insgesamt verloren. Weil ihre Politik handwerklich schlecht gemacht ist?

Nüchtern betrachtet ist die Bilanz der Ampel gut. Viele vergleichen die Regierung gern mit anderen, bei denen es keinen Krieg, keine Pandemiefolgen gab und der Klimawandel noch nicht so spürbar war. Aber das sind die Umstände, unter denen die Ampel arbeitet und unter ihnen hat sie viel erreicht. Die Frage ist, kommt das an? Da muss man leider sagen, eindeutig nicht. Und das Heizungsgesetz war sicher kein Musterbeispiel für gute Politik. Die Streitereien und Profilierung auf Kosten der anderen Partner sind sicher auch nicht förderlich.

Die SPD in Deutschland hat bei dieser Wahl gegenüber der Bundestagswahl 2,5 Millionen Wäh­le­r:in­nen ins Nicht­wäh­le­r:in­nen­la­ger verloren? Warum sind Sie als Spitzenkandidatin fürs EU-Parlament nicht durchgedrungen?

Das ist die Frage, die mich sehr beschäftigt. Denn eigentlich wissen wir, dass der Kampf für Demokratie und gegen rechts unsere Wählerschaft mobilisiert. Andere Faktoren müssen also stärker gewesen sein. Welche das waren, müssen wir jetzt herausfinden.

Werden Sie sich trotz des schwachen SPD-Ergebnisses für ein Spitzenamt im EU-Parlament bewerben?

Ich möchte meine Erfahrungen an einer Stelle einbringen, an der sie gebraucht werden. Welche das sein wird, kann ich noch nicht sagen.

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