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Touristensaison in KroatienWenn eine andere Stimmung herrscht

So sieht Krieg aus. Während ein Land zerstört wird, fährt Europa in den Urlaub und lässt sich von Angehörigen der Kriegsopfer die Dusche putzen.

Jeden Tag kommen ein paar Touristen mehr zum Strand Foto: Grfo Jelavic/imago

D ie Saison hat begonnen. Mit dem 1. Juni müssen an der kroatischen Küste sämtliche Bauarbeiten beendet sein, bei denen Lärm und Dreck entsteht. Natürlich gilt das nur für die, die nicht über sehr gute Beziehungen in die oberen Etagen der Verwaltungsbehörden verfügen, womit ein paar weitere Tage rausgeschlagen werden können.

Mit jedem Tag liegt nun ein Touristenpaar mehr am Strand, steigt die Zahl verkaufter Pommes-frites-Teller und schrumpft die der Parkplätze in Küstennähe. Noch immer hämmert hier und da einer an seiner Beachbar rum, überall wird gestrichen, geputzt, gekärchert.

Letzteres macht das Geräusch, das seit einigen Jahren die Saison einleitet wie früher das Zirpen der ersten Zikaden, und geht ungefähr so: drrrrrrrrrbbbbbbbboooooooooooo. Es kommt von diesen kleinen gelben Maschinen, aus deren Rohr ein extrem starker Wasserstrahl auf alles draufgehalten wird, was nicht bei drei auf der Palme sitzt.

Ein Gespräch aus „Ah“ und „Oh“

Auch mein Nachbar im kleinen Dorf an der Adria (Ost) hat so ein Gerät. Als er sein Haus vor ein paar Tagen fertig gekärchert hat, steht plötzlich seine Haushälterin Darja aus der Ukraine auf seiner Terrasse. Da sie kein Kroatisch und ich kein Ukrainisch spreche, verstehen wir uns null. Mit großen Gesten, Umarmungen, Küsschen auf die Backen lässt sich die Freude über das Wiedersehen aber eindeutig bekunden.

Und na ja, was redet man so, wenn man sich nicht kennt, von Nachbar zu Nachbarin? Wie war die Fahrt, wie geht es Kinder, Mann, Garten und Gelenken? Die sympathische, offenherzige Darja, die in Wahrheit anders heißt, weiß um dieses Prinzip und redet einfach drauflos. Da die Antworten meinerseits vor allem aus „Ah“ und „Oh“ und „Ich verstehe leider kein Wort“ bestehen, kommt kein Gespräch zustande, und so winken wir uns wieder zu, die eine geht weiter den Pool putzen, die andere die Laken für die kommenden Gäste bügeln.

Die Sonne scheint, das Meer umspült die alte Mole und den illegalen Jachthafen. Es ist wie immer paradiesisch. Jedenfalls solange Kärcher, Betonmischer und Bohrmaschinen den Sound bestimmen. Ab dem Moment, wenn statt der Maschinen die Touristen Lärm und Dreck produzieren, wird eine andere Stimmung herrschen.

Was hälfe es, nicht in den Urlaub zu fahren?

Auch in Kroatien herrscht Arbeitskräftemangel. Viele Ukrainerinnen sind seit Putins Krieg hier zur Saisonarbeit. Auch Darja war letztes Jahr schon hier. Ihr Ehemann, so viel hatte ich verstanden, war an der Front.

Was ich bei unserer Unterhaltung vor ein paar Tagen auf der Terrasse nicht verstanden hatte: Er war im Frühjahr gefallen, ein paar Tage vorher ihr ältester Sohn. Ihr jüngster Sohn war nach Israel geflohen, um dem Armeedienst zu entgehen, aber zur Beerdigung seines Vaters und seines Bruders in die Ukraine zurückgekehrt und auf dem Friedhof festgenommen worden. Nun ist er an der Front.

So sieht Krieg aus: Während ein Land in Schutt und Asche gelegt wird und Menschen sterben, fährt der Kontinent in den Urlaub und lässt sich von Angehörigen der Kriegsopfer die Dusche putzen. Moralisch verwerflich ist daran nichts. Was hälfe es, nicht in den Urlaub zu fahren angesichts der dritten Sommer­saison dieses Kriegs, in der Europa und Amerika immer noch die gleichen Argumente für und gegen eine Flugverbotszone und Waffenlieferungen austauschen.

Donnerstagabend sickert die Meldung durch, dass Joe Biden der Ukraine erlaubt, US-amerikanische Waffen gegen russische Ziele einzusetzen. Ich hab keine Ahnung, warum das erst jetzt passiert. Ich weiß nur, dass ich hilflos vor Darja stehe und nicht erklären kann, warum Deutschland vor zwei Jahren wochenlang über die Lieferung von ein paar Helmen diskutiert hat.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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17 Kommentare

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  • Ist es zu verurteilen, wenn ukrainische Bürger,, die vor dem Terror vom Kriegsverbrecher Putin geflohen sind, Arbeit angeboten bekommen und dies nutzen?

    ja - man darf Urlaub in Luxus in diesen Krisenzeiten anprangern. Aber der Begriff 'Luxus' gilt wohl für für Ferien im nahen Ausland nicht so sehr.

    • @fvaderno:

      Vor über 200 Jahren waren wir alle ganz arm. Die industrielle Revolution hat es möglich gemacht: was gestern noch Luxus für Adlige war, ist heute für viele normaler Lebensstil.

  • Danke. Man kann nicht oft genug wiederholen, wer hier eigentlich leidet.

  • Herzzerreissend.

    Sie beschreiben aber gleichzeitig sehr treffend, was imperiale Lebensweise heisst. Unsere.

    Danke für die Ehrlichkeit.

  • "und nicht erklären kann, warum Deutschland vor zwei Jahren wochenlang über die Lieferung von ein paar Helmen diskutiert hat"

    wegen billigem Erdgas

    • @derzwerg:

      Das ist doch derselbe Satz – im ersten steht "warum" und im zweitennsteht "wegen" – ansonsten identisch.

    • @derzwerg:

      Ich würde sagen , dass das jemanden, der gerade Mann und Sohn beerdigt hat und jeden Tag um den Jüngsten zittert nicht tröstet. Die "5.000 Helme" sind ein geflügeltes Wort für tödliche Imkompetenz, nicht für Signale an Moskau. Trotzdem: mein Beileid an Darja.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Die Saisonarbeiter/innen sind auch schon vor dem Krieg aus der Ukraine, insbesondere nach Süd-Europa gekommen, weil es der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung nicht besonders gut ging - Demokratie alleine macht noch nicht satt.



    by the way: was ist eigentlich aus den vielen ukrainischen Leihmüttern geworden (einschl. der lukrativen Vermittlungsagenturen) die idR. auch aus Not dieses Job gemacht haben?



    Ich behaupte mal - der Mehrheit der Urainer/innen war es vor dem Krieg egal ob sie von russischen oder ukrainischen Oligarchen ausgebeutet werden - ob das heute noch so ist ?!?!?!?

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Die Ukraine hat, relativ am Anfang nach der Wahl Selenskys ein Gesetz auf den Weg gebracht, das es Menschen mit sehr viel Geld verboten hat, Medienhäuser (Fernsehsender, Tageszeitungen etc.) zu besitzen. Dann kam der Krieg und das ist irgendwie völlig untergegangen.

      Aber von diesem Gesetz könnten wir uns eigentlich was abschneiden.

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Meinen Sie die Demokratie vor oder nach dem Maidan? Aus russ. Sicht echt ein Unterschied. Von hier aus gesehen, aber egal, echt.



      .



      Ja, völlig egal ob Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!



      .



      Bei se wai, ach vergessen… eh alles egal.

  • Jaja, so ist das und doch ist es so nicht in Ordnung. Mir fehlt der Aufschrei aus Millionen Mündern gegen diese zum Himmer schreiende Ungerechtigkeit in der Welt... nur welche?

  • "Ihr jüngster Sohn war nach Israel geflohen, um dem Armeedienst zu entgehen, aber zur Beerdigung seines Vaters und seines Bruders in die Ukraine zurückgekehrt und auf dem Friedhof festgenommen worden. Nun ist er an der Front."

    Ja, so sieht Krieg aus. Aber sehen so auch unsere "Werte" aus, die da angeblich verteidigt werden? Erinnert die Szene außer mir noch jemanden an eine bestimmte Vergangenheit?

    • @Jalella:

      Nein mich nich, Sie? War das damals, als alle Deutschen zur Landesverteidigung eingezogen wurden? Wann war das doch gleich?



      .



      Jetzt hab ichs: "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind!" Das war's doch, oder? Oder etwa nich?

  • Bitte noch anhängen: "Mein Beileid an die tapfere Darja" Danke

  • переклад (pereklad) heißt auf ukrainisch Übersetzung. Das gibt es als Simultandommetscher - APP auf den meisten Smartphones, funktioniert zwar etwas holprig , aber doch ausreichend. Die Teilnahmslosigkeit ist kulturimmanent . "Par le petit garcon , qui meurt près de sa mère, tandisque des enfants s´amusent au parterre ... je vous salue, Marie." Georges Brassens irgendwann vor 1980. Wir haben in Deutschland noch immer einen Minister, der Sommer 2022 groß Hochzeit gefeiert hat während in Tschassiw Jar gerade ein Wohnhaus zertrümmert wurde. Den Anblick hielt er für zumutbar. Persönlich haben die Helme der Ministerin aber nichts genützt.

  • In Kroatien war auch Krieg, Europa hat sich nicht interessiert!



    Leider ist in Ukraine jetzt Krieg, Europa interessiert sich immer noch nicht.

  • Man könnte auch sagen, so sieht Frieden aus. Zumindest aus Urlaubersicht