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Ein Jahr DeutschlandticketRevolution? Schön wär’s!

Nanja Boenisch
Kommentar von Nanja Boenisch

Das Ticket selbst ist ein Grund zum Feiern. Für einen Erfolg in Sachen Transformation reicht es allein nicht. Dazu ist der ÖPNV zu dürftig ausgebaut.

Seit einem Jahr im Umlauf: Das Deutschlandticket. Wer es einmal hat, kriegt es schwer wieder los Foto: Boris Roessler/dpa

A m 1. Mai feiert das Deutschlandticket einjähriges Jubiläum – und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) überschlägt sich vor Lob: „Ein echter Fortschritt“ sei das 49-Euro-Ticket, „einfach, digital“, „innovativ, eine wahre Revolution für den ÖPNV“. Wirklich, eine Revolution? Dass es das Ticket gibt, ist tatsächlich ein Grund zum Feiern.

Ein Abo, das in ganz Deutschland im Nahverkehr gilt, das mit 49 Euro günstiger ist als die meisten anderen Monatsabos, das insgesamt 11,2 Millionen Leute, davon rund 900.000 Neu­kun­d:in­nen, begeistern konnte – das ist schon ein Erfolg. Das Problem ist nur: So sehr Wissing das Ticket feiert, so wenig will er dafür bezahlen. Es steht immer noch nicht fest, wie lange der Preis bei 49 Euro bleiben kann.

Bund und Länder geben pro Jahr je 1,5 Milliarden Euro – doch den Verkehrsbetrieben reicht das nicht, das Deutschlandticket treibt ihre Kosten nach oben. Deshalb steht eine Preiserhöhung ab 2025 im Raum. Schlimmer noch: Einige Betriebe in der Branche denken darüber nach, das Angebot an Bussen und Bahnen einzustampfen, um zu sparen. Dabei ist genau der schlecht ausgebaute ÖPNV für viele der Grund dafür, dass sie das Ticket eben doch nicht kaufen.

Wo weder Bahn noch Bus fährt, meist auf dem Land, lohnen sich 49 Euro im Monat für ein Abo kaum – selbst wenn der Unterhalt ihres Autos mehr kostet. Trotz des Deutschlandtickets wurde 2023 bundesweit mehr Auto gefahren als im Vorjahr. Organisationen fordern unermüdlich ein bundesweit gültiges Sozialticket für 29 Euro.

Berliner Alleingang

Doch auch das war in der Politik schon lange nicht mehr Thema. Berlin startete kürzlich einen Alleingang, der Senat rief ein innerstädtisch gültiges Monatsabo für 29 Euro aus – und setzte damit die Einheitlichkeit des Deutschlandtickets aufs Spiel. Wenn das 49-Euro-Ticket eine wirkliche Revolution im Nahverkehr auslösen soll, muss das Angebot besser werden. Wissing muss bereit sein, dafür zu zahlen – auch für den Ausbau des ÖPNV, auch dort fließt zu wenig Geld.

Sonst wird immer wieder nur diskutiert, wie lange das 49-Euro-Ticket überleben kann. Und viel zu selten darüber, wie Ticket und Nahverkehr besser werden.

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Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft und Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
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12 Kommentare

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  • Geld, mit dem das 49 €-Tickets subventioniert wird, ist weg und kann nicht mehr in den Ausbau des ÖPNV gesteckt werden.

  • Das Deutschlandticket ist ein nettes Geschenk an die Stadtbevölkerung. Auch wir hier auf dem Lande finanzieren es mit - aber ohne Auto geht hier nichts.

    • @independent:

      Eher nicht. In Städten hat man oftmals um die 50 Euro oder weniger für sein Abo bezahlt. Wer aufm Land lebte und mit S- oder Regionalbahn in die Stadt pendelte, zahlte selbst im Abo gerne über 250 Euro im Monat.

      Oder eine anekdotische Evidenz: mein Jobticket in Hamburg vergünstigte sich vor einem Jahr von 35 auf 34 Euro. Vorher konnte ich drei Personen an Wochenenden und Feiertagen im Gesamtbereich bis an die Küste mitnehmen. Das geht nun nicht mehr. Aber dafür könnte ich mit der Regionalbahn bis nach Bayern alleine fahren.

      Durch den Preisvorteil für die Pendler ausm ländlichen Raum sind die Bahnen nun noch voller. Heißt für die Städter: keine Sitzplätze und mehr Gequetsche, sofern man noch in die Bahn passt.

      Schönes "Geschenk". (By the way, wir Städter finanzieren auch die unwirtschaftlichen Landstraßen und sonstigen Erschließungen aufm Land mit. So ist das halt, wenn Verkehrsinfrastruktur eine öffentliche Ausgabe ist und Mobilität nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen Wert hat.)

      • @Verkehrsfritze:

        "Wer auf'm Land lebte und mit S- oder Regionalbahn in die Stadt pendelte, zahlte selbst im Abo gerne über 250 Euro"



        Gelungener Scherz Verkehrsfritze, hier fährt weder S- noch Regionalbahn.

  • Man sollte sich auch daran erinnern, dass die FDP das Deutschlandticket auf den Weg gebracht hat. Ein einfaches ticket, mit dem die meisten zufrieden sind. Berufsnörgler ausgeschlossen.

    Die selbsternannte Klima-Partei, dessen Vorredner ein Heizungsmurks-Gesetz fabriziert, ist dagegen groß im Reden und nicht so groß im Umsetzen...

    • @eicke81:

      Man könnte es auch so sehen, dass das Deutschlandticket ein Versuch ist, den ÖPNV finanziell auszuhungern, von staatlichen Zuwendungen abhängig zu machen und ihn so zu ruinieren, dass er nur noch eine Art Mobil-Sozialleistung für die ist, die sich beim besten Willen kein Auto leisten können, aber noch irgendwie zu ihren Mindestlohn-Minijobs kommen müssen.

      Denn dass man den ÖPNV nicht verbessern und attraktiver machen kann, wenn mehr und längere Fahrten der Ticketinhaber nur zu mehr Kosten für die Betreiber führen, aber nicht zu mehr Einnahmen, ist offensichtlich.

      Das ist doch reiner Populismus, die Folgen dürfen dann die Kunden ausbaden. Was hilft ein 49€ ÖPNV, der oft nur noch auf dem Fahrplan stattfindet?

    • @eicke81:

      Bitte? Die FDP hat mit ihrem Verkehrsminister zum Glück ausnahmsweise mal nicht diese Errungenschaft auch noch sabotiert. Das würde ich nicht als FDP Erfolg verbuchen. Ihre Idee war es in keiner Weise und so ärmlich, wie es dank Porsche-Wissing bezuschusst wird, ist es Recht kein FDP Ding.

    • @eicke81:

      Auf dem Land können Sie damit kostengünstig Busse benutzen, die gar nicht fahren.



      Als Auslandsdeutscher bin ich begeistert vom ÖV, auf den ich in der Schweiz nichts kommen lasse. Wenn ich nach Deutschland fahre, fängt das Elend an der Grenze an.



      Auto: 2 1/2 Stunden



      Bahn dies zur Grenze: 2 Stunden.



      Die letzten 50 km brauchen dann weiter 2 Stunden, und ab 22 Uhr ist Schicht im Schacht, oder Taxi angesagt.

  • Was nutzt uns das Deutschlandticket bei dem Fahrplan?



    Fahrplan Abfahrten heute: 9:10, 11:10, 13:07, 15:07, 16:10, 17:07, dann nichts mehr. Es geht hier auf der Alb nicht ohne Auto weil der nächste Ort 372HM tiefer liegt. Das schafft man selbst mit e-bike nur als durchtrainierter Radfahrer. Es lebe das völlig unnötige, vergoldete 11 Milliarden Grab S21 in Stuttgart. Auf ÖPNV pfeift hier fast jeder im Ort.

    • @Rudi Hamm:

      Leider nutzt es dank verfehlter jahrzehntelanger CDU Politik nicht jedem. Aber es gibt genug Leute, die jeden Tag mit dem ÖPNV zur Arbeit pendeln und die bisher dafür eine Monatskarte von - je nach Stadt - 150+€ bezahlen mussten. Für die ist es trotz des erbärmlichen Fahrplans der Bahn eine echte Erleichterung.

      Und wenn ich auch aufgrund der lokalen Situation keiner bin, der davon profitiert, bin ich auf jeden Fall so solidarisch, dass ich mich für die anderen darüber freue.

      Ich denke, in diesem Land mangelt es an vielem. Aber an nichts mangelt es mehr als an Solidarität.

  • Licht und Schatten



    Vorteil: Ein Preis und man kann fahren wohin und soviel man will.



    Nachteil: Der Bahn fehlt Geld für Renovierung und Ausbau. Das verschärfst sich jetzt noch durch die stark gestiegenen Gehälter und die kommende 35 Stundenwoche.



    Es sei den Lokführern natürlich gegönnt, aber die Bahn wird hierdurch wegen Geldmangel weder besser noch pünktlicher. Und im ländlichen Bereich bleibt der ÖPNV zu 90% ein Katastrophe und wird fasst nicht genutzt. Fazit: Es wird auf dem Land kaum einer vom Auto auf die Bahn umsteigen. O.K., wenn es so gewollt ist.

  • A propos 49: Auf meinem täglichen Arbeitsweg (in einer Metropolregion, nicht auf dem ganz platten Land) ist das Fahrrad die schnellste Reisemöglichkeit ohne Auto. Eine Strecke dauert etwa 49 Minuten (schneller als 45 habe ich noch nicht geschafft).



    Die schnellste Möglichkeit mit dem ÖPNV beginnt mit einem Fußweg von etwa 49 Minuten, danach kann ich in etwa 20 Minuten mit dem Bus bis fast vor meine Haustür fahren. Mit dem Auto würde dieser Teil etwa 10 Minuten dauern, wenn nur der normale Stau ist, mit Parken würde ich am Ende auch nicht schneller sein, eher langsamer und die 20-Minuten-Strecke legt der Bus so schnell zurück wie es auch ein Auto könnte.



    49 € im Monat sind für mich gut leistbar, auch wenn ich sie nicht wirklich ausnutze, deutlich günstiger als ein Auto allemal. Das Traurige ist, dass es einen Streckenabschnitt gibt, den ich zu Fuß viel schneller als mit dem ÖPNV schaffe und jede Alternative mit dem ÖPNV noch länger dauert. Ja, der ÖPNV ist schlecht ausgebaut!