Politischer Aschermittwoch der AfD: Saufen und pöbeln für Deutschland
Die AfD Bayern feierte am politischen Aschermittwoch einen rechtsextremen Überbietungswettbewerb. Es gab viel mitzuschreiben für den Verfassungsschutz.
Im Festzelt springt der Funke allem Anschein nach noch nicht richtig über, einer der Männer auf der Bühne ruft im breitesten Bairisch: „Klatschen tut nicht weh!“ und irgendjemand solle doch die Hände aus den Hosentaschen nehmen. Dann fordert er zum „Prosit der Gemütlichkeit“ auf – mit dem Bier steigt im Laufe der Veranstaltung auch die Stimmung. Saufen für Deutschland, politischer Aschermittwoch, gekommen sind überwiegend ältere, weiße Herren – eine tolle Tradition, ist sich auch der Youtube-Chat einig, den rund 2.000 Leute verfolgen.
Moderator ist der bayerische Vize-Landesvorsitzende Martin Böhm, KFZ-Mechaniker und Versicherungswirt, der nicht nur wegen seiner Frisur wie die rechtsextreme Variante von Stromberg wirkt, sondern auch wegen schlechter Witze. Er ist nicht allein: Die Landesvorsitzende Brandenburg Birgit Bessin begrüßte zum „größten AfD-Geheimtreffen in Deutschland“ und grüßte alle „Spitzel im Stream“ – die V-Leute könnten das Spektakel ja bequem aus der Badewanne verfolgen.
Der vielfach von Wissenschaft, Medien und auch vom Verfassungsschutz belegte Rechtsextremismus, die Recherchen von Correctiv zum Plan der millionenfachen Vertreibung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund, euphemistisch als „Remigration“ bezeichnet, ist hier ein Witz, wenn nicht gar eine Auszeichnung. Aber der danach entstandene Gegenwind scheint die AfD auch nervös zu machen – immer wieder beziehen sich deren Politiker – gekommen sind auch die Landeschefs aus Sachsen, sowie der Bundes-Vize Stephan Brandner aus Thüringen – auf die Correctiv-Recherche und die anhaltenden Demos gegen Rechts, die mehrere Millionen Menschen auf die Straßen brachten.
Empfohlener externer Inhalt
Beleidigungen unter der Gürtellinie
Deutlich wird auch: Der bayerische Landesverband ist fest in völkischer Hand. Der politische Aschermittwoch erinnerte mit verrohter Sprache, rassistischen und menschenfeindlichen Äußerungen vielfach an die Treffen des Höcke-Netzwerks am Kyffhäuser.
Der Verfassungsschutz dürfte jedenfalls einiges für seine Materialsammlung notiert haben: Es gab ein völkisches und rassistisches Potpourri von zwanghafter Verwendung des N-Worts, bis hin zu vielfachen persönlichen Beleidigungen unter der Gürtellinie, die sich insbesondere gegen Grünen-Politikerinnen richteten, aber auch den bayerischen Ministerpräsidenten Söder nicht verschonten, den der bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka dumpf „Arschkriecher“ nannte. Ebenso fragte er, ob sie Manfred Weber aus dem EU-Parlament, Zitat, „ins Gehirn geschissen“ hätten. Ein Strafverfahren gegen Protschka vom letzten Jahr ist noch anhängig, weil er hier Söder als „Södolf“ bezeichnet hatte. Politische Kultur rechts unten eben.
Als Gastgeber Böhm verkündet, dass der zeitgleich geplante Aschermittwoch der Grünen wegen Bauernblockaden abgesagt werden musste, ruft er unter großem Jubel: „Die Polizei musste Pfefferspray gegen die Landwirte einsetzen – Respekt vor diesen Bauern! So klingt Politik von unten. Wir stehen hinter den Landwirten!“ Seine Ansage und die Meldung werden mit Johlen aufgenommen. In Biberach, wo die Grünen-Veranstaltung stattfinden sollte, wurde auch bei einem Fahrzeug offenbar eine Scheibe eingeworfen, als die Polizei versuchte, die Blockade zu räumen.
Deutschtümelei und Antifeminismus
Noch weniger witzig war danach der Auftritt des EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der eine lupenrein völkische Rede hielt, in der auch NS-Verharmlosung, Transfeindlichkeit und Antifeminismus nicht fehlen durften. Er verunglimpfte transsexuelle Politiker*innen und betrieb Geschichtsrevisionismus. Man sei „ein Volk in einer Linie mit den Vorfahren“, sagte Krah – und zwischen den Zeilen konnte man auch sehr gut hören, wer nicht dazu gehören soll: „Wir haben das selbe Brauchtum, uns schmeckt das selbe Bier, wir sind sozialisiert über die selben Märchen und unsere Vorfahren haben gemeinsam gelitten, gekämpft und sind verführt worden“, sagte Krah – „sie stecken heute in uns und schauen auf uns und freuen sich, dass es heute weiter geht.“
Natürlich wurde er auch nicht müde, seine bekanntesten Tiktok-Botschaften zu wiederholen: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ und „echte Männer sind rechts“. Als solcher wollte er auch eine „echte Frau“, ergänzte er am Mittwoch. Für diejenigen, die im Saal nach dem vierten Bier immer noch nicht die sexistische Botschaft verstanden hatten, wurde Krah noch deutlicher: „Feministinnen sind grässlich und hässlich“, rief er und grinste. Danach wies er noch daraufhin, welche gesellschaftliche Funktion Frauen seiner Ansicht in erste Linie zu erfüllen hätten: „Liebe Frauen, bleibt Frauen – zur Weiblichkeit gehört auch Mutterschaft dazu.“
Und während der thüringische Bundes-Vize Stephan Brandner allen ernstes „alle weißen Frauen“ ausdrücklich gegrüßt hatte, bezeichnete sich die bayerische Landesvorsitzende Katrin Ebner-Steiner nach viel unwürdigem rassistischem Gepolter auch noch als „Artenschützerin“: „Für den alten weißen Mann – ein Hoch auf unsrer Männer! Prost!“, rief sie im Dirndl.
Am Ende – mittlerweile ist es bereits früher Nachmittag – singen die weißen Männer und Frauen im Festzelt auf ihrer nationalistisch-völkischen Wohfühloase zusammen bierselig das Bayernlied und die Nationalhymne. Einen angemessenen Ton traf in Osterhofen an diesem Mittwoch allerdings niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung