Nach Einstufung vom Verfassungsschutz: Maaßen droht Ärger
Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist nun selbst Beobachtungsobjekt des Geheimdiensts. Ampel-Politiker fordern Konsequenzen.
Auch als Beamter im einstweiligen Ruhestand müsse sich Maaßen weiter an beamtenrechtliche Treuepflichten halten, betonte Wegge. „Ich finde deshalb die Prüfung von Disziplinarmaßnahmen richtig. Das Bundesinnenministerium als Dienstherrin ist nun gefragt.“ Es dürfe nicht passieren, dass Maaßen womöglich mit behördeninternem Wissen seine politische Arbeit unterstütze.
Auch der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich forderte dienstrechtliche Konsequenzen für Maaßen. „Wenn man bedenkt, dass Hans-Georg Maaßen qua Amt jahrelang oberster Verfassungsschützer war, ist die jüngste Einordnung als Rechtsextremist ein Alarmzeichen und wirft viele Fragen hinsichtlich seiner Amtszeit auf.“ Mit seinen „menschenverachtenden Aktivitäten“ beweise Maaßen schon länger ein distanziertes Verhältnis zur Verfassung, so Emmerich zur taz. „Jetzt ist es erforderlich, dienstrechtliche Konsequenzen ins Auge zu fassen.“ Auch der Grüne verwies hier auf das zuständige Innenministerium. „Der demokratische Rechtsstaat muss sich gegen Verfassungsfeinde wehren.“
Die Linken-Innenexpertin Martina Renner wiederum forderte einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zu Maaßens früherer Dienstzeit. „Es ist die Pflicht des Parlamentes, öffentlich aufzuklären, ob Maaßen die Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz darauf ausgerichtet hatte, hemmungslos gegen linke und antifaschistische Kräfte vorzugehen und gleichzeitig extrem rechte Kräfte und Aktivitäten gewähren ließ oder sogar unterstützte.“
Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass Maaßen, der von 2012 bis 2018 das Bundesamt für Verfassungsschutz geleitet hat, dort nun selbst als Rechtsextremist geführt wird. Ganz überraschend kommt das nicht: Maaßen war zuletzt immer wieder mit weit rechten und verschwörungsmythischen Äußerungen aufgefallen, sprach von einer „Migrationskatastrophe“, von der „linksfaschistischen Antifa“ oder von „globalistischen Kräften“, welche die Gesellschaft zerstören wollten. Letzteres nutzen Antisemit*innen als Chiffre.
Antisemitische Narrative und wirre Behauptungen
Auf Anfrage von Maaßens Anwalt hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen ehemaligen Präsidenten schon Mitte Januar über dessen Erfassung in nachrichtendienstlichen Informationssystemen informiert. Nachdem Medien Maaßen dazu angefragt hatten, machte er selbst das 20-seitige Schreiben öffentlich.
In diesem verweist der Verfassungsschutz zu den Datenspeicherungen über Maaßen auf Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes: Dort heißt es, dass das Amt Informationen zusammentragen darf zu Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten.
In dem Brief listet der Verfassungsschutz Äußerungen von Maaßen auf, in denen er Geflüchtete als „Goldstücke“ titulierte, welche hierzulande Deutsche „ersetzen“ sollten – es ist das rechtsextreme Narrativ des „Großen Austauschs“. Auch würden sich die „hunderttausende und Millionen Ausländer“, die ins Land kämen, „niemals, niemals in unsere Gesellschaft eingliedern“.
Aufgeführt wird auch Maaßens Behauptung eines „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“. Zudem verweist der Verfassungsschutz auf seinen Aufsatz im neurechten Cato-Magazin, der laut Fachleuten „antisemitische Narrative“ enthalte.
An anderer Stelle habe Maaßen vom „Parteienkartell“ gesprochen oder vor einem „neuen Totalitarismus“ und „grünen Fanatikern“ gewarnt, heißt es weiter. Die Regierung strebe ein „neosozialistisches Gesellschaftssystem“ an, wird er weiter zitiert. Ebenso werden seine Relativierungen des jüngsten Falls von terrorverdächtigen Reichsbürgern erwähnt, deren Festnahme Maaßen als „PR-Coup“ kritisierte. Auch sei Maaßen im November 2023 bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Lübeck aufgetreten, die der Verfassungsschutz Hamburg als rechtsextremistisch einstuft.
Skandale schon in Maaßens Amtszeit
Maaßen tat das Verfassungsschutzschreiben ab. Dieses enthalte „keinerlei substantiierte Belege, die eine Beobachtung rechtfertigen“. erklärte er auf X, vormals Twitter. Die Bundesregierung habe aber „offenkundig Angst vor mir“ und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) missbrauche den Verfassungsschutz zur Bekämpfung politischer Gegner.
Maaßen hatte selbst jahrelang im Bundesinnenministerium gearbeitet, bevor er 2012 – nach dem Sicherheitsversagen bei der NSU-Terrorserie – Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde. Dort sollte er eigentlich das NSU-Versagen aufarbeiten und Vertrauen für das Amt zurückgewinnen.
Schon in seiner Amtszeit aber sorgte er für Diskussionen. So zögerte er eine Einstufung der AfD als Prüffall hinaus und soll die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry beraten haben, wie ihre Partei einer Beobachtung entgehen könnte. 2018 musste er seinen Posten schließlich räumen, nachdem er bei den rechtsextremen Unruhen von Chemnitz Hetzjagden bestritten und von „linksradikalen Kräften“ in der SPD gesprochen hatte.
Nicht der erste Geheimdienst-Chef auf Abwegen
Nach seiner Versetzung in den Ruhestand fiel Maaßen mit immer neuen, weit rechten Äußerungen in Interviews, Aufsätzen oder Social Media Postings auf. Politisch blieb Maaßen aber bis vor Kurzem CDU-Mitglied.
Für die Partei trat er 2021 auch zur Bundestagswahl in einem Südthüringer Wahlkreis um Suhl an – und unterlag dort, trotz großer medialer Aufmerksamkeit, dem SPD-Kandidaten Frank Ullrich. Zuletzt hatte die CDU ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen initiiert und ihm eine „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ vorgeworfen.
Schon zuvor hatte der amtierende Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang erklärt, Maaßen schade durch seine „sehr radikalen Äußerungen“ dem Nachrichtendienst. Solche Äußerungen kenne er eigentlich nur „vom äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen“. Und er schließe sich dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein an, der bei Maaßen „eindeutig antisemitische Inhalte“ sehe, so Haldenwang.
Seit einem Jahr ist Maaßen nun Vorsitzender des Vereins Werteunion, welcher eine stramm konservative Ausrichtung der CDU und CSU anstrebte. Erst vor anderthalb Wochen beschloss die Werteunion dann auf Drängen von Maaßen, sich selbst als Partei gründen zu wollen. Deren künftige politische Ausrichtung bezeichnet der 61-Jährige als „liberal-konservativ“, explizit schloss er eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Schon bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst soll die Partei an den Start gehen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich zu der Einstufung von Maaßen am Mittwoch und Donnerstag nicht äußern. Zu Einzelpersonen äußere man sich aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht, so eine Sprecherin.
Auch das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) äußerte sich vorerst nicht. In der Vergangenheit hatte es zu Fragen nach dienstrechtlichen Konsequenzen für Maaßen ebenfalls erklärt, zu Personalangelegenheiten nehme man nicht öffentlich Stellung. Für Beamte im Ruhestand gilt zwar nicht mehr das sogenannte Mäßigungsgebot, aber auch sie dürfen sich nicht gegen die Verfassung betätigen. Andernfalls kann ihr Ruhegehalt gekürzt oder gar gestrichen werden. Erst Ende 2023 hat die Ampel das Disziplinarrecht für Beamte verschärft.
Maaßen ist derweil nicht der einzige Verfassungsschutzpräsident, der sich auf Abwegen befindet. Auch der frühere Thüringer Verfassungsschutzchef Helmut Roewer fiel schon zu Amtszeiten mit Eskapaden auf, später äußerte er sich auf verschwörungstheoretischen Kanälen und erklärte etwa, es sei ein „Märchen“, dass die NSU-Morde rechtsextrem motiviert gewesen seien. Ludwig-Holger Pfahls wiederum, von 1985 bis 1987 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, war etliche Jahre später gar jahrelang abgetaucht und wurde mit Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung gesucht, im Kontext der Affäre um den Waffenhändler Karlheinz Schreiber. Er wurde gefasst und zu einer Haftstrafe verurteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen