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Rechtsruck in BayernDer Schorsch muss weg!

Wenn die Rechten im Aufschwung sind, wird’s für die Linken immer ungemütlicher. Dann sind bald nicht mehr nur die Rechten ihre Gegner.

Im Blasorchester haben trotzdem alle mitgemacht Foto: Anne Schönharting/Ostkreuz

W issen’S, was ich Ihnen sag – ich sag Ihnen, halten Sie sich fern von dem Schorsch. Das ist ein ganz Linker und Nestbeschmutzer und Ökoterror und alles. Wissen’S, was der sagt? Der sagt, dass der Söder ein hinterfotziger Opportunist ist, und was der vom Aiwanger sagt, des kann ich hier gar nicht wiederholen. Und statt AfD sagt er immer nur „die blauen Nazis“. So einer ist der, der Schorsch.

Ich mein, rein menschlich tät ich gar nichts sagen. Der Schorsch hat immer zupacken können, wenn’s wo jemand gebraucht hat, und ein Bier hat man ohne Weiteres mit ihm trinken können. Bloß halt politisch. Früher hat des net weiter g’stört. Da hat man halt gesagt, ja mei, so isser halt, der Schorsch. So ein bissel ein spinnertes G’scheidhaferl halt. Aber jetzt weht ein anderer Wind.

Schaun’S, früher, ja mei, da hat es in einem Dorf auch einen Dorfdeppen geben, und manchmal war das halt bloß einer, der lieber Bildl gemalt hat, als aufs Feld zum gehen. Und es hat eine Dorfhur geben, das war manchmal auch bloß eine, die wo nicht hat heiraten wollen. Und dann, wissen’S noch, hat es auch öfter amal einen Dorfsozi geben, einen, der wo nicht in der CSU war, und irgend so a linke Zeitung abonniert hat.

Dann sind auch solchene „Hippies“ ins Dorf kommen. Die mit den langen Haaren und den Pullovern, die wo immer gesungen haben, mit Hasch und allem. Man hat da und dort auch einen Dorftürken oder einen Italiener gehabt. Also, der Luigi, der hat eine Zeit lang sogar a Pizzeria bei uns gehabt, und der Herr Özdemir, der war Ingenieur oder was. Und dann hat’s sogar die Dorfpunks geben. Wie den Alfons. Der mit seinem Stachelhaar und der Lederjacke. Aber im Blasorchester hat er trotzdem mitgemacht, und beim Hörndlschlittenrennen. Dann sind da auch die Ökos gewesen. Halt so Körndlfresser und Weltverbesserer, alles mit vegan und bio. Mei, ham mir uns denkt, wenn’s denen so g’fallt.

Georg Seeßlen

ist freier Autor und hat bereits über 20 Bücher zum Thema Film veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm: „Coronakontrolle, oder: Nach der Krise ist vor der Katastrophe“ bei bahoe books. Er lebt in Bayern und Italien.

Aber von denen allen ist kaum noch jemand bei uns. Dafür sind so viele aus der Stadt zu uns gekommen und haben ihre eigenen Häuser gebaut und wollen ihre Ruhe und die haben sie auch. Eigentlich gibt es gar keine Störenfriede mehr in unserem Dorf. Außer halt den Schorsch. Der Schorsch ist irgendwie alles. Der Dorfdepp, der Dorfhippie, der Dorfsozi, der Dorfpunk und der Dorf-Öko. Als Dorftürk würd er auch noch durchgehen, schaun’S ihm doch an. Oder er ist halt ein Jud, oder was. Jedenfalls ist er ein Öko-Terrorist und ein Dschänderer, und deswegen gehört er nicht zu den anständigen und den vernünftigen Deutschen, die wo der Aiwanger kennt. Das hat dann auch die AfD­lerin in der Gemeinde gesagt, und die Aiwangers haben Jawohl gesagt, und die CSUler haben nur stumm genickt. Nicht, dass es nachher wieder heißt. Wegen Brandmauer und so.

Wie es noch bloß die CSU und halt den Rest gegeben hat, da war es freilich bei uns noch gemütlicher. Da ist es so gewesen, wie es ist, und damit hat sich’s. Aber jetzt haben wir drei rechte Parteien, und die müssen immer die anderen dazu treiben, noch rechter zu werden, und dazu braucht man einen Zorn auf den Rest, also auf alles, was nicht ganz so ist wie wir. Und jetzt kommt es natürlich auch raus, dass so einer wie der Schorsch viel gefährlicher ist, als wie wir gedacht haben. Nachher klebt der alte Depp sich noch an einen Bulldog und der Michi fahrt ihn übern Haufen, weil der lässt sich seinen Bulldog und seinen Acker doch nicht von so einem, das wär ja noch schöner.

Früher hast du Sozi, Öko, Hippie, Punk oder Depp sein können, und du hast doch dazugehört. Irgendwie

Weil, es is ja so: Früher ham wir g’sagt, also einer kann ein Sozi, oder ein Hippie, oder ein Punk, oder ein Öko sein und trotzdem a ganz simpattischer Mensch. Und wenn eins lieber a Zukkini als wie an Schweinsbraten essen mag, is a recht. Und vielleicht wär des mit dem Bio ja gar kei so schlechte Idee. Aber dann haben’s gesagt, dass die Grünen der Hauptfeind sind. Und dass, wenn einer dschändert, unserne Heimat verloren geht. Und dass es keine Privatsache ist, wenn man eine Bratwurst isst, sondern das ist politisch. Jetzt ist nämlich alles politisch. Dass man nicht von Klima redet, sondern vom Wetter, und das war schon immer so.

Und jetzt hat man keine Dorfhur mehr, sondern alles ist voll von Kwier und Lesbisch und Schwulen. Mit einem wie dem Schorsch kannst du jetzt nicht einmal mehr über das Wetter reden. Oder über an Katarhh, weil gleich heißt’s wieder Covid und Impfen und alles. Über nix kannst mehr reden, weil es wird immer politisch. Und deswegen muss der Schorsch weg. Schon in seinem eigenen Interesse.

Jeder im Dorf weiß, wo er wohnt

Früher hast du Sozi, Öko, Hippie, Punk oder Depp sein können, und du hast doch dazugehört. Irgendwie. Und jetzt ist es genau umgekehrt. Jetzt gibt es immer mehr, die wo nicht dazugehören dürfen. Und dann kommen noch diese Asylanten, und da sind sie sich auf einmal alle einig, dass die nicht da hergehören. Und wenn dann halt einer wie der Schorsch daherkommt und sagt, dass das doch Menschen in Not sind, denen man helfen muss, obwohl wir doch schon gesagt haben, dass uns das überfordern tut, und dass es keinen Platz mehr gibt und wir eh schon so lange beim Zahnarzt warten müssen, dann hört sich halt doch die Liberalitas auf, und der Schorsch muss schon sehr aufpassen, dass ihm nix passiert, weil ja jeder im Dorf weiß, wo er wohnt. Und wie es halt jetzt ist, mit der Regierung und dem Gemeinderat und allem, da wird dem keiner mehr helfen wollen, dem Schorsch.

Mei, menschlich tut es mir ja leid um den Schorsch. Wir ham ja schon manchmal a rechte Gaudi gehabt. Aber es geht halt nicht mehr. Weil, wenn man jetzt mit einem wie dem Schorsch redet, dann denken gleich alle, dass man selber so einer ist. Und dann wird man gleich ganz anders angeschaut. Und es geht ja auch um die Familie und um das Dorf und dass eine Ruhe ist. Und das muss man schon verstehen, dass wir unsere Demokratie verteidigen müssen. Mit so einem wie dem Schorsch geht das halt nicht.

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26 Kommentare

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  • Warum fühlt sich hier jeder in der Lage "bayrischen Dialekt" (genauer gesagt, was andere dafür halten) in Lautschrift wiederzugeben.

    Das ist kulturelle Aneignung - Ich protestiere aufs schärfste und verlange ernste Kosequenzen. ;-)

    • @Münchner:

      A Münchna bschwerd se weil d'Preissn koa Boarisch kinna..

      Kreizkruzifixhallelujah...

      Freija wors bessa, scho allaweil

      • @Tom Lehner:

        genau das meine ich: Offensichtlich gibt es einen gewaltigen Unterschied zuwischen den Bayrischen Dialekten und dem was der Rest der Republik dafür hält.

  • 6G
    684698 (Profil gelöscht)

    Bayern war scho moi da Ursprung fia den brauna baaz. Oafach grod no nasch. Guad gschriebn.

    • @684698 (Profil gelöscht):

      Das war ein Österreicher!

  • da schorsch lebt meines wissens im allgäu, genauer in kaufbeuren. dort wählen kanpp 2/3 der ureinwohner*innen seit jeher pechschwarz mit braunen untertönen. dieses mal verteilten sie es halt etwas fairer auf die mittlerweile wählbaren 3 teile der alten csu: so kommt die braune brut in KF auf knappe 20 %. ihr spitzenkandidat ist beruflich folgerichtig ein "Anlagenführer". zugleich machen um die 18 % ihr hakerl unter aiwangers kreuzle. oder wie ma au sagen könnt: es is zum speibm!



    ps.: die dortige spitzenkandidatin der spd heißt kontrafaktisch susanne sorgenfrei. die wenigen vernunftbegabten können einem in der tiefsten allgäuer provinz schon leid tun...

  • Bin ich froh, dass ich ausm schönen Franken und net dem komischen Altbayern komm. Hier sind die Leute vergleichsweise progressiv

    • @Karim Abidi:

      Franken ist progressiv? Achja? Beschäftigen Sie sich mal mit dem NSU, deren Sympathisantenumfeld und der Separationsbestrebungen der Franken.



      Wenn überhaupt jemand in Bayern "Progressiv" ist dann in der Regel Menschen in Hochschulstädten wie Bamberg, Regensburg usw.

    • @Karim Abidi:

      Ja, der sympathische Maggus lässt grüßen, gelle?

  • Ich vernehme starke Gerhard Polt vibes ☺️



    Wunderbar.



    Leider lässt der Text hinten raus deutlich nach, die Bissigkeit am Anfang hätte gern bis zum Schluss anhalten dürfen.

  • Herr Sesslen, in welchem Dorf in Bayern leben Sie denn? Ich lebe im ländlichen Bayern und kann glücklicherweise sagen, dass der "Schorsch" hier noch ganz gut leben könnte.



    Ich hoffe sehr, es bleibt so, auch wenn mir das Wahlergebnis schon etwas Angst macht.

  • I gib dia gleich oan Schorsch. Kreizkieseldonnerweda. Schau, dass d' weida kummst, du greislicher Saubazi. Oiwei'l so a saudumm's G'red' iba unsare Hoamat Bayern. Scham di, du Nestbeschmutza ...

    • @Nikolai Nikitin:

      Auch Dialekt will gekonnt sein.

  • Mensch Schorsch, da vergoldest Du aber die 70ziger und 80ziger im altersmilden Rückblick etwas: siehe den Text hier vor paar Tagen zu Bayern und Wackersdorf in den 80zigern. Bis auf die sehr lokale Bevölkerung war man da als linker Zausel nicht gerade Teil einer bajuwarischen Willkommenskultur.



    Aber nix für ungut: die Gegenwartsanalyse stimmt.

  • Irgendwie ein bisschen flach, wie die See , nicht der See

  • A Hund is a scho, da Schorsch, nur hoit in da foischen Partei

  • Krass guter Text!

    • @Numitor:

      Brutal.

  • Hallo Schorsch, wennst irgendwo a Asyl brauchst, weg von Bajuwarien, immer gern. Servus

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      …anschließe mich -

  • SO SIND HIER DIE LEUTE - DEGE -

    He, Fremder mit dem Hinkefuß, ich bin der Wirt. Kommt, tretet ein. Ich sah, wie Ihr die Kurve nahmt. Ihr rutschtet in den Graben ′rein. Ein hübscher Wagen, schnell und rot. Wir ziehn ihn morgen früh heraus. Trinkt einen Schnaps vielleicht uach zwei. Ich rat Euch, bleibt in meinem Haus. Die sind voll Misstraun hier die Leut, und haben Hunde scharf gemacht, die spühren jeden Fremden auf. Und dies ist eine helle Nacht. Ihr sagt: Wir leben doch heute! Ja, gewiss - aber so sind hier die Leute. Die Leute sind verbittert, weil die Ernte fault und auch das Geld. Sie suchen den, der schuldig ist an all dem Unglück in der Welt.



    August, der Schäfer, hat den Mann im Traum gesehn. Und in der Tat, derselbe ist's, der Papst Johann und Kennedy ermordet hat. Und der hat einen Hinkefuß wie Ihr und rotes Haar wie Ihr, fährt einen Wagen, schnell und rot, trägt einen Kinnbart so wie Ihr. Ihr sagt: Wir leben doch heute! Ja, gewiss - aber so sind hier die Leute. Hört! Ihre Hunde haben die Spur. Sie kommen. Werft den Mantel um. Warum ist Euer Wagen auch so rot? Das spricht sich schnell herum. Sie haben ihre Forken mit. Der Schulze führt den Haufen an. Der Mond ist voll. Das ist die Zeit, wo keiner nachts hier schlafen kann. Geht ′raus! Die Flucht hat keinen Zweck, denkt nur an Euren Hinkefuß. Und ihre Hunde sind sehr schnell Nein, Ihr erreicht nicht mehr den Fluß. Ihr sagt: Wir leben doch heute! Ja, gewiss - aber so sind hier die Leute. Sie haben ihn noch eingeholt, die Uferböschung war zu hoch, zu hoch für seinen Hinkefuß. Zu weit - zu hoch. Ich sagt' es doch. An einem Telegrafenmast, da hängt schon morgen früh ein Mann. Er hängt an einem Hinkefuß, am andern hängt ein Zettel dran.



    Und wenn die Leute morgen früh zum Hochamt gehen, dann lesen sie: Hier hängt der, der der Mörder war von Papst Johann und Kennedy. Ihr sagt: Wir leben doch heute! Ja, gewiss - aber so sind hier die Leute.

    www.youtube.com/re...egenhardt+fremder+

    • @Lowandorder:

      Na - "unser" Franz-Josef war ja schon immer ein scharfsichtiger und eloquenter Schreiber/Sänger.



      Der bayrische Franz-Josef war zwar auch scharfsichtig und eloquent, doch nur zum Eigennutz und als Wegbereiter für die Folgegenerationen von AMIGOS...



      btw, fast hätten wir uns ja vom Timing getroffen...

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        “BMW - mit den Bremsen eines Gogos!“



        Willy Brandt über FJS •

        (ps timing - “each time is a new time“ by



        Papa Hem;)

        & btw but not only: Herbert Frahm & Paul Stooß



        upload.wikimedia.o...-flucht-plaque.JPG



        Lübeck-Travemünde, Jahrmarktstraße 4: Informationstafel zur Erinnerung an Willy Brandts Flucht nach Dänemark und seinen Fluchthelfer, den Fischer Paul Stooß - Quel homme - both! Liggers.



        encrypted-tbn0.gst...MHAiMP-SQ&usqp=CAU



        “Rettung von Herbert Frahm



        Unvergessen ist der Travemünder Fischer Paul Stooß. Er brachte - neben vielen anderen, die fliehen mussten - in einer Nacht- und Nebelaktion mit seinem Fischerboot einen Genossen namens Herbert Frahm vor den Nazis in Sicherheit. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, welch ein für das demokratische Deutschland und die Welt wichtiger Mann gerettet wurde: Es war kein Geringerer als Willy Brandt, langjähriger Parteivorsitzender, Bundeskanzler und Ehrenbürger der Hansestadt Lübeck.

        "Zwei ins Vertrauen gezogene Genossen, Emil Peters und Herrmann, stellten Kontakte zum Travemünder Fischer und Sozialdemokraten Johannes Johannsen her. Mit dessen Motorkutter TRA 10 fuhr, kaum kontrolliert, der 36jährige Stiefsohn Paul Stooß, ebenfalls ein Linker, jede Nacht zum Fang auf die Ostsee hinaus Richtung Dänemark... Bootseigner Johannsen informiert Stiefsohn Stooß, dass er bei Nacht 'einen von Lübeck, hinter dem sie her sind', nach Dänemark bringen soll: 'Lass niemand in die Kajüte sehen. Mehr brauchst du nicht zu wissen.'"



        www.spd-geschichts...in_Travem%C3%BCnde



        &



        de.wikipedia.org/wiki/Willy_Brandt

        kurz - Allen ins Stammbuch - die die brutalstmöglich inhumane Verhöhnung von Flüchtlingen und deren unzähligen Opfern - zugunsten einer Festung Europa - egoistisch unterirdisch euphemistisch verlogen - einen „AsylrechtsKOMPROMISS“ - zu nennen wagen

  • Joh mei - sauber auf den Punkt gebracht.



    Mir wird vor der Zukunft hierzulande Angst und Bang.....

  • Also ohne die Schorschs auf dieser Wöit, da wiad sie untergehn.