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Religionsunterricht in NiedersachsenGemeinsam, aber nur christlich

Die Evangelische und die Katholische Kirche in Niedersachsen wollen ihren Unterricht ab dem Schuljahr 2025/26 zusammenlegen. Hamburg ist schon weiter.

Soll in Niedersachsen künftig gemeinsam unterrichtet werden: evangelische und katholische Religion Foto: Matthias Bein/dpa

Bremen taz | Evangelische Religion, katholische, islamische oder Werte und Normen? Vor dieser Entscheidung stehen Schüler*innen, nicht nur in Niedersachsen. Hier sollen soll ab dem Schuljahr 2025/26 jedoch nicht mehr evangelische und katholische Religion getrennt unterrichtet, sondern christlicher Religionsunterricht angeboten werden. Das wollen die beiden großen Kirchen.

Der Unterricht bleibe dabei ein konfessioneller, „aber auf einer gemeinsamen christlichen Grundlage“, erklärt Kerstin Gäfgen-Track. Sie ist Oberlandeskirchenrätin und Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Ein Grund dafür sei die „ökumenische Einsicht, dass die christlichen Kirchen gerade im Schulbereich anstehende Herausforderungen und Aufgaben gemeinsam wahrnehmen sollten“. Der neue Unterricht lasse das „ökumenische Miteinander auch in der Schule erkennbar werden“, schreibt auch ein Sprecher des Katholischen Büros Niedersachsen.

Mit dem Vorschlag kann laut Gäfgen-Track Leh­re­r*in­nen „eine bessere Unterstützung angeboten werden, indem die Kerncurricula angepasst werden und bereits in der Ausbildung und bei der Bereitstellung von Lehrbüchern und Unterrichtsmaterial die ökumenische Perspektive einbezogen wird“.

Zudem werde der Unterricht für Schü­le­r*in­nen ohne Konfessionszugehörigkeit attraktiver sein als das Angebot getrennten Unterrichts. „Denn in diesem Fall wird den Schüler*in­nen eine Vorentscheidung für eine der Konfessionen abverlangt, bevor sie im Religionsunterricht Kriterien für ihre Entscheidung kennenlernen können“, sagt Gäfgen-Track.

Rechtliche Fragen zu klären

Die Gespräche dazu, auch mit Ex­per­t*in­nen außerhalb der Kirchen, laufen bereits seit zehn Jahren. „Der Zeitplan der Kirchen sieht vor, dass es frühestens zum Schuljahr 2025/26 zur Einführung kommt“, sagt Gäfgen-Track – „vorausgesetzt, das Land Niedersachsen beschließt entsprechend.“

Das Land Niedersachsen begrüße den Wunsch der Kirchen, schreibt der Sprecher des Kultusministeriums, Ulrich Schubert. Zurzeit spreche das Land mit den Kirchen über eine Umsetzung. Beschlossen sei noch nichts. „Die konkrete Ausgestaltung eines solchen neuen Unterrichtsfaches ist komplex und will gut vorbereitet sein“, sagt Schubert. Zudem müssten rechtliche Fragen geklärt werden.

Das weiß auch Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), die den Vorschlag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst „zeitgemäß“ nennt: „Er wird zu einer Verständigung führen.“ Zudem sei das Modell „sehr pragmatisch, weil getrennter christlicher Unterricht gar nicht mehr überall angeboten werden kann“. Die rechtlichen Fragen wolle man lösen, „damit das Modell nicht womöglich mit Klagen einhergeht“. Etwa, wenn Eltern auf einen rein evangelischen Religionsunterricht beharren.

Die Schwierigkeit: Laut Artikel Sieben des Grundgesetzes wird der bekenntnisorientierte Religionsunterricht an öffentlichen Schulen „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt. Den Unterricht einfach abzuschaffen, staatlich zu organisieren oder zusammenzulegen – all das kann ein Bundesland nicht allein entscheiden.

Ausnahme ist Bremen: Grund dafür ist Artikel 141 im Grundgesetz, die so genannte Bremer Klausel. Sie besagt, dass Artikel Sieben in den Ländern nicht anzuwenden ist, die in dieser Frage schon ältere landesrechtliche Regeln erlassen hatten. Das war, in Westdeutschland, nur Bremen, das in seiner Landesverfassung 1947 einen „bekenntnismäßig nicht gebundenen Unterricht in biblischer Geschichte“ festgeschrieben hatte.

Das heißt: Weder wird im Lande von den Schü­le­r*in­nen Religionszugehörigkeit erwartet, noch muss die Lehrkraft an irgendetwas glauben. Und anstelle der Kirchen und Religionsgemeinschaften bildet der Staat die Lehrkräfte aus und organisiert den Unterricht – als Pflichtfach.

Andere Religionen nicht einbezogen

Hamburg hat mit dem „Religionsunterricht für alle“ seit 2019 einen ganz eigenen Weg eingeschlagen: Zahlreiche Glaubensgemeinschaften haben sich per Staatsvertrag darauf geeinigt, dass der Unterricht von Leh­renden unterschiedlichen Bekenntnisses gegeben wird, und nicht wie vorher allein in der Hand der Evangelischen Kirche liegt. Auch der Inhalt wird gemeinsam bestimmt.

In Niedersachsen stand das nicht zur Debatte. „Der Christliche Religionsunterricht ist aus unserer Sicht der bessere Weg für alle Schüler*innen“, sagt Gäfgen-Track von der Evangelischen Kirche. Denn: Ein Religionsunterricht für alle setze die Lehrkraft unter Druck, allen Schü­le­r*in­nen gleichermaßen gerecht werden zu müssen. Zudem würde mit ihm der Verlust des bekenntnisgebundenen, konfessionellen Unterrichts einhergehen, „wie er im Grundgesetz garantiert ist“.

Seit 2013 wird der islamische Religionsunterricht in Niedersachsen angeboten. „Mittlerweile wird er an 75 Schulen in Niedersachsen als Regelfach unterrichtet“, teilt das Kultusministerium mit. Er biete muslimischen Schü­le­r*in­nen die Möglichkeit, „ihre Religion vor dem Hintergrund des Lebens in einer westlichen, oft noch weitgehend christlich geprägten Gesellschaft kritisch-konstruktiv zu reflektieren“.

Der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, des Landesverbandes der Muslime, wünscht sich Verbesserungen. Es gebe in den Schulen Bedarf, sagt Kerim Ocakdan. Man investiere in die Ausbildung von Lehrenden und werbe dafür in den Gemeinden. „Trotz dieser Bemühungen können viele Schulen keinen Unterricht anbieten“, sagt Ocakdan. Es gebe jedoch intensive Gespräche mit dem Kultusministerium, um das Problem zu lösen.

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7 Kommentare

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  • Ausnahme ist nicht nur Bremen, wie Götz schreibt. Der Artikel 141 im Grundgesetz, die so genannte Bremer Klausel, gilt auch für Berlin. Damit ist der Plan der schwarz-roten Koalition, Religion zu einem ordentlichen Unterrichtsfach zu machen, verfassungswidrig.

    @WINNETAZ: Nicht der Staat nimmt Einfluss auf die Religion, sondern umgekehrt. Deshalb gibt es überhaupt den staatlichen Religionsunterricht – er dient dem alleinigen Zweck, den Religionsgemeinschaften Mitglieder zuzuführen. Und nur aufgrund der religiösen Bevormundung haben wir zahlreiche Gesetze, die ausschließlich religiös motiviert sind.







    Apropos „Schäfchen“: Wie können sich erwachsene Menschen so unmündig machen, dass sie sich freiwillig als Schäfchen bezeichnen lassen?

    • @Runa:

      Das Wörtchen hat eher eine nicht wertschätzende Verwendung außerhalb der Kirchen.

      Von welchen religiös motivierten Gesetze sprechen Sie? Das Mord-Verbot wegen 10 Gebote und so? Wollen Sie das abgeschafft haben?

      • @Rudolf Fissner:

        Es wäre zu begrüßen, wenn die Kirche selbst dieses Gebot eingehalten hätte.



        Ich spreche zum Beispiel von diesen Gesetzen:



        -§218 StGB (Abtreibungsverbot, da sich auf die christliche Lehre von der Simultanbeseelung stützt),



        -§219(Zwangsberatung mit dem Ziel, den Abbruch der Schwangerschaft zu verhindern, und damit Bevormundung von Frauen),



        -§166 StGB („Blasphemieparagraph“, der angeblich den öffentlichen Frieden schützen soll, aber religiöse Fanatiker zu Gewalttätigkeiten ermuntert – ein Paragraph, der das Opfer noch einmal bestraft),



        -§1631d BGB (Beschneidung von männlichen Kindern; schätzt die Religionsfreiheit der Eltern höher ein als die körperliche Unversehrtheit von Kindern),



        -weitgehende Straffreiheit für übergriffige Kleriker, weil der Staat das der katholischen Kirche selbst überlässt



        -kirchliches Arbeitsrecht, mit dem die Kirchen in das Privatleben ihrer Angestellten hineinregieren



        und auch der Religionsunterricht in staatlichen Schulen gehört dazu.

    • @Runa:

      In der Geschichte hat der gegenseitige Einfluss von Staat und Religion selten Gutes hervorgebracht. Das ging für das Christentum schon mit Kaiser Konstantin los. Da hätten sich die Christen nie drauf einlassen dürfen. Der Islam hat sich von Anfang an politisch verstanden und sich auch als Herrschaftsanspruch verstanden. Eine unselige Kombi.

      Dennoch: Staaten sind im Vergleich zu Religionen kurzlebige Gebilde. Religionen überdauern Staaten - nicht umgekehrt. Insofern ist die Furcht vor falschem Einfluss/Religiöser Unfreiheit/Verfolgungsdruck/Verwässerung der reinen Lehre doch eher eine Sorge der Religionen.

      Böse Staaten haben oft Religionen für sich vereinnahmt oder unterdrückt. Hitler hat es gemacht, Stalin auch. Auch Putin instrumentalisiert die Orthodoxie.

    • @Runa:

      "Schäfchen" ist doch eher ein Begriff, auf dem Säkulare rumreiten.

      Als Selbstbezeichnung von Christen ist er nicht sehr verbreitet.

  • Dass Staat und Kirche hier überhaupt zusammenarbeiten, das ist per se schon irgendwie bedenklich. Es erweckt den Eindruck, dass der Staat nicht ganz unparteiisch ist in Sachen Religion und dass er u.U. Einfluss auf die Religion(en) nehmen könnte.

    Aber wenn man es schon macht, dann wäre ich schon dafür, dass jede Religion ihre Schäfchen zunächst einmal selbst und separat unterrichtet. Es ist für junge Menschen wichtig, ihre eigene (bzw. die elterliche) religiöse Identität erst einmal gründlich kennenzulernen. Erst wenn man sich selbst gefunden hat, kann man im Anschluss daran mit anderen in den interreligiösen Dialog auf Augenhöhe eintreten. Respekt für die anderen zu lehren und zu lernen gehört so oder so dazu. Das sollte aber jeder Religionslehrer ohnehin wissen - ist quasi eine Einstellungsbedingung.

    • @Winnetaz:

      "Dass Staat und Kirche hier überhaupt zusammenarbeiten, das ist per se schon irgendwie bedenklich."

      Bedenklich wäre es nur wenn der Staat mit relevanten gesellschaftlichen Gruppen NICHT zusammen arbeiten würde und einen autoritären Striemel durchziehen würde.