Lässt Markus Söder den Aiwanger fallen?

Dem Ministerpräsidenten genügt die dürre Erklärung seines Stellvertreters in der Affäre um das Nazipamphlet nicht. Aiwanger muss sich im Koalitionsausschuss rechtfertigen

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder

Der Mann zu seiner Rechten wird für Markus Söder zum Problem Foto: Frank Hoermann/picture alliance

Aus München Dominik Baur

Karl Freller ist nicht irgendwer. Der CSU-Politiker ist Vizepräsident des Bayerischen Landtags und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Wenn sich Freller als einer der wenigen CSU-Politiker bisher in aller Ausführlichkeit zur Causa Aiwanger äußert, hat dies also ein gewisses Gewicht. Und gibt vielleicht ein bisschen einen Vorgeschmack auf die Stimmung, auf die der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger an diesem Dienstagvormittag im Koalitionsausschuss treffen dürfte.

Ministerpräsident Markus Söder bestellte die Freien Wähler am Montag zu einer Sondersitzung des Ausschusses ein, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann mitteilte. Dort soll der Freie-Wähler-Chef offene Fragen zu der Affäre um das antisemitische Flugblatt beantworten, das in den achtziger Jahren in seiner Schultasche gefunden worden war. Es geht um einen fiktiven Bundeswettbewerb „Wer ist der größte Vaterlandsverräter?“. Als erster Preis winkt „ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“, eine Verhöhnung von Holocaust-Opfern.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung über die mutmaßliche Urheberschaft Aiwangers berichtet hatte, bekannte am Wochenende dessen Bruder Helmut, das Flugblatt verfasst zu haben. Der Minister selbst räumte ein, es bei sich getragen und möglicherweise weitergegeben zu haben.

Freller sagte am Montag im Deutschlandfunk, das Pamphlet sei „so unsäglich und widerwärtig, dass man nicht mehr von einem Dummenjungenstreich sprechen kann“. Es sei bewusst antisemitisch formuliert worden und nicht entschuldbar. Deshalb müsse die Urheberschaft zweifelsfrei geklärt werden. „Dieses Bekenntnis seines Bruders, er habe es geschrieben, das löst noch ziemlich viele Fragen aus.“

Dabei hängt aus Sicht Frellers nicht alles nur an der Frage, wer der Verfasser ist. „Verteilen ist nahe am Verfassen“, so der Politiker. „Auch das ist nicht ohne. Wenn ich ein solches Flugblatt unter Leute bringe, dann muss ich es nicht unbedingt gleich selbst verfasst haben.“ Er wolle noch keinen Stab über Aiwanger brechen und die weitere Klärung der Angelegenheit abwarten. Freller sagte jedoch auch: „Die Freien Wähler sind in einer Situation, wo sie möglicherweise auch sagen müssen, es geht so nicht mehr weiter.“

Allein die Vorstellung, die Freien Wähler könnten sich von ihrem Chef trennen, war bis zu diesem Wochenende völlig undenkbar. Schließlich ist der Landesverband weitgehend eine One-Man-Show. Die Freien Wähler ohne Aiwanger – das würde nicht nur den Wahlkampf auf den Kopf stellen, sondern auch künftige Regierungsoptionen müssten völlig neu sortiert werden. In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Bislang galt eine Fortsetzung der Koalition aus CSU und Freien Wählern als wahrscheinlichste Option.

Die Freien Wähler ohne Aiwanger – das würde nicht nur den Wahlkampf auf den Kopf stellen

Söder hatte sich bislang nur knapp zu der Affäre geäußert. Am Samstag nannte er das Pamph­let „geradezu eklig“ und forderte weitere Aufklärung von Aiwanger. Punkt. Staatskanzleichef Herrmann ergänzte nun, man habe Aiwangers schriftliche Erklärung, er sei nicht der Verfasser des Flugblatts, zur Kenntnis genommen. „Aber es bleiben viele Fragen offen. Diese kann nur Hubert Aiwanger persönlich beantworten. Wir erwarten, dass dies zeitnah geschieht.“ Die Vorwürfe seien zu ernst, als dass sich ein stellvertretender Ministerpräsident nur schriftlich dazu äußere und entscheidende Fragen unbeantwortet lasse. „Es geht um das Ansehen Bayerns.“

Die bayerische Opposition fordert eine sofortige Stellungnahme Söders, die SPD auch eine Sondersitzung des Landtags. In dieser will Parteichef Florian von Brunn die Entlassung Aiwangers auf die Tagesordnung setzen lassen. Um eine Sondersitzung zu beantragen, bräuchte die SPD allerdings die Unterstützung der beiden anderen Fraktionen. Diese halten sich die Entscheidung noch offen.