piwik no script img

Erster BevölkerungsschutztagPreppen als Volksfest

Ohne Ehrenamt ist der Einsatz bei Bränden oder Hochwasser unmöglich. Innenministerin Faeser will mit Härte gegen Gewalt gegen Rettungskräfte vorgehen.

Tag des Bevölkerungsschutzes in Potsdam: Bundesinnenministerin Faeser im Kreise der Bundespolizei Foto: dpa

Potsdam taz | Als pünktlich um 13 Uhr der Alarm schrillt, Handys vibrieren, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon viel gelacht. Mit den Jugendlichen vom Technischen Hilfswerk THW, beim Blackout-Quiz vom Katastrophenschutzamt, mit dem Ministerpräsidenten Brandenburgs, Dietmar Woidke. Faeser ist an diesem Samstag nach Potsdam gereist, zum ersten sogenannten Bevölkerungsschutztag, den Bund und das Land Brandenburg gemeinsam ausrichten. Der Alarm ist eine Probewarnung. Quasi eine Art Showeinlage neben der simulierten Höhenrettung, dem Katastropheneinsatz am Wasser, dem Probesitzen im Bundeswehrlaster.

Das Thema ist sperrig. Nur wenige wollen sich in Zeiten, wenn keine Gefahr droht, mit möglichen Bedrohungen auseinandersetzen. Hochwasser, Brände, Stromausfälle, Cyberangriffe: Ja, das gibt es, sagen viele Be­su­che­r:in­nen in Potsdam. Aber ist doch unwahrscheinlich, dass es mich trifft, lautet der nachfolgende Satz. Einen Notfallrucksack mit Lebensmitteln, eine Dokumentenmappe, Medikamente, Taschenlampen oder Wasser- und Essensvorräte für zwei Wochen (28 Liter Wasser pro Person empfiehlt die ausgelegte Checkliste) haben die wenigsten gepackt oder parat.

Wer die Menschen trotzdem zu Preppern machen will, muss Spaß am Schutz verbreiten. Freude am Ehrenamt allemal. So werden denn auch Faeser, Woidke und Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert an diesem Tag nicht müde, sich immer und immer wieder bei den vielen Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehr, der Rettungskräfte, beim THW, bei Polizei in Bund und Länder und der Bundeswehr zu bedanken.

Allein in Brandenburg sind es an die 40.000 Personen, die ehrenamtlich, also ohne Bezahlung, ausrücken, wenn der Wald brennt, wenn Hochwasser die Keller füllt oder Häuser in Flammen stehen. Sie setzen damit auch ihr Leben aufs Spiel, merkt Faeser an. Und: Gewalt jeglicher Art gegen Einsatzkräfte dulde sie nicht. Sie erinnert dabei an die Krawalle in Berlin in der Silvesternacht, an die Angriffe auf Krankenwagen und Feuerwehrleute. Wer die attackiere, werde „die volle Härte des Rechtsstaats“ zu spüren bekommen, sagt Faeser.

Klimakrise wird sichtbarer

Dass der Bevölkerungsschutz raus aus der Nische muss, das ist das Credo der Ver­tre­te­r:in­nen von Kommunen, Land und Bund, und sie belegen es mit Beispielen aus der jüngsten Zeit. Faeser erzählt vom Jahrhunderthochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor zwei Jahren. Woidke spricht von den Waldbränden in Jüterborg vor wenigen Wochen und in Treuenbritzen im vergangenen Jahr. Brandenburg hat viel trockenes, sandiges Land. Die Folgen der Klimakrise werden von Jahr zu Jahr sichtbarer – und damit steigt auch die Gefahr für Waldbrände.

Hinzu kommt, dass Brandenburg das Bundesland mit der höchsten Anzahl mit durch Munition verseuchten Flächen ist. Bei der zuständigen Kampfmittelbeseitungseinheit, die in Potsdam einige ihrer „Fundstücke“ an Minen, Mörsern oder Granaten ausstellt, geht man von Stückzahlen in Millionenhöhe aus, die noch immer in den Böden vergraben sind. Potsdams Oberbürgermeister Schubert macht dann noch eine weitere Baustelle auf: Cyberattacken auf Verwaltungen. Ende 2022 kämpfte die Stadtverwaltung gegen einen digitalen Angriff. Erst Wochen später waren alle Behörden online wieder vollständig erreichbar.

Die Baustellen sind da, jede Menge wird getestet, mit Robotern, die im Katastrophenfall zum Einsatz kommen, dazu, wie Krisenstäbe gut zusammenarbeiten, wie Informationen im Notfall schnell an die Bevölkerung kommen. Zum Beispiel via Cellbroadcast, einer Warnung, die alle fähigen Mobiltelefone im Ernstfall bekommen, sofern die Funkzellen funktionieren.

Jetzt muss nur noch die Bevölkerung mitmachen. Und die muss erstmal verstehen, wer eigentlich wofür zuständig ist. Die Bundeswehr für die Landesverteidigung oder wenn sie im Katastrophenfall um Amtshilfe angefragt wird. Die Länder für den Katastrophenschutz, beispielsweise bei Hochwasser. Die Freiwillige Feuerwehr läuft über die Kommunen.

Zeitenwende – der Begriff fällt in etlichen Grußworten. Und auch an den Ständen machen die Spre­che­r:in­nen klar, dass spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und mit der sich verschärfenden Klimakrise andere Zeiten begonnen haben. Es ist der erste Bevölkerungsschutztag dieser Art. Künftig soll es jedes Jahr eine solche Aktion geben, bundesweit und in verschiedenen Städten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Danke für diesen Bericht!



    Den Ehrenamtlichen ist, in der Tat zu danken.



    So haben das THW und unabhängige HelferInnen nach der Flutkatastrophe, an der Ahr, wirklich tolle Arbeit geleistet.



    Auch wenn es noch dauern wird, so ist mittlerweile zu sehen, was schon Alles geschafft wurde.



    Das Ehrenamt ist ein Zeichen für eine Gesellschaft, die sich selbst verbessern und prägen will.



    Es verhält sich bei diesem Thema aber ähnlich wie mit der Photovoltaik auf dem Dach: wenn keine Nachkommen die Lücken schließen, sieht es für die Zukunft schlecht aus. Eine Wende in der Klimapolitik macht sich nicht von selbst.



    Gleiches gilt für Dienste im Katastrophenschutz und den NGOs.



    Die Gesellschaft muss der wachsenden Gruppe der Undemokraten zeigen, dass sie integriert und funktioniert.



    Integration beziehe ich in diesem Zusammenhang nicht nur auf Zugewanderte, sondern auch auf Menschen,die vereinsamt, verloren sind. Wir dürfen diese nicht den Rechten überlassen.



    Die Flut an Helferinnen nach der Flut im Ahrtal war ein deutliches Zeichen für die Hilfsbereitschaft der Deutschen. Gleiches gilt für die "Flüchtlingskrise" und die Folgen des Ukrainekriegs.



    Für die alltägliche Sicherheit und Entwicklung der Gesellschaft um Besseren sind aber auch dauerhafte Anstrengungen nötig.



    Bei der Fülle von Angeboten ist für Jede und Jeden was dabei.



    Zusammen arbeiten kann einfach Spaß machen und gemeinsame Erfahrungen und Erfolge stärken und entschädigen.



    Eine Gesellschaft ist für Ihren Zustand selbst verantwortlich.



    Es nützt nichts, immer auf Andere zu zeigen, nur Mitmachen hilft!

  • Vorräte für 2 Wochen mit Mindestlohn und Kindern nicht zu bewerkstelligen.

    • @pablo:

      Die Kosten für die Vorräte sind tatsächlich nicht das Problem. Zumal es sinnvoll ist, rotierende Vorratshaltung zu betreiben. Sprich Sie kaufen einfach von allem haltbaren, was Sie regelmäßig essen, jede Woche ein Stück mehr als Sie brauchen, so können Sie den Vorrat in wenigen Monaten auf die passende Menge aufstocken. Danach kostet es nichts mehr, weil Sie nur noch auffüllen, was Sie verbrauchen.



      Das größere Problem dürfte in Innenstädten tatsächlich der Platz sein. Doch wenn man von den üblichen Aufteilungen der Schränke mal weggeht, findet sich in jeder Wohnung ein Fach, in welchem Nudeln und Konservendosen untergebracht werden können. Das Wasser nimmt den größten Platz ein. Doch gerade die billigen Sixpacks sind gut stapelbar. Auch oben auf einem Schrank oder unter dem Bett hinter den Unterbettkommoden.

    • @pablo:

      Natürlich ist das "zu bewerkstelligen"!



      Es handelt sich ja nicht um eine jahrelange Einlagerung, sondern es wird laufend verbraucht/ersetzt.

      Hier ist der Link zum Download der Broschüre des zuastämdigen Ministeriums:



      www.bbk.bund.de/Sh...blicationFile&v=15







      Also, für 14 Tage pro Person:



      15 Liter (2 Liter Wasser pro Person und Tag pPT) Mineralwasser PET ab 0,18€/l



      oder Leitungswasser (alle 2 Tage tauschen)



      7 kg Pasta (500gpPT) ab 1,47€/kg



      Alternativ Couscous (muss nicht gekocht werden) ab 2,30€/kg



      2 kg Pesto (140gpPT) ab 6,26€/kg



      oder 2l Ketchup ab 1,59€/l



      Vitamintabletten: 20 St, ab 0,65€



      zusätzlich: Gaskocher, Gaskartuschen (ca. 50€ für 4 Personen / 14 Tage insgesamt)



      Das ist die Grundversorgung, lange haltbare Konserven tun es auch ujnd müssen nicht gekocht werden. Ja, das Essen ist eintönig, aber in der Situation gibt es andere Unannehmlichkeiten. Die Vorratskosten pro Person belaufen sich bei der Grundversorgung für 14 Tage auf :



      2,70€ Wasser



      10,30€ Pasta



      3,18€ bis 12,52€ für Pest oder Ketchup



      0,65€ Vitamintabletten.



      also bei 16€ bis 26€ bei einem oder mehreren Samtstagseinkäufen pro Person.



      Das kriegt auch der Mindestentlohnte hin.

      PS Nein, es macht keinen Spass, zwei Wochen lang täglich nur Pasta mit Sauce zu essen, aber der pysiologische Brennwert deckt den Kalorienbedarf, Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß sind ausreichend vorhanden und für die Vitamine gibt es die Tabletten.



      Ich habe mich einmal in dieser Form fast einen Monat lang ernährt. Nein, es macht keinen Spass, aber es ist erst mittelfristig eine Mangelernährung, die Vitamintabletten gleichen einige Zeit lang aus.

    • @pablo:

      Besonders nicht, wenn man in einer Wohnung lebt - allein der benötigte Platz dürfte nicht vorhanden sein. Davon abgesehen wird die Empfehlung wohl die Maximalvariante sein, also für die Hallig bei Sturmflut oder irgend ein abgelegenes Alpental im strengen Winter. Der Normalberliner dürfte mit 3 Tagen gut versorgt, wobei viele morgens nicht genug im Kühlschrank haben um Abends davon essen zu können. Lieferdienste und Spätis machens möglich