NSU-Terroristin vor U-Ausschuss: Zschäpe verneint Tatort-Helfer
Der bayerische NSU-Ausschuss befragte Beate Zschäpe als Zeugin. Die bleibt bei früheren Aussagen zu der Rechtsterrorserie.
Der NSU hat von 2000 bis 2007 zehn Menschen erschossen und drei Sprengstoffanschläge verübt. Die Terrorserie begann in Bayern, hier fanden fünf der Morde statt. Bis heute sind Fragen etwa nach der Opferauswahl oder Waffenlieferanten offen. Seit einem Jahr tagt in Bayern deshalb bereits zum zweiten Mal ein NSU-Untersuchungsausschuss, der zuletzt noch einmal damalige Ermittler, Verfassungsschützer oder Szeneangehörige anhörte.
Am Montag nun befragte der Ausschuss seine heikelste Zeugin: Beate Zschäpe. Der Ausschuss reiste dafür eigens in die JVA Chemnitz. Dort sitzt die 48-Jährige seit ihrer Verurteilung zu lebenslanger Haft vor dem Oberlandesgericht München im Jahr 2018 ihre Strafe ab. Rund acht Stunden wurde Zschäpe dort nichtöffentlich befragt. Aus „Sicherheits- und Platzgründen“ sei nichts anderes möglich gewesen, teilte der Ausschuss mit. Es war das erste Mal, dass sich die Rechtsextreme nach dem Urteil in München zum NSU-Terror äußerte.
Zschäpe gehörte neben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Kerntrio des NSU, gemeinsam waren die drei Rechtsextremen 1998 in Thüringen abgetaucht. Erst 2011 war die Gruppe nach einem gescheiterten Bankraub aufgeflogen – Mundlos und Böhnhardt erschossen sich, Zschäpe stellte sich der Polizei. Im NSU-Prozess hatte sie erst gegen Ende ihr Schweigen gebrochen – und alle Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben. Sie selbst habe stets erst im Nachgang davon erfahren und auch das NSU-Bekennervideo nur verschickt, weil sie es den beiden Uwes versprochen hatte.
Alle Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben
Diese Version wiederholte Zschäpe laut Teilnehmenden auch am Montag in der Befragung des bayerischen NSU-Ausschusses. Böhnhardt und Mundlos hätten alle Morde selbst geplant und ausgeführt und die Tatorte allein ausgespäht, habe Zschäpe dort erklärt, sagte im Anschluss der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl (Grüne). Helfer an den Tatorten habe es nicht gegeben, auch in Bayern nicht.
Die Betroffenen seien Zufallsopfer gewesen, die nur nach ihrem türkischen Erscheinungsbild ausgesucht worden seien. Anders als von Zeugen behauptet, will Zschäpe auch nicht mehrmals in Nürnberg gewesen sein. Zwar sei Uwe Mundlos verantwortlich für die Vernetzung der Gruppe gewesen. Aus Angst entdeckt zu werden, habe sich das Trio aber nach und nach immer weiter abgeschottet.
Gerade für die Anfangszeit habe Zschäpe aber Helfer benannt, so Schuberl. Allen voran den früheren Anführer des rechtsextremen Thüringer Heimatschutz, Tino Brandt. Dieser habe mit dem Trio über Telefonzellen Kontakt gehalten und auch eine Spende in vierstelliger Höhe von der Szeneeminenz Peter Dehoust weitergegeben. Dass das Trio nicht aufflog, nachdem Brandt 2001 als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutz enttarnt wurde, habe sie sehr überrascht, soll Zschäpe erklärt haben.
Auch einen zweiten Helfer habe Zschäpe am Montag benannt: den früheren Bloud&Honour-Aktivisten Jan W., der dem Trio eine Waffe überbracht habe. Ihn nannte Zschäpe jedoch auch schon im NSU-Prozess. Gegen Jan W. stellte die Bundesanwaltschaft zuletzt ihre Ermittlungen wegen seiner Hilfen für den NSU ein – ebenso wie gegen vier andere Helfer.
Weiter Streit über mögliche Tatorthelfer
Laut den Ausschussmitgliedern hat Zschäpe aber nochmals ihre Beteiligung an der Mordserie bedauert. Schon im NSU-Prozess hatte sie sich bei den Opfern entschuldigt: Sie habe nicht ausreichend auf Mundlos und Böhnhardt eingewirkt, um die Morde zu verhindern. Am Montag nun habe Zschäpe erneut eingeräumt, dass sie mitschuldig an den Morden sei, so die Ausschussmitglieder. Sie habe die Taten nicht gewollt, aber mit ermöglicht – damit fühle es sich an, als hätte sie selbst abgedrückt. Zschäpe habe erklärt, sie hätte die Morde verhindern können, wenn sie sich der Polizei gestellt hätte. „Das hatte eine neue Qualität“, erklärte Schuberl.
Der Ausschussvorsitzende zeigte sich zufrieden mit der Befragung. Diese habe „die Rekonstruktion so mancher Puzzlestücke“ im NSU-Komplex ermöglicht. CSU-Mann Holger Dremel betonte, nun sei klar, dass es keine NSU-Helfer an den Tatorten gab. Genau davon ist der SPD-Mann Arif Tasdelen nicht überzeugt. Zschäpe sei in diesem Punkt „nicht sehr glaubwürdig“ gewesen, sagte er. Einige Tatorte seien für Ortsunkundige kaum zu entdecken gewesen, auch der frühere bayerische Innenminister Günter Beckstein glaube an weitere Helfer. „An der Stelle habe ich noch sehr viele Fragezeichen“, so Tasdelen. Auch Opferfamilien hatten immer wieder betont, dass sie von NSU-Helfern an den Tatorten ausgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei