Schwarz-rote Koalition in Berlin: Natürlich nur das Beste
CDU und SPD stellen ihren Koalitionsvertrag vor. Ein Schwerpunkt: Klimaschutz und Verkehrswende. Noch muss allerdings die SPD-Basis zustimmen.
Wegner nannte als große Themen die Mobilitätswende, Vielfalt, Klimaschutz und eine funktionierende Verwaltung. Man werde den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Taktzeiten „deutlich verbessern“. Mit Angeboten und nicht mit Verboten wolle man Menschen überzeugen, auf Busse und Bahnen umzusteigen. Wegner betonte aber auch: „Menschen, die mit dem Auto unterwegs sein wollen, werden ihren Platz haben.“
Im Nachgang der viel diskutierten Silvesterrandale kündigte der voraussichtliche künftige Regierende Bürgermeister eine größere Wertschätzung der Polizei und der Sicherheitskräfte an: „Sie werden spüren, dass die neue Koalition hinter ihnen steht.“ Auch diese Aussage ist eine explizite Kritik an der bisherigen Regierung. Die Sicherheitskräfte sollten besser ausgestattet werden und dafür sorgen, dass „die Stadt sicherer und sauberer“ wird.
Zu der umstrittenen Namensabfrage seiner Fraktion nach den Silvesterübergriffen äußerte sich Wegner nicht explizit. Auf Nachfrage erklärte Co-SPD-Chef Raed Saleh dazu: „Wir haben eine gemeinsame Grundlage: Berlin ist die Stadt der Vielen. Das verbindet uns.“ Das auch wahltaktisch motivierte Vorgehen der CDU nach Silvester hatte der Partei sogar aus SPD-Kreisen einen Rassismusvorwurf eingetragen. „Der Wahlkampf war am 12. Februar vorbei“, sagte Wegner lediglich dazu.
Sondervermögen für Klimaschutz
Als eine große Baustelle haben CDU und SPD die Verwaltung identifiziert. „Viele Berlinerinnen und Berliner kritisieren: Die Verwaltung muss besser werden“, sagte Wegner. Daher wolle man die Digitalisierung vorantreiben und klare Zuständigkeiten zwischen dem Land und den Bezirken schaffen, die in Berlin die kommunale Ebene bilden. „Das wird nicht ganz einfach, das wissen wir“, gab Wegner zu. Die Berliner Verwaltung ist seit Jahren in der Kritik: Termine auf Bürgerämtern zum Beispiel sind Mangelware, die reguläre Wartezeit beträgt oft zwei Monate oder mehr.
Auch Klimapolitik hat die wohl künftige Regierung als Herausforderung erkannt – auch jenseits des gescheiterten Volksentscheids vor einer Woche. „Klimaschutz ist vielen Menschen und auch uns wichtig“, sagte Giffey. Deshalb habe man sich auf ein „bundesweit in dieser Höhe einmaliges Sondervermögen“ verständigt. Mit bis zu 10 Milliarden Euro, finanziert durch Kredite, solle die Klimaneutralität der Stadt schneller erreicht werden. Der bisherige rot-grün-rote Senat hatte als Zieljahr 2045 vereinbart. „Berlin soll beim Thema klimaneutrale Stadt Vorreiter sein“, so Giffey.
Insgesamt haben sich beide Parteien also viel vorgenommen. Das schlägt sich auch bereits im Titel des 136-seitigen Koalitionsvertrags nieder: „Das Beste für Berlin“. Dabei hat die neue Koalition lediglich dreieinhalb Jahre Zeit, ihre Ziele umzusetzen. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass auch die meisten Senator*innen neu im Amt sein werden.
Über die neuen Senator*innen wurde nichts bekannt
Über Namen ist am Montag noch nichts Offizielles bekannt gegeben worden. Nur die Verteilung zwischen den beiden Parteien ist festgelegt: CDU und SPD erhalten je fünf Senator*innenposten – auch das ist ein Erfolg für die Sozialdemokrat*innen, die bei der Wiederholungswahl am 12. Februar mit 18 Prozent zehn Prozentpunkte hinter der CDU landeten. Auch Giffey könnte dem neuen Senat wieder angehören; auf welchem Posten, blieb unklar. Die CDU wird künftig unter anderem den Finanzsenator*in und die Umweltsenator*in stellen.
Die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl war nötig geworden, nachdem das Landesverfassungsgericht die Wahl vom September 2021 für ungültig erklärt hatte. Grund waren die zahlreichen Pannen gewesen: Stimmzettel fehlten oder waren fehlerhaft, teils waren die Wahllokale wegen langer Schlangen bis nach 20 Uhr geöffnet.
Die CDU gewann die Wahl klar – allerdings hätte auch das bisherige rot-grün-rote Bündnis weiterhin eine Mehrheit gehabt. Doch die SPD entschied nach den Sondierungen, eine Koalition mit der CDU anzustreben. Vor allem zwischen SPD und Grünen hatte es, so vor allem die Darstellung der Sozialdemokrat*innen, zahlreiche Unstimmigkeiten gegeben.
Nicht bei allen in der SPD stößt dieser überraschende Kurswechsel der Landeschef*innen Giffey und Raed Saleh auf Wohlwollen. Die Jusos mobilisieren dagegen, mehrere große Kreisverbände sprachen sich grundsätzlich dagegen aus. Nun hat die Parteibasis das letzte Wort: In einer Urabstimmung können sie ihre Meinung zum Koalitionsvertrag und damit letztlich dem Bündnis selbst sagen. Eine Mehrheit für ein Nein wäre eine Überraschung, gilt aber nicht als umöglich. Am 23. April soll das Ergebnis bekannt gegeben werden.
Bei einem „Ja“ könnte Wegner bereits in der Woche darauf im Abgeordnetenhaus zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Er wäre der erste CDU-Regierungschef in der Hauptstadt, seit Eberhard Diepgen 2001 wegen des Bankenskandals aus dem Amt gejagt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen