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Abstimmung über Verbot in ParisEin Leben ohne E-Roller ist möglich

Es ist ganz nett, auf Scootern elektrisch herumzudüsen. Aber es gibt auch gute Gründe gegen die Gefährte. Paris stimmt jetzt über sie ab.

Leider schrecklich nervig: hingeworfene E-Roller in Paris Foto: imago

E -Scooter sind das Fastfood der Mobilität. Man kann sie schnell leihen, kommt schnell zum Ziel und wird sie schnell wieder los. Für längere Strecken gilt, analog zum großen Hunger: Über die Maßen genossen macht das elektrische Stehrollen nicht so richtig Spaß, dafür wird es schnell richtig teuer. Außerdem rümpfen andere Leute gern mal die Nase.

Was ja Gründe hat. Unbenutzt stehen die Dinger hässlich und störend im Weg herum, benutzt nerven sie oft noch mehr, dann nämlich, wenn Menschen – meist Männer, wie immer – mit ihnen kreuz und quer über Gehwege schlingern. In diesem Fall sorgt auch die sonst dankenswerte Lautlosigkeit der Roller für absolut verzichtbare Schrecksekunden.

Für manche ist das mehr als nur nervig: Vor allem, wer nicht gut sehen kann, hat seine Not mit den Scootern, die unverhofft auf dem Trottoir liegen, bisweilen aufgetürmt und verkantet wie stählerne Panzersperren. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband protestiert schon lange gegen die vermeintlich smarten Fahrzeuge, genau wie der Fußgänger-Lobbyverein Fuss e. V.

Es gäbe also gute Gründe, die Existenz der Gefährte in Frage zu stellen, wie das gerade in Paris passiert. An diesem Sonntag stimmen die Menschen in der französischen Hauptstadt ab, ob es E-Scooter weiter geben soll oder nicht.

Hierzulande versucht es die Politik derweil mit Reglementierungen. Die privaten Anbieter mit den fantasievollen Ein-Silben-Namen sollen die Chance erhalten, ihr Geschäftsmodell zu retten, indem sie insbesondere das ungeordnete Abstellen unterbinden. Dazu gibt es nun viele Regeln und teilweise auch Rückgabezonen, abseits derer ein Check-out technisch nicht möglich ist.

Viele Fahrten werden überhaupt nur gemacht, weil’s halt ganz nett ist, ein bisschen elektrisch in der Gegend herumzudüsen

In der Praxis funktioniert das miserabel. Von den Abstellzonen gibt es viel zu wenige, und dass die Roller nicht vorm U-Bahn-Ausgang stehen dürfen oder eine in Metern definierte Gehweg-Restbreite übrig lassen sollen, interessiert viele NutzerInnen exakt gar nicht. Manche Anbieterfirmen machen ein Handyfoto zur Bedingung für die Rückgabe, in der Realität geht das auch komplett verwackelt durch – und wer soll das eigentlich alles kontrollieren?

Die Anbieter selbst schwenken eifrig die Fahne der Verkehrswende, wenn es um E-Scooter geht. „Mobilität nachhaltig verändern“ lautet der Slogan eines der Unternehmen, das davon schwärmt, wie smooth es auf den rollenden Batterien, prallvoll mit klimaneutralem Strom, in Richtung eines „nahtlosen“ Stadtverkehrs geht. Viele deutsche Stadtverwaltungen beißen bei diesem Köder freudig an.

Der Witz dabei: Eine Studie des Umweltbundesamts hat gezeigt, dass die E-Scooter-Nutzung in den allermeisten Fällen Fahrten mit ÖPNV und Fahrrad oder Fußwege ersetzt, ganz selten solche mit dem Auto. Und viele Fahrten werden überhaupt nur gemacht, weil’s halt ganz nett ist, ein bisschen elektrisch herumzudüsen.

Wie gesagt: Fastfood. Für das ja auch gilt, dass es im Einzelfall mal ganz lecker sein kann oder tatsächlich ein elementares Bedürfnis stillt. Und so, wie es vielen absurd erscheinen würde, Essen zu verbieten, nur weil es ungesund ist, kommt nun auch die Pariser Abstimmung über die Zukunft der „Trottinettes“ manchen komplett überzogen vor.

Die würde übrigens vermutlich klar zugunsten der Scooter ausgehen, könnten TouristInnen daran teilnehmen. Sie profitieren wohl am meisten davon, dass man tatsächlich in Prag und Madrid, Lissabon und London die immergleichen Anbieter und eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Stadterkundung vorfindet.

Andererseits gibt es mit den Niederlanden auch einen EU-Staat, in dem die Fahrzeuge wegen einer Regelungslücke gar nicht zugelassen sind. Und dass etwa in Amsterdam die BesucherInnen ausbleiben, weil sie nicht stehenderweise um (oder in) die Grachten kurven können, davon hat man bislang noch nicht gehört. Ein Leben ohne Roller ist möglich.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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26 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Puh. Dann bin ich kein gemütlicher Antikapitalist -- ich habe nicht mal 'nen Führerschein (und ohne, das weiss man, darf man gar nicht Autofahren).

    Ich nehm' dann das Taxi.

  • @RUDOLF FISSNER

    Autos gehören sowieso nicht in die Stadt.

    • @tomás zerolo:

      Hört! Hört!

      Deswegen fährt ja auch der gemütliche Antikapitalist mit dem Auto zum Picknicken aufs Land :-)

  • Nein, der Scooter ersetzt mir keine Autofahrten. Das tut der Bus, weil ich nun schnell 1,5km zur Haltestelle duesen kann.

  • @MITCH MILLER

    Lustig, wie allein das Wort "Kapitalismus" bei manchen das McCarthy-Modul zum Ausrasten bringt.

    Hier: Kapitalismus, Kapitalismus, Kapitalismus ;-)

    Mehr im Ernst: wenn manche Kritik an die aktuelle Zockerbude, die keine Rücksicht auf Menschen, andere Lebewesen und Umwelt nimmt äussert, dann ist es nicht immer Sehnsucht nach der Sowjetunion oder so etwas.

  • "Unbenutzt stehen die Dinger hässlich und störend im Weg herum, benutzt nerven sie oft noch mehr, dann nämlich, wenn Menschen[...] mit ihnen kreuz und quer über Gehwege schlingern. "

    Was diesen Misständen gemein ist ist der Allmende-Charakter der betroffenen Güter: "im Weg" und "quer über Gehwege", das sind öffentliche Güter. die von Bürgern (den Rollerfahrern) genutzt werden.

    Solche System funktionieren nicht, wenn undefinierte Freiräume für die Nutzung bestehen, die bei Missnutzung durch Bürger kostenlos sind und keine Folgen haben.

    Es ist Aufgabe der Öffentlichkeit die Nutzung juristisch einzuhegen und es wundert, dass dies nicht schon längst passiert ist.

  • Weg mit diesen elenden Dingern.

  • Was macht eigentlich der Andi S. ?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Eile mit Weile,



    Denk an die „Letzte Meile“.



    Da wirst Du getragen.



    Wenn sich Roller überschlagen,



    Geht’s Dir eher an den Kragen. –



    Manchmal hör‘ ich Leute sagen:



    „Das ist der Preis der Freiheit.“



    Dann sag‘ ich: „Herzlich Beileid.“

  • mich wundert dieses neumoderne ersteinmal machen lassen, dann panisch nachregulieren- getue. mir scheint die gesetze weltweit und ihre hüter überlassen alles aus mangel an personal und gefahrenbewusstsein immer erst der strasse und dem volk. haben dann unternehmer erst viel investiert, man stellt zu spät fest dass da viel nicht bedacht wurde, dann wird per kahlschlag alles abgeändert. unerträglich unprofessionell und beängstigend. so geht es gerade mit allen technischen neurerungen, die usn angeblich die arbeit erleichtern. die nächste horrorbaustelle wird chat gpd und die KI, aber da sehen die nicht bedachten probleme noch schlimmer aus. keine sorge die verbrecher dieser welt, werden uns schon rechtzeitig aufklären, dass hier dann eine fehlerkorrektur unmöglich sein wird.

  • Ich bin gerne per pedes unterwegs, aber ab und zu hole ich mein gutes altes ciro Kickboard raus. Dann geht es fast so schnell wie mit dem Fahrrad.

    Das Rollgeräusch ist ähnlich einem Scateboard und dadurch hat in der Fussgängerzone keiner den Eindruck das sich da einer anschleicht...

    Cool sind die Teile immer noch und ein leichter Muskelkater in den Oberschenkeln zeigt mir das ich das viel zu selten mache 8)

    ciro forever!

    Gruß vom Mondlicht

  • Ein Stolperstein für die Umwelt



    Was mir sinnvoll erscheint, ist der Ausbau eines Netzes von Ebike Verleih im ländlichen Raum.



    Bei uns bietet das auch der ÖPNV an.



    Hier kann sinnvoll der ÖPNV " individualisiert " werden und Wartezeiten verkürzen, bzw. Verbindungen/Anbindung an Zug oder nächste Busstation geschaffen werden.



    Das macht den ÖPNV attraktiver. Die Roller bremsen nicht nur die FußgängerInnen und RadfahrerInnen.



    Sie sind ein Sicherheitsrisiko wie die Unfallstatistik belegt . Im Übrigen profitieren private Anbieter und der ÖPNV geht leer aus. Zusätzlich müssen sich Städte und Gemeinden mit dem " Müllproblem" auseinander setzen.



    Vor einiger Zeit wurden in einer großen Aktion E Roller durch Taucher aus dem Rhein gefischt , da die Auswirkungen der Akkus auf das Gewässer eine Gefahr darstellen.



    Elektromobilität ist kein Allheilmittel.



    In diesem Fall ist Sie ein Stolperstein für die Umwelt und die Gesellschaft.

    • @Philippo1000:

      Stimmt auf dem Land kann es sinnvoll sein. Dort gibt es sie nicht, bei uns in der Stadt steht diese Scheiße immer wieder quer auf Radweg. Mache dann ab und zu ein Foto, schicke es an die Hipster-Schrottverleihe. Vorschläge wie zB Foto vom Parken machen zu lassen und ggf richtiges Parken zu belohnen - als Alternative zu „ihr solltet gefälligst Strafe zahlen wie ein Autofahrer“ werden bedankt mit „gute Idee“. Passiert aber nichts. Das StGB verhindert dass ich mit den Dingern so verfahre wie ich es für angemessen halte (und sie sind dafür auch etwas schwer).

  • Ach. Nochb so ein Baby vom Scheuer

  • Ich bezweifle stark, dass die E-Roller hingeworfen werden. Die kippen einfach zu leicht um, wenn man sich gazwischen bewegt oder sie fallen wie die Dominosteine.

  • Wäre super, wenn Berlin da nachziehen könnte und dabei ein Rollerverbot rauskäme. Braucht kein Mensch, die Dinger. Sind sowieso viel zu viele Leute übergewichtig; die letzte Meile zu laufen wäre da keine schlechte Übung.

  • Wie immer macht die Kombination aus rücksichtslosen und egoistischen Nutzern, sowie fehlender Kontrolle und Strafe das Problem aus. Man stelle sich den Autoverkehr ohne StVO und Polizei vor...und der ist jetzt immer noch unterreguliert (siehe Geschwindigkeitsverstöße, Falschparker, etc.).



    Das war vorhersehbar, wurde aber nicht ins System übernommen. Abstellflächen hätten sofort ein Minimum sein müssen. Fehlverhalten muss sofort und hart bestraft werden, sonst verhalten sich viele Menschen wie Tiere. Falsch abgestellt? 500€. Auf dem Gehweg gefahren? 250€. Rote Ampel? 250€ und Fahrverbot. Das dann gerne analog für Räder und Kfz skalieren. Für viele sind Verstöße Kavaliersdelikte, die man einkalkuliert und sich gönnt. Wenn die Strafe dem Kaufpreis des Tatmittels nahekommt, überlegt man sich das dann doch mal...

  • Gute Zusammenfassung!



    Leider sind viele Leute rücksichtslos.

  • Bis vor wenigen Jahren war ein Leben ohne E-Scooter einfach das Leben, es ist also keine Frage ob es möglich wäre. Ein gewisser unfähiger Verkehrsminister hat die Dinger forciert, von wegen Alternative zum Auto. Faktisch bleibt kein Auto deswegen stehen und die Leute bewegen sich noch weniger aus eigener Kraft fort. Wer früher ging oder geradelt ist, der steht teils heute da drauf rum. Sie sind einfach nur Sondermüll der vorübergehend verhindert, dass sich Leute bewegen. Ich muss da immer an eine Zukunftsstory aus Entenhausen denken wo alle fett und schlaff auf solchen Rollern hängen...

    • @Eva Kern:

      Oder an das Lied 'In the Year 2525:'

      your legs got nothing to do~



      some machines doing that for you~

  • Die e-Scooters sind m.E. ein wunderschönes Beispiel für die hässlichsten Seiten des unregulierten Kapitalismus.

    Den Anbietern ist der öffentliche Raum einfach wurscht. Sie nutzen das Nachhaltigkeitsblabla für ihr Greenwashing, obwohl die kapitalistische Optimierung des Geschäftsmodells dazu führt, dass sie eine durchschnittliche Lebenserwartung von 6-24 Monaten haben [1], wodurch sie z.T. eine schlechtere Gesamt-CO2-Bilanz aufweisen als traditionelles mobilisiertes Individualverkehr (ebenfalls [1]).

    Dazu kommt, dass die Nutzer*innen geradezu dazu erzogen werden, es ohne Rücksicht auf Verluste irgendwo abzustellen, weil "ich hab' ja für den Service bezaht".

    Nehmen wir noch die prekären Jobs dazu (Juicer), dann haben wir das perfekte kapitalistische Modell.

    Schade, denn eine im Grunde gute Idee (die Überbrückung der letzten Meile) wird mal wieder durch den Midas-Touch des Kapitalismus in Scheisse verwandelt.

    [1] www.researchgate.n..._E-Scooter_Sharing

    • @tomás zerolo:

      👍

      • @sachmah:

        👍Jepp, Scooter und Fahräder sind des Teufels👿, wenn sie nich am der ordentlichen ihnen amtlich zugewiesenen Platze stehen 🧐

        Ganz anders Autos! Die stehen immer korrekt sozialistisch auf ihren Parkplätzen! Sozusagen "allzeit bereit, immer bereit!" 🤪

    • @tomás zerolo:

      Was hat das mit Kapitalismus zu tun? Wenn, dann freie Markwirtschaft: Die Nachfrage führt zum und regelt das Angebot.

      Auch in anderen Wirtschaftssystemen wir das produziert und angeboten, was die Menschen gerne kaufen.

      Ansonsten war auch der Kommunismus nur ein Kapitalismus im sozialistischen Kleidchen.

      • @Mitch Miller:

        Leider wissenschaftlich unbrauchbare Aussage. Es ist eben doch möglich, im Kapitalismus am Bedarf vorbei anzubieten und auch Minusgeschäfte am Leben zu belassen. Es steht jedem frei, das Sche..ßgeschäft durch Zuschießen von Mitteln am Leben zu erhalten. Das sage ich Ihnen als Ökonom.

      • @Mitch Miller:

        Bitte erläutern Sie das mal im Detail. Mit Gruß meines Gemeinschaftskundelehrers.